Kommentar: Gerichtspläne für Abtreibungsurteil – Donald Trump schreibt Amerikas Geschichte neu

Der Oberste Gerichtshof der USA will offenbar das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche kippen. Ermöglicht hat ihm das die Präsidentschaft Donald Trumps. Es ist wie der Ruf eines Untoten, der bald wieder da sein könnte.

Demonstrantinnen protestieren vor dem Obersten Gerichtshof der USA (Bild: REUTERS/Michael A. McCoy)
Demonstrant*innen protestieren vor dem Obersten Gerichtshof der USA gegen das drohende Abtreibungsurteil. (Bild: REUTERS/Michael A. McCoy)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Donald Trump hat geliefert. Er hat versprochen und gehalten. Anders lassen sich nicht die bisher geheimen Pläne verstehen, die an die Öffentlichkeit durchgestochen wurden: Der Oberste Gerichtshof plant offenbar, ein Präzedenzurteil aus den vorigen Siebzigern zu kassieren – dies hatte beschlossen, Schwangerschaftsabbrüche in den USA zu erlauben.

Nun weiß man, dass sich Trump nicht für solche Themen interessiert. Seine "Ist-mir-alles-egal-sobald-es-mich-nicht-betrifft"-Haltung führte ihn schon immer in einen komischen Liberalismus.

Für Amerika würde es zu einem politischen Erdbeben kommen

Aber um seine Wählerbasis zu stabilisieren, hatte Trump einen Pakt mit fundamentalistischen Christengruppen geschlossen: Die unterstützten den wortwörtlichen Gottlosen, und im Gegenzug hatte er versprochen an Stellschrauben zu drehen. Die zwei wichtigsten in seiner Amtsschaft waren die Neubesetzungen von Richterposten am Supreme Court. Dafür wählte Trump natürlich rechte Hardliner aus, und erstmals seit hundert Jahren haben republikanisch gesonnene Richter in diesem Gremium eine massive Mehrheit. Fünf von neun Richtern sollen für die Illegalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen sein.

Die Fundamentalisten würden frohlocken, aber die große Mehrheit der Bevölkerung wäre alles andere als amüsiert. Denn es wäre eine Entscheidung auf dem Rücken von 50 Prozent der Bevölkerung. Frauen würde ein elementares Recht über ihre Lebensgestaltung genommen, und das übrigens bei einer staatlichen Unterstützung von Eltern in den USA, die lachhaft ist. Aber das Frauenbild der Konservativen ist klar umrissen: Frauen haben sich um die Familie zu kümmern, damit sich die Männer toll finden können; es geht um schlichte Stabilisierung der Hierarchien, alles andere ist religiöses Gedöns, obwohl ihre Vertreter es durchaus ernst nehmen. Von Beginn der Geschichte der USA an gab es einen Strang, der aus dem Land einen Gottesstaat machen wollte, bei dem die Mullahs in Iran erblassen würden. Durchgesetzt haben sich die christlichen Fundamentalisten nicht. Aber sie sind mächtig.

Alle ab in die Wagenburg

Nur geht die Gesellschaft natürlich einen völlig anderen Weg. Trotz Trump und trotz aller finanziell aufgeladener Rückzugsgefechte der Konservativen entwickeln sich auch die USA zu einem noch bunteren Land. Die Gotteskämpfer werden langfristig dabei an Einfluss verlieren. Der Trend ist eindeutig: Im Nachbarland Kanada sind Schwangerschaftsabbrüche straffrei, und ein südamerikanisches Land nach dem anderen entscheidet sich auch fürs Recht der Frau.

Sollten die obersten Richter tatsächlich dieses Urteil exekutieren, sind die Folgen für die Politik noch unabsehbar. Erst einmal würden viele Frauen leiden, und zwar in jenen Bundesstaaten, die republikanisch regiert werden. Denn solch ein Urteil des Supreme Court würde bedeuten, dass die Bundesstaaten für sich entscheiden müssen, wie sie in dieser Frage vorgehen. Die Konsequenz wäre, dass Frauen gezwungen wären, sich für Schwangerschaftsabbrüche auf Reisen zu begeben; natürlich werden nicht wenige Bundesstaaten bei der Legalität von Abbrüchen bleiben.

Widerstand ist zu erwarten

Und das Thema polarisiert. Für liberal Gesonnene wäre das Urteil mobilisierend. Es würde den Demokraten helfen, sich in Stellung zu bringen; die christlichen Fundamentalisten tun zwar so, als stünden sie auf der "richtigen" Seite und als sei ihr Vorgehen selbstverständlich, aber das ist es auch im amerikanischen Mainstream längst nicht mehr.

Für Trump jedenfalls würde solch ein Akt einen Schub bedeuten. Schon versucht er gerade, seine ihm loyalen Leute bei den innerparteilichen Abstimmungen für Kandidaturen durchzubringen und die Partei der Republikaner nach wie vor zu dominieren. Seine beste Währung ist Erfolg. Genau deswegen haben sich die Parteimanager ihm unterworfen. Werte, Ideale? Quatsch mit Soße. Solange Trump sich als Meister eines "Deals" präsentieren kann, profitiert er. Dieser besondere Deal scheint ihm zu gelingen.

Im Video: Tausende demonstrieren in US-Städten gegen drohendes Abtreibungsurteil