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Kommentar: Fußball - jetzt erst recht die schönste Sache der Welt

Bilder, die wir brauchen: Eine Szene nach dem Aufstieg des 1. FC Köln in die Bundesliga. (Bild: REUTERS/Michael Dalder)
Bilder, die wir brauchen: Eine Szene nach dem Aufstieg des 1. FC Köln in die Bundesliga. (Bild: REUTERS/Michael Dalder)

Irgendwo schwebt der Profifußball über uns. Er ist weit weg – und dennoch uns ganz nah. Trotz seiner entrückten Funktionäre brauchen wir ihn bei Corona umso mehr.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Wer in diesen Tagen über Fußball lästern will, hat es leicht. Die dürfen, was uns versagt bleibt: Reisen, immer unter Leuten sein – und dann auch noch in dieser Parallelgesellschaft protzen, wie es gerade der FC Bayern München vormacht, als gäbe es kein morgen.

Die Peinlichkeiten auf den Punkt gebracht:

  1. Dass das Nachtflugverbot über Berlin ehern gilt und nicht mal eben kurz für die Mannschaft ausgehebelt wird, ist für Ehrenpräsident Uli Hoeneß ein „Skandal ohne Ende“ und Karl-Heinz Rummenigge fühlt sich „total verarscht“.

  2. In Stürmermanier macht Rummenigge weiter und spielt den berühmten Klassiker „Wir wollen uns nicht vordrängen, aber“, schlägt damit vor, dass Profi-Fußballer rascher geimpft werden – also unausgesprochen vor Alten und Risikoträgern. Jenen, die wegen Corona um ihr Leben fürchten und dieses radikal reduziert haben, die nicht mal eben nach Qatar düsen.

  3. Apropos Qatar, mit diesem feudalen Regime kuscheln die Bayern gern. Kritische Worte, zum Beispiel über die vielen Arbeiter, welche die Stadien für die von den Qataris gekaufte Weltmeisterschaft wie Sklaven hochprügeln und dabei sterben, verlieren die Münchener nicht.

  4. Viel drastischer dagegen poltert Bayern-Trainer Hansi Flick gegen die deutsche Politik, die solle sich halt mal zusammensetzen, und besonders gegen SPD-Politiker Karl Lauterbach: Nur weil der es nicht toll fand, dass der FC Bayern nach der „Klub-WM“ im Risikogebiet Qatar bei seiner Rückkehr nicht wie andere Sportmannschaften in Quarantäne ging, obwohl sogar ein Spieler sich dort infizierte.

  5. Dass die Bayern-Manager unter Fußballkultur mittlerweile weniger Currywurst mit Bier verstehen, zeigt ihr neuer Fan-Shop am Marienplatz, der mit einer barocken Fassade protzt, als verkaufte der Verein nicht Fußball, sondern goldene Steaks, Designerbrillen und Maßanzüge aus Paris und Mailand.

All dies scheint es auf den ersten Blick schwer zu machen, den Fußball zu lieben. Denn der Fisch stinkt vom Kopfe her. Aber der Fisch ist trotzdem riesengroß, und eigentlich braucht er keinen Kopf.

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Das Leben auf einem Feld

Dass die Bundesliga spielt, ist ein Segen. Sie bringt nicht nur Normalität in die Pandemiezeit, sondern ist noch mehr als sonst ein Ventil für uns. Dir geht es gerade mies und dein Verein kommt nicht aus dem Saft? Genau, so ist das Leben, so leidest du nicht allein. Oder dein Verein hat einen Lauf? Genau, das gibt dir Hoffnung und Kraft. Fußball drückt unseren Drang nach vorn aus, unseren Spieltrieb, unsere seit vielen Jahrtausenden ausgeübte Gewohnheit der Bewegung: Wer kickt, absolviert in 90 Minuten, was unsere Vorfahren jeden Tag liefen.

Fußball ist auch ein steter Begleiter in unserem Leben, von Kindesbeinen an. Die Erinnerung an das Bolzen auf dem Platz nebenan, an das Rennen am Samstagfrühabend nachhause wegen der Sportschau, an dieses eine Spiel im Radio, wo dieses oder jenes passierte – all diese Bilder stehen einträchtig neben denen vom ersten Schultag und vom letzten. Fußball ist Teil unseres Lebens. Dafür muss man kein Fan sein.

Und auch die Funktionäre von Bayern München werden uns bessere Tage bescheren. Immerhin können sie auch ungemein herzlich sein, sehr nahe. Und sie zeigen, wie erfolgreich ehemalige Spieler ihren eigenen Verein leiten können, dass es rein zahlenorientierte Businessmanager allein nicht braucht. Der FC Bayern München hat trotz seiner Abgehobenheit eine große Seele. Um das zu sagen, muss man ebenfalls kein Fan von ihm sein.

Fußball feuert unsere Sehnsüchte an. Da ist es einfach: Die einen streben nach links, die anderen nach rechts; mehr oder weniger. Und kaum etwas ist schöner, als den Ball über die Torlinie zu kriegen. Mit Fußball wird alles gut. Auch bei einer Niederlage nach der anderen. Denn mit ihm geht es nur nach vorn.

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