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Kommentar: Ex-Außenminister Boris Johnson erinnert an einen bestimmten Innenminister

Boris Johnson will nicht länger Außenminister sein. (Bild: AP Photo/Natacha Pisarenko)
Boris Johnson will nicht länger Außenminister sein. (Bild: AP Photo/Natacha Pisarenko)

Er ist Innenminister. Noch. Und er war Außenminister. Bis gestern. Horst Seehofer und Boris Johnson verkörpern einen alten Politikstil, der gerade modern wirkt.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Als Boris Johnson gestern seinen Rücktritt vom Amt des britischen Außenministers verkündete, hatte er mal wieder alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Warum eigentlich? Als oberster Diplomat glänzte er weniger durch Können denn durch Spott; man konnte sich des Eindrucks der Dauerverwirrung bei Johnson nicht erwehren.

Und dennoch bedeutet sein Rückzug nicht, dass Premierministerin Theresa May nun durchregieren könnte. Ja, sie hat einen innerparteilichen Gegner weniger im eigenen Kabinett. Aber Johnson wird ihr aus dem Parlament heraus das politische Leben erschweren. Horst Seehofer kann sich schon mal anschauen, wie Johnson das anstellen wird. Schließlich haben beide einiges gemein.

Ernst ist ihr zweiter Vorname

Beide sind konservative Politiker, die ihren eigenen Kopf haben, auch mal gegen den Parteistream agieren. Beide setzen in jüngster Zeit auf Rechtspopulismen, indem sie Heilsversprechen loslassen, einfache Lösungen für komplexe Zustände. Johnson ist das Sprachrohr des Brexits, eines harten Ausstiegs Großbritanniens aus der EU und einer sehr eigenständigen Entwicklung des Landes. Seehofer propagiert Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Geflüchteten, als hänge das Schicksal der Nation an dieser Frage. Überhaupt stilisieren beide einiges zu Schicksalsfragen. Beide werden immer ernster. Früher waren beide konsequent witzig, mit einer ungemein größeren Portion Humor gesegnet als die meisten ihrer Kollegen. Heute aber setzen sie leidgeplagte Mienen auf.

Beide haben auch ein Problem mit einer Frau. Bei Johnson ist es seine Vorgesetzte May, bei Seehofer ist es seine Vorgesetzte Angela Merkel. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen finden beide, sie wären die besten Chefs. Und wenn das SCHICKSAL dies vorerst verhindert, dann aber bittschön keine Frau über ihnen! Beide verneinten vehement Machotum, während sie im gleichen Atemzug ein „die nicht“ hauchen würden.

Horst Seehofer hat einige Gemeinsamkeiten mit Johnson. (Bild: Kay Nietfeld/dpa via AP)
Horst Seehofer hat einige Gemeinsamkeiten mit Johnson. (Bild: Kay Nietfeld/dpa via AP)

Beiden nimmt man auch weniger krumm. Johnson polemisierte im Wahlkampf um das britische Referendum über einen Ausstieg aus der EU mit falschen Zahlen, log, bis sich die Balken bogen. Das unterscheidet ihn von Seehofer, dem Seriosität wirklich wichtig ist. Aber Seehofers Volten darüber, was er wann nicht mehr mittragen kann und dann später doch – all dies bewirkte einen Trend, den er mit Johnson wieder teilt: Man lässt beiden mehr durchgehen, weil sich die Öffentlichkeit an ihre Dampfplauderei gewöhnt hat. Der Tag ist lang.

Irgendetwas muss immer weg

Beide hoffen auch, von ihren Manövern zu profitieren. Johnson stellte sich an die Spitze der Brexit-Kampagne, ohne ihren Erfolg wirklich zu wollen – er wollte seine regierenden Parteioberen schwächen, um an die Spitze zu kommen. Und Seehofer befeuerte die „Merkel-muss-weg“-Stimmung am rechten Rand, weil er sich davon eine Konsolidierung seiner CSU bei den bayerischen Landtagswahlen im Oktober erhofft. Insgeheim mag er vielleicht auch den Hintergedanken gehegt haben, im Falle eines politischen Ausnahmezustands selbst in Merkels Fußstapfen zu treten; aber dafür verlief die sommerliche Unionskrise für ihn ungeplantermaßen zu ungünstig.

Beide sind keine Politiker der Vergangenheit. Dass sie banale Antworten bieten, ist dem Zeitgeist geschuldet. Das kommt an. Mit ihnen ist mittelfristig weiterhin zu rechnen.

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