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Kommentar: Griechenland hat jetzt einen "Chief Creative Officer"

Steve Vranakis wechselt von Google zu Griechenland (Bild: Luca Teuchmann/Getty Images for Advertising Week Europe)
Steve Vranakis wechselt von Google zu Griechenland (Bild: Luca Teuchmann/Getty Images for Advertising Week Europe)

Die neue griechische Regierung feilt am Image des Landes: Das klingt hübsch modern – oder gruselig nach “Black Mirror”.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Griechenlands neuer Regierungschef Kyriakos Mitsotakis gibt seinem Land einen neuen Anstrich. Das Kabinett hat nun einen “Chief Creative Officer” (CCO), das ist schwer ins Deutsche zu übersetzen und bedeutet in etwa “Künstlerischer Leiter”, also den Leiter der Kreativ-Abteilung eines Unternehmens.

Eine Regierung oder ein Staat aber sind keine Firma – das ist der erste Coup von Mitsotakis. Der zweite ist, dass er für den Job Steve Vranakis gewann, welcher in den vergangenen Jahren dem bekannten Google Creative Lab vorstand, was als ziemlich hippe Angelegenheit gilt. Ich frage mich, wie es wäre, wenn Deutschland einen CCO anheuerte: Wenn neben Angela Merkel ein “Kreativer” von Scholz & Friends oder Jung v. Matt steht und dem Land erklärt, wie es ist. Dieser Gedanke erscheint: zum Lachen.

Warum also Griechenland?

Vranakis beschreibt seinen Job so: Er wolle “Griechenlands Geschichte erzählen” und “helfen, Vertrauen in die Nation wieder aufzubauen”. Vranakis ist Mitglied in einem “Repositionierungs-Team” der Regierung, mit dem Ziel: ein “Upgrade” des griechischen “Images”. Ich bin schon jetzt ganz erschöpft.

What the f…?

Reden wir eigentlich von demselben Land? Jenem, das in den vergangenen Jahren sehr, sehr viel neu gestaltete? Das einen rigiden Sparkurs fuhr, Reformer von außen hinein holte, das Sozialwesen umkrempelte und die Verwaltung umbaute, als solle kein Stein auf dem anderen bleiben? Ich dachte, sowas hätte die Runde gemacht.

Griechenland war nie nur das Land der Oliven und Touristen, mit der für Europa so wichtigen antiken Geschichte. Klar, bei Deutschen etwa regiert gern das Vorurteil, Griechen würden weniger arbeiten (und wenn, dann schwarz), länger in der Sonne liegen und den Staat als Geldbeutel betrachten; dieses Klischee sagt einiges über unsere eigenen Selbstlügen aus, jedenfalls wenig über Griechenland. Und dieses Klischee verliert seit Jahren an Macht. Selbst ins letzte deutsche Dorf hinein hat sich herumgesprochen, wie hart Griechenland der von der EU verordnete Sparkurs getroffen hat, wie viel Armut er produzierte und wie tapfer die Griechen durchhielten und sich berappelten – schwer vorstellbar, ob wir Deutschen heute sowas könnten.

Kundgebung zum griechischen Staatsschulden-Referendum 2015 (Bild: Getty Images)
Kundgebung zum griechischen Staatsschulden-Referendum 2015 (Bild: Getty Images)

Doch Vranakis bastelt an einem neuen Narrativ für Griechenland. Er macht sich einen Kopf darüber, wie das Land ein Ziel wird für mehr als bloß Urlaub, ein Ziel, “wo sich Besucher fühlen wie die lokale Bevölkerung”.

Spätestens nun offenbart sich die neue Jobbeschreibung als typische Werbung. Wer in ein anderes Land fährt, ob beruflich oder touristisch, kann sich dort fühlen, wie er will. Es hängt von einem selbst ab. Alles Weitere ist Augenwischerei, eben Werbung.

Eine Fassade ist niemals Kern

Das merkt Vranakis womöglich selbst, denn er bestreitet vehement, seine Aufgabe habe mit “Branding” zu tun, mit Markenführung. “Das ist keine Marketinganwendung … es ist etwas, das wir als Nation machen, für die Nation”. In der Jägersprache würde es an dieser Stelle heißen: Damit schoss er den Vogel ab. Zum einen ist das Nationengeschwafel reine Worthülse. Zum anderen ist Griechenlands moderne Geschichte randvoll mit Nationalismus angefüllt, und ich wüsste nicht, was jener an Positivem beschert hätte – im Gegenteil. Griechenland leidet darunter.

Ich bleibe also konfus auf der Strecke. Noch nie habe ich verstanden, warum sich Leute aus der Werbewirtschaft “Kreative” nennen. Werber mögen kreativ arbeiten, dann sind es viele andere Berufe indes auch – und die nennen sich nicht so. Aber entsprechend muss es wohl sein bei einem Job, der darin besteht einem Kunden ein X für ein U vorzumachen. Vielleicht sollten wir die Begriffe “kreativ” und “Kreativindustrie” (damit umwirbt der komische Soho-Privatclub seine Kunden) aus unserem Wortschatz streichen.

Und Griechenland sollte sich fragen, ob es ein neues Branding braucht. Das riecht nach einer Privatisierung des Öffentlichen. Nach einem Kotau des Staates. Sowas könnten sich die Macher der dystopischen Science-Fiction-Serie “Black Mirror” ausdenken. Bitte nicht.