Kommentar: Diese Studie kann Horst Seehofer zu Fall bringen

Bundesinnenminister Horst Seehofer in Berlin (Bild: Markus Schreiber/Pool via Reuters)
Bundesinnenminister Horst Seehofer in Berlin (Bild: Markus Schreiber/Pool via Reuters)

Der Bundesinnenminister sperrt sich gegen eine Untersuchung von Rassismus bei der Polizei. Das macht nicht nur keinen Sinn. Es könnte auch seinen Abgang beschleunigen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Horst Seehofer hat eine Debatte an der Backe. Die wird er nicht mehr los. Denn der Bundesinnenminister hat nonchalant beschieden, eine gewisse Studie nicht machen zu lassen. Es geht um die Frage, wie viel Rassismus in deutscher Polizeiarbeit steckt. Seehofers Begründung in etwa: Weil irgendwo in den polizeilichen Vorschriften drinsteht, dass Rassismus blöd ist, gibt es ihn nicht. Racial Profiling, also die Behandlung von Menschen je nach ihrer Einteilung in “Gruppen”, ist bei der Polizei nicht vorgesehen. Das ist offiziell auch so.

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Aber die komische Argumentation des CSU-Politikers ist vergleichbar mit dem Vogel Strauß, der den Kopf in den Sand steckt, weil nicht sein kann, was nicht sein darf – oder: Welches Gesetz wird an jedem Tag im Jahr von jedem Bürger allein deshalb befolgt, weil es existiert?

Klar, dass Seehofer mit dieser Nummer nicht weit kommt.

Nun protestieren sogar Gewerkschafter der Polizei, denn so kann erst der Zweifel aufkommen, dass eine Studie nur deshalb nicht in Angriff genommen wird, weil man die Deckel gewisser Töpfe nicht öffnen will. Aus sensorischen Gründen.

Klares aus der Kloßbrühe

Also wird eine Polizeistudie kommen. Nichts ist sicherer als das. Seehofers Zukunft als Innenminister erscheint dagegen mit jedem Tag unklarer. Denn er wird seine Position nicht durchhalten können und mal wieder als der Hansel dastehen, der Großspuriges ankündigt und sich dann trollt. Eine Anzeige gegen Angela Merkel wegen der Grenzpolitik 2015? Ein Strafverfahren gegen eine “taz”-Autor_in wegen Verunglimpfungen? Und nun eine Nicht-Studie? Die Nebelkerzen des Herrn S. häufen sich.

Sein Verhalten macht auch deshalb keinen Sinn, weil eine Studie nicht zu fürchten ist. Wissen ist Macht, heißt es. Weswegen sollte man sich Erkenntnissen einer Studie verschließen, welchen auch immer?

Rassismus bei der Polizei lässt sich nicht einfach wegignorieren (Symbolbild: Getty Images)
Rassismus bei der Polizei lässt sich nicht einfach wegignorieren (Symbolbild: Getty Images)

Und natürlich gibt es Rassismus in der Polizei. Die Beamte sind ja keine Außerirdischen vom Mars, wo solche Einstellungen seit Generationen genetisch wegmanipuliert sind. Sie sind Menschen. Und fehlbar wie wir alle.

Dass Rassismus in der Polizei eher untersucht werden sollte als jener, sagen wir unter Finanzbeamten (was auch nicht völlig unsinnig wäre), liegt an der besonderen Verantwortung, die sie tragen.

Polizisten üben Gewalt aus, in unserem Auftrag. Eine Macht, wie auch immer, kann eher missbraucht werden als eine Ohnmacht. Das macht anfällig – und einen Rassismus dort umso “effektiver”.

Es ist normal, darüber zu reden

Polizisten kriegen auch eine Menge Mist zu sehen. Sie müssen dort für Ordnung und Sicherheit sorgen, wo andere wegschauen. Überstunden werden einfach verfügt. Schlecht bezahlt werden die Beamten auch. Der Respekt schwindet. In den nicht wenigen Stressreaktionen ist man dann anfälliger dafür, sich wie ein Arschloch zu benehmen, als wenn man weiß, dass man am Ende des Tages zehn Steuererklärungen bearbeitet haben wird.

Auch ist es ein Fakt, dass Gewalt sich selbst anzieht. Wer Waffen und Gewalt mag, wird eher überlegen zur Polizei zu gehen als jemand, den sowas anekelt. Ich rede hier von einer Struktur: Viele Polizisten mögen die Dienstwaffen überhaupt nicht und sehen sie als notwendiges Übel an. Manche aber nicht. Und die müssen dann mit ihrer Verantwortung besonders sensibel umgehen. Da kann eine Studie nur helfen.

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Seehofer aber mauert. Er hat sich verrannt und hält an einer Position fest, die er längst hätte korrigieren können und müssen. Was, wenn in den nächsten Tagen ein Skandal an die Öffentlichkeit geraten sollte, ein einzelner Fall krassen polizeilichen rassistischen Verhaltens, rundweg medial aufbereitet mit Video und Audio? Wie würde der Innenminister dastehen? Verhinderer in einem Amt stehen nicht gerade für Strahlkraft.

Daher werden schlussendlich auch die Polizeien diese Studie begrüßen. Ob Seehofer dann noch auf seinem Kabinettsstuhl sitzt, ist eine andere Frage.

Video: Seehofer nimmt Polizei gegen Rassismus-Vorwurf in Schutz