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Kommentar: Diese Koalition ist längst nicht am Ende

Der Ton zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer wird zusehends rauer. (Bild: Michael Kappeler/dpa)
Der Ton zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer wird zusehends rauer. (Bild: Michael Kappeler/dpa)

Eine Krisenlösung jagt die andere, der Bundesregierung scheint der Atem auszugehen. Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Alle bräuchten erstmal in Ruhe eine Tasse Tee.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Eine seltsame Untergangsstimmung erfasst das Land. In den Medien heißt es, unsere Regierenden seien am Ende, kein gemeinsamer Wille, nur noch müdes Gewese. Von den Parteien dringt kein dem widersprechender Fanfarenstoß, eher ein leises Blockflötenfiebsen. Und in den Kneipen, Chatforen und Friseursalons lässt sich auch keinerlei Begeisterung für die aktuelle Regierung aufstöbern.

Der Fall Maaßen scheint diese ganze Malaise nun offen zu legen. Da zeigen sich drei Regierungsparteien nicht in der Lage einen Verwaltungsposten ordentlich zu managen. Hans-Georg Maaßen hatte sich mit einen Falschäußerungen und der anhaltend mangelnden Einsicht als Chef des Bundesverfassungsschutzes unmöglich gemacht. Doch wohin mit ihm? Da er in den Augen Einiger als “Merkel-Kritiker” galt, spitzten jene die Ohren, ob die Affäre zur Legendenbildung taugte, was eine Verbannung Maaßens zur Voraussetzung gehabt hätte. Diesen Gefallen wollte ihnen die Große Koalition nicht machen. Bundesinnenminister Horst Seehofer, der sich gern als Schutzpatron aller “Merkel-Kritiker” empfiehlt, hielt darüber hinaus an Maaßen fest und wollte ihn gar auf einen Staatssekretärsposten heben, was die semiprofessionelle Verhandlungstaktik der SPD-Chefin Andrea Nahles zuerst tolerierte.

Dann kam es zu einem Knall. Zu jenem Murren in den Kneipen, in den Zeitungsseiten, in den Friseursalons.

Wenn das keine Lösung ist

Und die Politik setzte sich hin und machte ihre Hausaufgaben. Ergebnis: Jemand wie Maaßen taugt weder zum Märtyrer noch zum Großkopferten, bleibt als Kompromiss ein Frühstücksdirektorenjob auf der Ebene eines Abteilungsleiters im Bundesinnenministerium. Eigentlich eine salomonische Lösung.

Nur dringt diese nicht durch, in der öffentlichen Wahrnehmung. Doch dies sagt weniger über den tatsächlichen Zustand der Großen Koalition aus, sondern mehr über unseren Aggregatzustand als Erregungsgesellschaft.

Worüber echauffieren wir uns nicht alles! Immer kommt man zu kurz. Und dann noch diese unfähigen Damen und Herren von der Politik…

All diese Schwarzmalerei übersieht den Fakt, dass jeder Erregungszustand dem Verlauf einer Fieberkurve folgt. In einer Woche wird niemand mehr über das Ende der deutschen Regierung fabulieren. Dann wird Maaßen, endlich, vergessen sein.

Denn das Kabinett funktioniert, allen Unkenrufen zum Trotz. Keine Vision und erst recht keine Ideologie hält es zusammen; das ist beklagenswert. Aber in jedem Ministerium werden Gesetze erarbeitet, welche den Alltag dieses Landes den Erfordernissen ein Stück weit anpassen. Schlecht ergeht es den Deutschen mit diesen Leuten da oben nicht.

Der Fall Hans-Georg Maaßen ist für alle Beteiligten noch nicht durchgestanden. (Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa)
Der Fall Hans-Georg Maaßen ist für alle Beteiligten noch nicht durchgestanden. (Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Die Karawane zieht weiter

Daher ist nun der Wind aus den Segeln des Meckerns genommen. Diese Regierung wird noch länger zusammenarbeiten, als man sich gemeinhin heute vorstellt, und es wird nicht die Angst vor dem Untergang sein, die sie belässt. Zum einen schimmert eine Alternativlosigkeit hervor, und zum anderen – läuft es. Bemerkenswert wohltuend ist auch der Umstand, dass zwei Frauen an den Spitzen der stärksten Regierungsparteien stehen. Probleme werden lösungsorientierter angegangen, Fehler werden eingestanden. Dass Nahles nun angezählt wird, ist nur der Verwechslung von Führungsstärke mit Testosteron geschuldet. Ein Sigmar Gabriel hätte die Causa Maaßen anders geregelt? Mag sein. Aber vorher und nachher hätte er ganz anderes Porzellan zerschlagen. Vom Springteufel Horst Seehofer abgesehen, der die Erregung ins Regieren zu tragen versucht, kontrastiert dieses Kabinett in seiner Unaufgeregtheit geradezu das öffentliche Hyperventilieren.

Dabei haben wir alle uns daran zu gewöhnen, dass die Große Koalition keine große mehr ist. Union und SPD sind als Duo schlicht regierungsfähig. Vielleicht erreichen diese beiden Lager in Zukunft nicht einmal eine Mehrheit, aber ein Ende von Volksparteien ist nicht gleich das Ende der Demokratie, es wird nur komplizierter. Es gibt europäische Nachbarn, die seit langen diese Erfahrungen machen und dennoch eine stabile Politik genießen.

Es ist also Zeit zum Abkühlen. Bis zum nächsten medialen Brüller wird Sachpolitik vollzogen. Selbst für Horst Seehofer, den Vater alles Schrillen in der Politik, ist nicht ausgeschlossen, dass er als Bundesminister weitermacht, obwohl seine Rolle als Sündenbock für eine womöglich vergeigte CSU-Wahl in Bayern im Oktober bereits gebucht ist. Aber erstens ist ein katastrophales Abschneiden der CSU längst nicht entschieden, und zweitens wäre eine überraschende Volte Seehofers nicht seine erste.

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