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Kommentar: Friedrich Merz will seinen eigenen Mist nicht wahrhaben – das Gericht aber schon

Friedrich Merz bei einer Debatte der Jungen Union im Oktober 2020 (Bild: Michael Kappeler/Pool via REUTERS)
Friedrich Merz bei einer Debatte der Jungen Union im Oktober 2020 (Bild: Michael Kappeler/Pool via REUTERS)

Der Kandidat für den CDU-Parteivorsitz scheitert mit seiner Bierdeckelabmahnung: Er schickt wegen eines Tweets eine Abmahnung. Das ging nach hinten los.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Dumm gelaufen, heißt es für Friedrich Merz. Er muss sich vorhalten lassen, wofür er in seinem parlamentarischen Leben gestimmt hat. Lästig ist das. Für ihn. Der Mann aus dem Sauerland will CDU-Parteichef und dann Kanzler werden – seine Chancen, beim Parteitag Ende Januar gewählt zu werden, sind nicht die schlechtesten. Doch nun fällt dem 65-Jährigen ein Bierdeckel vor die Füße.

Merz ist selbst bekannt für einen eigenen Bierdeckel, 2003 präsentierte er einen Vorschlag für eine neue Steuererklärung, die auf einen Bierdeckel passe; später gab er zu, dass seine Rechnung falsch war, aber es ehrt ihn, dies so öffentlich einzusehen. Gelingt ja nicht jedem Politiker. Allzu offen ist Merz indes nicht. Denn nun kommen wir zum anderen Bierdeckel.

Fabio De Masi hat ihn abgeschickt. Er ist Bundestagsabgeordneter für die Linken und schrieb:

„Friedrich #Merz auf einem Bierdeckel. 1997 votiert er gegen die Strafbarkeit der Vergewaltigung, wenn sie in der Ehe stattfindet. 2000 fordert er Rente ab 70, 2004 Abschaffung Kündigungsschutz und 2006 klagt er gegen Veröffentlichung Nebeneinkünfte von Abgeordneten. Noch Fragen?“

Juristische Hakenschläge

Also: kurz und knapp. Alles drin. Merz ließ das nicht auf sich beruhen. Er schickte De Masi eine Abmahnung mit der Forderung, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben. „Das werde ich selbstverständlich nicht tun. Da bin ich hart wie Granit oder ein Black Rock“, schrieb De Masi auf Facebook in Anspielung auf Merz‘ frühere Arbeit im Aufsichtsrat der global tätigen Vermögensverwaltung. Er habe lediglich „öffentlich bekannte Fakten“ stichpunktartig wiedergegeben.

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Dennoch schäumte mancher in der Union. Der Linken-Politiker würde mit Unterstellungen arbeiten, hieß es.

Merz selbst hat stets bestritten, 1997 gegen die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe gestimmt zu haben, als das Thema im März 2020 wieder aufgegriffen wurde. Er habe „für eine Regelung mit Widerspruchsklausel“ gestimmt, weil „Strafverfahren durch Falschbehauptungen zerstrittener Ehepartner … betroffenen Frauen eher schaden als nützen würden“, sagte er im „Focus“. Darüber hinaus sei Vergewaltigung in der Ehe „schon lange vor 1997 als Nötigung und Körperverletzung strafbar gewesen“.

Nur sieht das der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages anders. Der sieht die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe erst seit 1997 – als der Bundestag dies förmlich beschloss. Damals hatten 470 Abgeordnete mit Ja und 138 Abgeordnete mit Nein gestimmt – eben auch Merz. Der heutige Kandidat für höchste Ämter kann sich also drehen und wenden wie er will, aber er stimmte damals DAGEGEN. Sein Motiv mag gewesen sein, dass er eigentlich für eine zusätzliche Widerspruchsklausel gewesen war. Aber dagegen bleibt dagegen. Und auch diese angedachte Klausel war eine Schande. Denn die hätte gesagt: Ein Opfer kann die Strafverfolgung gegen den verheirateten Täter stoppen. Der eheliche Mantel des Schweigens sollte über eine schwere Straftat gelegt werden. Das hieße, dass ein Ehepartner schwer verletzt wird, etwa mit einem Messer, einer Pistole oder einer Säge, aber das ok genannt werden kann. Reine Frauenfeindschaft.

Juristische Totalniederlage

Über seinen Murks über den Renteneintritt mit 70 und den Kündigungsschutz ließ sich Merz übrigens jetzt nicht aus. Seit 2006 hatte er auch noch mehr Nebeneinkünfte. Merz fordert immer Leistung von anderen. Aber seine eigenen Tätigkeiten bei Finanzbossen, viele davon gewiss nicht schweißtreibend, hat er sich bestens bezahlen lassen. Eine dieser Tätigkeiten war die Leitung des Verkaufs der West LB an einen privaten Investor. Merz scheiterte. Aber er ließ sich Medienberichten zufolge ein Tageshonorar von 5000 Euro auszahlen, übrigens auch samstags und sonntags.

Nun antwortete also das Amtsgericht Frankfurt am Main. Es sieht in der Forderung von Merz „keine Erfolgsaussichten“. Die Inhalte des Tweets seien als eine „zusammenfassende Wertung der Debatte“ zu begreifen. Ebenso sei zu berücksichtigen, „dass die Vergewaltigung mit allen ihren Bestandteilen zum Zeitpunkt der Debatte nicht unter Strafe stand“.

Diesen Bierdeckel sollten sich die Delegierten des CDU-Parteitags gut anschauen. Mit Merz würden sie einen Gruselmanager für die Deutschland AG wählen. Dann wohl besser doch nicht.

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