Kommentar: Fehlgeburten – Wie der Umgang damit tabuisiert ist und Frauen schadet

Über Aborte wird kaum gesprochen. Doch damit lässt man die Frauen allein. Das zeigen auch die diskriminierenden Regeln zum Mutterschutz.

Frau im Krankenhaus
Was bedeutet die Tabuisierung von Fehlgeburten für Frauen? (Symbolbild: Getty)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Es ist ein Thema, das großen Schmerz auslösen kann. 30 Prozent aller Frauen sind in ihrem Leben von einer oder mehreren Fehlgeburten betroffen. Doch umso mehr überraschen die Regelungen dazu. Sie zeigen, dass über Frauen im Zweifel immer noch hinweggesehen wird.

Wer etwa denkt, dass man nach einer Fehlgeburt automatisch krankgeschrieben wird, irrt. Auch der Mutterschutz zieht nur in bestimmten Fällen: Der steht nach aktueller Rechtslage nur Frauen zu, deren still geborenes Kind 500 Gramm wiegt oder bei der Geburt wenigstens ein einziges Mal geatmet hat. Oder aber, wenn die 24. Schwangerschaftswoche erreicht ist. In diesen Fällen umfasst der Mutterschutz bis zu 18 Wochen.

Es kommt indes oft vor, dass diese Grenzen unterlaufen werden. Und was dann? Die Ampel-Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, den Mutterschutz nicht ab der 24., sondern ab der 20. Schwangerschaftswoche gelten zu lassen. Aber auch hier ist wieder eine starre Messlatte. Viel mehr Sinn würde ein gestaffelter Mutterschutz machen, weil er den Situationen gerechter werden würde. Nun erarbeitet eine Expertenkommission des Bundestags eine neue Lösung, nachdem eine Initiative von Frauen ihr Anliegen vorgetragen hatte. Denn langsam hat sich Widerstand aufgebaut: Eine Online-Petition hat 70.000 Unterschriften gefunden.

Die geschaffenen Grundlagen passen einfach nicht

Deutschland ist zuweilen ein komisches Land. Schutzbestimmungen gibt es für viele und vieles. Und auch im Krankschreiben sind wir Weltmeister – auch wenn wir dem Ausland erfolgreich verkaufen, wir seien besonders arbeitsam. Sind wir aber nicht. Doch bei Frauen, die eine Totgeburt hinter sich haben, gibt es plötzlich eine starre Messlatte.

Klar, jeder Fall ist einzeln und persönlich. Aber gerade deshalb ist es Aufgabe des Staates, niedrigschwellig zu agieren und vorausschauend zu handeln. Hier schaut er eher weg. Für eine Frau mag eine Fehlgeburt eine große Tragik bedeuten, für eine andere weitaus weniger. Und dieses Thema hat schlicht nichts mit dem der Schwangerschaftsabbrüche zu tun. Zum einen handelt es sich bei letzterem um eine Entscheidung. Und zum anderen ist die immer zu akzeptieren. Studien haben genau ergeben, dass der Umgang von Frauen mit ihren Schwangerschaftsabbrüchen höchst unterschiedlich ist – und dass die vielen Vorstellungen, wie traumatisierend das alles sei, zuallererst dem Motiv geschuldet sind, etwas als schlecht darzustellen und den Frauen ihre Entscheidungskompetenz abzusprechen.

Das Setting ist allgemein frauenfeindlich

Deshalb dürfen Arztpraxen immer noch nicht über ihre Abtreibungsdienste so aufklären, wie sie es tun müssten.

Deshalb müssen Frauen über 22 Jahre für die Pille zum Verhüten die Rezeptgebühr zahlen.

Deshalb müssen Frauen ihre Damenbinden selbst kaufen.

Gesetze werden halt meist von Männern gemacht. Deren Interesse dafür scheint weniger ausgebildet zu sein, es betrifft sie nicht direkt. Und im Reden sind wir ja auch nicht gerade Champions. Heißt: Bei Fehlgeburten müssen die Frauen oft zusehen, wie sie allein klarkommen. Das Thema braucht indes mehr Öffentlichkeit, mehr Aufklärung; dasselbe gilt für Schwangerschaftsabbrüche. Dann können Erfahrungen auch besser verortet werden. Und es braucht mehr Schutz. Die Politik sollte endlich übernehmen.