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Kommentar: Hinknien bei der Fußball-EM ist nichts für Schwache

Englands Nationalspieler Mason Mount kniet vor dem EM-Spiel gegen Kroatien nieder - aus Solidarität gegen Rassismus (Bild: REUTERS/Carl Recine)
Englands Nationalspieler Mason Mount kniet vor dem EM-Spiel gegen Kroatien nieder - aus Solidarität gegen Rassismus (Bild: REUTERS/Carl Recine)

Immer mehr Kicker zeigen beim Turnier Solidarität mit "Black Lives Matter". Wer sich dagegen stellt, macht sich lächerlich.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Sie haben es wieder getan. Und immer öfter: Vor Beginn mancher Spiele bei der Fußball-EM sind Kicker in die Knie gegangen – als Zeichen im Kampf gegen Rassismus. So machten es die Nationalspieler Belgiens vorm Match gegen Russland, die Spieler Englands gegen Kroatien und die Vertreter Irlands gegen Ungarn.

Die Geste ist stark. Sie nahm ihren Anfang im Sport, als die US-Footballstars Colin Kaepernick und Eric Reid im Jahr 2016 während der Nationalhymne nicht standen, sondern sich hinknieten – um damit ihre Abscheu zu bekunden, dass Schwarze in den USA rassistisch diskriminiert werden und von Polizisten allein wegen ihrer Hautfarbe mit dem Leben bedroht werden. Da die beiden nicht unpatriotisch wirken wollten, wollten sie nicht sitzenbleiben. Also gingen sie in die Knie. Es ist eine Geste der Demut, in der eine Menge Kraft steckt. Sie erinnert mittlerweile auch an den Mord an George Floyd, jenen Amerikaner, der daran starb, dass sich ein Polizist auf ihn kniete, minutenlang.

Dem Fußball sind menschenverachtende Gesten nicht fremd. Da fliegen zuweilen Bananenschalen und gellen Affenlaute gegen schwarze Spieler. Und da es uns alle angeht, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, sind solche öffentlichen Hinkniegesten ein gutes Mittel, um auf Rassismus aufmerksam zu machen.

Neues aus dem Sandkasten

Es ist auch völlig ok, jetzt nicht bei jedem Spiel niederzuknien. Die kroatischen Nationalspieler zum Beispiel erklärten, sie würden stehenbleiben und die Geste der Engländer mit „Respekt“ begleiten. So geht es auch.

Wer sich dagegen wieder mit seinem Allerwertesten in das größte Fettnäpfchen setzte, ist Viktor Orbán. Ungarns Ministerpräsident meinte dem Rest der Weltgemeinschaft erklären zu müssen, wie – in seinen Augen – der Ungar an und für sich ticke. Denn: Der Ungar knie vor dem lieben Gott und vor seiner Heimat nieder und wenn er um die Hand seiner Liebsten anhalte, sagte Orbán. Ansonsten wohl nicht. Es sollte womöglich kernig klingen. Nach dem Motto: Wir sind noch richtige Kerle, die ihren Mann stehen. Der Sinn hinter diesem präpotenten Sandkastengequatsche ist klar. Das mit dem Rassismus, so die Meinung, sei doch nur die Nerverei von Minderheiten, die sich bittschön ruhig verhalten sollten. Und natürlich versucht Rechtspopulist Orbán seine Politik mit Muskelallüren zu verkaufen und suggeriert seinen Anhängern, dass er aus einer Stärke heraus handele und dass auch sie ein bisschen von seiner Stärke abkriegen, wenn sie an ihn glauben.

Brüder im Geiste

Das erinnert an Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, der zu Beginn der Corona-Pandemie sich nicht entblödete zu tönen, ein echter brasilianischer Mann werde mit solch einen COVID-Virus schon fertig. Das half den Millionen Brasilianern, die ob des Virus starben, nicht wirklich.

Faszinierend auch, dass Orbán durch das Niederknien der Iren eine Art Regelverletzung sieht. "Wenn du zu Gast bist in einem Land, dann provoziere nicht die Ortsansässigen", fabulierte er. Die Geste der Iren sei eine "unhöfliche Provokation" gewesen. Eine Provokation für wen? Für Rassisten schon. Für alle anderen: nach reiflichem Nachdenken wohl kaum.

Das Niederknien ist offensichtlich nichts für Männer, die innerlich zu alt und zu weiß dafür sind. Sie sind nicht stark genug. Man sollte sie stützen.

Video: Eindringling im EM-Quartier der deutschen Nationalmannschaft