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Kommentar: Ein Olympia-Boykott muss her

Menschenrechtsgruppen fordern vor der Zentrale des IOC in Lausanne einen Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking (Bild: REUTERS/Denis Balibouse)
Menschenrechtsgruppen fordern vor der Zentrale des IOC in Lausanne einen Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking (Bild: REUTERS/Denis Balibouse)

Die Olympischen Winterspiele stehen vor der Tür. Wieder hat sich das Regime in China das Turnier gesichert – das ist schon ein Skandal an sich. Doch wenigstens politisch sollte Olympia gemieden werden – als Bühne zur Ächtung der Diktatur.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Thomas Bach kann sich freuen. Während sich die halbe Welt fragt, wie es der verschwundenen Tennisspielerin Peng Shuai geht, vermeldet der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) stolz, sie habe ihn zum Dinner eingeladen – während der Olympischen Winterspiele in Peking. Das bedeutet etwas.

Entweder weiß Bach mehr, als er sagt, aber es ist ihm egal. Oder er ist weniger klug, als er vorgibt zu sein. Denn Peng Shuai hat einem chinesischen Spitzenpolitiker sexuellen Missbrauch vorgeworfen und ist abgetaucht; alles, was seitdem nach draußen dringt, lässt nur den Schluss zu: Sie versteckt sich nicht freiwillig, sondern wird gewaltsam von der Regierung wegen Missliebigkeit festgehalten. Wie man es halt macht in einer Diktatur, in der sich die mächtigen Männer wie Götter bewegen.

Doch das IOC verkündet frohgemut, sie sei wohlauf – nach einem halbstündigen Videochat mit ihr, von dem das IOC berichtet, als habe es einen Coup gelandet; dabei ist es nur ein Armutszeugnis: Nicht einmal klar ist, ob Bach überhaupt mit Peng Shuai über ihre Vorwürfe gesprochen hat. Er inszeniert sich stattdessen als willfährige Marionette einer Diktatur. Für Bach und das IOC zählt nur das Klingeln der Kasse. Und Peking versprach einen reibungslosen Ablauf des größten Wintersportfests der Welt und damit größtmögliche Einnahmen für das IOC.

War was?

Genauso reibungslos verfährt das Regime mit Peng Shuai. Eine Frau beschwert sich wegen Missbrauch? Weg von der Bildfläche! Die Demokratiebewegung in Hongkong besteht auf ihr Recht auf ein Leben in Demokratie und Freiheit? Wegsperren! Die Uiguren wollen weiterhin Muslime bleiben, in ihrer Turksprache sprechen und ihrer Kultur frönen? Ab ins Lager!

Der große Denkfehler, den Chinas alleinherrschende Partei macht, ist, dass sie in Sachen Demokratie und politischer Willensbildung meint etwas zu sagen zu haben, auf der internationalen Bühne. Hat sie aber nicht. Ihre Ausgestaltung von Politik, Macht und Führung ist ein total fail, höchstens ein Vorbild für Gangster. Und wo chinesische Außenpolitik sich bemerkbar macht, tut sie dies nur durch konsequenten Machtausbau mit ausgefahrenen Ellenbogen und auf Kosten anderer Menschen. Politik ist für die Machthaber in Peking reiner Zynismus.

Schade, dass das IOC da mitspielt. Aber dessen Werte sind offensichtlich schon seit längerem auf dem Luxusdeck in der Sonne geschmolzen.

Die Scheinwerfer drehen

Umso besser, dass wenigstens einige Politiker nun immerhin einen diplomatischen Boykott dieser skandalösen Spiele ankündigen. Die USA und auch Australien werden keine Regierungsmitglieder nach China zu den Spielen schicken. Olaf Scholz schweigt noch ungeschickterweise, während der Bundespräsident nur ausrichten lässt, er reise nicht – aber nicht, warum. Die neue deutsche Bundesregierung sollte laut aussprechen, dass sie diese Spiele boykottiert. Diese hätten niemals nach Peking gehen dürfen – aber im Sport gibt es längst die Tendenz zum Kuscheln mit Autokraten, siehe Fußball-WM in Qatar. Für die Sportler ist es schwer, sie stecken in einer Zwickmühle: Einerseits haben sie beruflich seit Jahren auf dieses wichtigste Ereignis hingearbeitet, andererseits müssen auch sie den Eindruck haben, dass ihr Beruf missbraucht wird, dass sie in Peking nicht wirklich frei sind.

Also kann diese Fehlentscheidung zu einer Chance werden. Während der Winterspiele sollten weltweit Veranstaltungen und Demos über den undemokratischen Charakter des Regimes in China aufklären. Fernsehsendungen sollten die Diktatur thematisieren – alles sollte bewegt werden, damit die Regierung diese Winterspiele so wenig wie möglich als Bühne benutzen kann. Damit die Scheinwerfer umgedreht werden und sie das Regime zeigen, wie es ist.

Im Video: Ampel will sich Olympia-Boykott vorerst nicht anschließen