Kommentar von Guy Katz - Wendepunkt Ost-Wahlen: Vielleicht sollten jüdische Menschen wieder die Koffer packen
Die jüngsten Wahlergebnisse in Deutschland markieren einen bedrohlichen Wandel: Die politische Kultur, die das Land seit 1949 stabil gehalten hat, wankt. Extremistische Kräfte gewinnen an Einfluss, was Folgen für alle Bürger und insbesondere für Minderheiten mit sich bringt.
Eine Wahl mit tiefgreifenden Folgen
Das vergangene Wochenende hat in Deutschland eine Wahl gebracht, die tiefgreifende Auswirkungen auf das Land hat und die politische Kultur der Bundesrepublik erschüttert. Auch wenn das schlimmste Szenario – ein vollständiger Sieg der AfD in beiden Wahlen – abgewendet werden konnte, markiert das Wahlergebnis dennoch eine deutliche Abkehr von den Grundfesten, die das Land seit 1949 getragen haben.
Die politische Kultur wankt
Diese politische Kultur, die Deutschland durch Krisen geführt und die Basis für den Wiederaufstieg des Landes nach der NS-Zeit gelegt hat, scheint nun an Stabilität zu verlieren. Die Ergebnisse der Wahl, insbesondere in Thüringen, wo die Parteien der demokratischen Mitte nur noch eine Minderheit der Wähler überzeugen konnten, signalisieren mehr als nur einen „politischen Betriebsunfall“. Es ist ein klares Zeichen dafür, dass viele Wähler bewusst entschieden haben, extreme Kräfte zu unterstützen, in der Hoffnung, diese in Verantwortung zu bringen.
Weitreichende Folgen für das ganze Land
Die Folgen dieser Wahl sind weitreichend und betreffen nicht nur die betroffenen Regionen, sondern das gesamte Land. Unabhängig davon, ob die AfD letztlich an einer Regierungskoalition beteiligt sein wird, ist der Schaden bereits angerichtet. Besonders besorgniserregend ist die Unsicherheit, die nun Minderheiten wie die jüdische Gemeinschaft in Deutschland empfinden. Die Frage, wohin sich die gesellschaftliche und politische Lage entwickelt, ist heute drängender denn je.
Persönliche Betroffenheit eines Einwanderers
Für jemanden wie mich, der aus Israel stammt und seit 2004 in Deutschland lebt, ist diese Entwicklung besonders alarmierend. Ich habe meine gesamte akademische Laufbahn hier in Deutschland durchlaufen und fühle mich in München und Bayern sehr wohl. Doch die Zunahme von Antisemitismus und die jüngsten politischen Entwicklungen machen es schwer, sich weiterhin sicher zu fühlen.
Zunehmender Antisemitismus als Realität
Seit dem 7. Oktober hat sich die Welt – auch in Deutschland – verändert. Ich habe keine Angst, aber ich habe meinen Sohn gebeten, seinen Davidstern nicht mehr offen zu tragen. Bei Demonstrationen gegen Antisemitismus erlebe ich regelmäßig Anfeindungen, und auch online bin ich Beschimpfungen ausgesetzt. Ein großer Teil dieser Hetze kommt von islamistischen Extremisten, aber auch von der politischen Linken. Die AfD versucht, sich in dieser Situation als Freund Israels darzustellen, aber ich bin skeptisch. Es ist kaum vorstellbar, dass diese Partei jemals eine echte Verbundenheit mit jüdischen Menschen empfunden hat.
Zukunftsängste und doppelte Staatsbürgerschaft
Als Professor in einem Land, das möglicherweise eines Tages von der AfD regiert werden könnte, frage ich mich, was dies für mich persönlich bedeuten würde. Ich habe die doppelte Staatsbürgerschaft und werde meinen israelischen Pass niemals aufgeben. Israel bleibt der sichere Hafen für Juden weltweit, und auch wenn ich nicht plane, Deutschland zu verlassen, gibt es Szenarien, in denen ich diese Möglichkeit in Betracht ziehen würde.
Die Koffer wieder gepackt
Charlotte Knobloch, die Präsidentin der jüdischen Gemeinde in München, sagte einmal, dass Juden in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg immer auf gepackten Koffern gesessen haben. Diese Koffer waren 2006 endlich ausgepackt, doch angesichts der aktuellen Entwicklungen sollten vielleicht jüdische Menschen ihre Koffer wieder packen.
Ein Wendepunkt für Deutschland
Die Wahl am vergangenen Wochenende könnte ein Wendepunkt in der deutschen Geschichte sein, mit weitreichenden Konsequenzen für alle, die in diesem Land leben. Die Stabilität, die Deutschland über Jahrzehnte auszeichnete, ist in Gefahr, und es bleibt abzuwarten, wie das Land auf diese Herausforderungen reagieren wird.
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