Kommentar: Donald Trump ist der neue Avenger

Winkewinke für das Volk: Donald Trump bei einem Kurzausflug mit dem Auto, während er eigentlich im Krankenhaus wegen Corona behandelt wird. (Bild: REUTERS/Cheriss May)
Winkewinke für das Volk: Donald Trump bei einem Kurzausflug mit dem Auto, während er eigentlich im Krankenhaus wegen Corona behandelt wird. (Bild: REUTERS/Cheriss May)

Der US-Präsident hat mit dem Coronavirus einen Deal gemacht. Hauptsache, die Fassade stimmt. Damit schwingt sich Donald Trump zu Amerikas obersten Totengräber auf.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Es ist schon ein Elend, nun wird der neue James-Bond-Film wieder verschoben, ins neue Jahr hinein. Doch es gibt Ersatz: Ein weiterer Avengers-Film kommt gerade heraus – und es gibt ihn in Folgen jeden Tag zu sehen. Donald Trump inszeniert sich gerade als neuer Superheld.

Der vom Covid-19-Virus befallene Präsident hat sich offenbar selbst aus dem Krankenhaus entlassen. Wie Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro präsentiert er sich als pure Kraft, der kein Virus etwas anhaben kann.

Trump kann kaum laufen. Er atmet schwer. Zeitweise hatte er schweres Fieber und musste Sauerstoff kriegen. Aber für seine Anhänger veranstaltet er ein monströses Winkewinke. Er, der stets die Gefahren von Corona heruntergespielt hatte, darf einfach nicht eine Schwäche zeigen. Im Gegensatz zu den 210.000 an Covid-19 gestorbenen Amerikanern genießt Trump die beste Behandlung in seinem Land, und an dieser Stelle ist der Superlativ tatsächlich angebracht. Eine Armee von Ärzten kümmert sich um ihn, er kriegt Präparate, die noch gar nicht auf dem Markt sind – und nun tut Trump so, als könnte er ein Vorbild sein für alle Amerikaner.

Hochgedopt

Er fühle sich besser als vor 20 Jahren, schreibt er. Du meine Güte, welches Zeug haben sie ihm gegeben? „Ich habe viel über das Corona-Virus gelernt“, orakelt Trump auf Twitter. Es scheint, als habe er sich wie einst Meister Yoda auf den Planeten Dagobah begeben und unter einer Plastikpalme meditiert. Und was ist seine Erkenntnis? „Eins ist sicher. Lasst euch nicht davon dominieren. Habt keine Angst davor.“ Trump definiert Covid-19 als Willenssache. Hätte er seine Philosophie früher dem Volk geschenkt, die 210.000 Toten wären vielleicht gar nicht so tot, nur ein bisschen, nicht wahr? Das hätten sie doch wissen müssen, das mit der Willenssache und mit der Angst. Okay, einen Platz in der Luxussuite des Walter-Reed-Militärkrankenhauses hatten sie nicht gekriegt, auch keine Medikamente für Ausgewählte, aber hey: Willenssache.

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Eigentlich dachte ich, dass Angst ein guter Umgang mit dem Virus ist. Angst macht achtsam und umsichtig, und mit gewisser Disziplin lässt sich auch das Infektionsrisiko reduzieren. Trump indes nimmt die Angst. Nur nimmt er nicht das Infektionsrisiko, das ist die Schattenseite seines Deals. Aber ich vergaß: Bei einem Deal gewinnt stets nur Trump. Wieder zurück im Weißen Haus, kann er weitere Mitarbeiter anstecken. Sie werden es ihm danken.

Runtergedreht

Und damit verwechselt der Präsident seine Rolle. Zu den Avengers passt er nicht wirklich. Eher passt Darth Vader zu ihm: Seine Untergebenen sind ihm egal. So verschwieg er offensichtlich den Verdacht, dass er den Virus in sich trug – und gefährdete andere. Und auch dann, als nichts mehr geleugnet werden konnte und er umfiel, da ließ er sich aus dem Krankenhaus für ein, zwei Minuten in einem Auto herumkutschieren, nur um Anhängern auf der Straße zuzuwinken. Dumm nur, dass Agenten des Secret Service mit ihm im Auto saßen. Es ist egal, welche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen worden waren, ob die Beamten schon Covid-19 überstanden hatten und damit wenig riskierten – aber die Botschaft ist eindeutig: Trump schert sich um nichts. Die Leibwächter sind übrigens jetzt in Quarantäne; alles für einen einminütigen Autotrip.

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Trump selbst scheint auf einem anderen Trip. Die Medikamente könnten seinen Größenwahn gesteigert haben. Hoffentlich hat er in der Restlaufzeit seiner Amtsschaft keine Entscheidungen von größerer Tragweite zu treffen. Dieser Mann ist einfach nur ein Abgrund.

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