Kommentar von Hugo Müller-Vogg - Fünf Gründe sprechen jetzt für das Ampel-Aus – aber da ist noch etwas anderes
Die Ampelkoalition kämpft mit sich selbst, die Bürger sind frustriert. Was für und was gegen eine Scheidung von Rot-Grün-Gelb spricht - und warum es Zeit ist, die Ampel abzuschalten.
Wie lange die Ampel in Berlin noch blinkt, kann niemand sagen. Die FDP könnte aussteigen , wenn SPD und Grüne sich einem wirtschaftsfreundlicheren Kurs weiterhin verweigern. Oder Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) könnte den Freien Demokraten die Ministersessel vor die Tür stellen, weil sie es wagen, auf schlimme Fehlentwicklungen hinzuweisen.
Alles ist möglich. Denn es gibt wenigstens sechs gute Gründe für die Ampel-Parteien, bis zur Bundestagswahl 2025 weiterzuregieren. Es sprechen aber ebenso mindestens fünf stichhaltige Gründe für ein Ampel-Aus.
Fünf Gründe, die für die Ampel-Scheidung sprechen
Wenn eine Koalition sich kaum noch auf konkrete Beschlüsse einigen kann, wenn jede Regierungspartei nur noch „ihr eigenes Ding“ macht, sollte man über eine Scheidung nachdenken. Die folgenden Gründe sprechen dafür.
1) Besser ein Ende mit Schrecken …
Die Ampel bietet ein trauriges Schauspiel. Der Kampf jeder gegen jeden stärkt nicht das Vertrauen der Bürger in die Demokratie - im Gegenteil. Er fördert Politik- und Parteienverdruss.
Da wären baldige Neuwahlen allemal besser als ein „Schrecken ohne Ende“: ein klarer Schnitt, ein neuer Anfang. Es wäre eine Lösung im Sinn politischer Hygiene.
2) Die Entscheidung in die Hände der Bürger zurückgeben
Politische Macht ist in Demokratien immer nur Macht auf Zeit. Die Ampel-Parteien bekamen 2021 ein Mandat der Bürger, aber sie haben es nicht so gut genutzt, wie sie es selbst geplant und wie es ihre Wähler erwartet hatten.
Was liegt da näher, als die Entscheidung in die Hände der Bürger zurückzulegen: „Entscheidet ihr, wie es weitergehen soll. Ihr seid der Souverän.“
3) Zeigen, dass Politiker nicht am Sessel kleben
Es mangelt nicht an Urteilen und Vorurteilen über Politiker. Die gängigsten: „Die kleben alle am Sessel“, „Die denken nur an sich“, „Denen geht es nur ums Geld“.
Wenn eine Koalitionsregierung wie die Ampel keine gemeinsame Agenda mehr hat, sich einfach bis zum regulären Wahltermin durchschleppt, dann bedient sie genau diese überaus kritische Einstellung vieler Bürger gegenüber der politischen Klasse.
Politiker, die spüren, dass eine Politik des „Augen zu und durch“ keinen Sinn mehr macht, können verlorenes Vertrauen wieder zurückgewinnen - wenigstens teilweise.
4) Den Radikalen keinen „Zucker“ geben
Den Wählern reinen Wein einzuschenken, sollte für Politiker eine Selbstverständlichkeit sein. Die Bürger sehen selbst, dass die Ampel nur noch wild durcheinander blinkt. Dies leugnen zu wollen, machte die Ampel-Politiker nur noch unglaubwürdiger.
Am Sessel klebende Ampel-Minister, sich an ihre Mandate und Privilegien klammernde Ampel-Politiker - das alles ist Wasser auf die Mühlen der Radikalen und Extremisten bei AfD, BSW und Linkspartei. Die Ampel abzuschalten, wäre deshalb ein Dienst an der Demokratie.
5) Dem Land dienen
Die Formel, man wolle dem Land dienen, geht vielen Politikern leicht von den Lippen. Der wahre Dienst am Land kann aber sogar darin bestehen, die Verantwortung abzugeben.
Die deutsche Wirtschaft schmiert ab, Putin will sein Reich gewaltsam in Richtung Westen ausweiten, der künftige Kurs der Vereinigten Staaten ist ungewiss: Da braucht Deutschland eine handlungsfähige Regierung. Die Ampel ist es jedenfalls nicht. Deshalb: abschalten, aber schnell.
Sechs Gründe für ein Weiterarbeiten von Rot-Grün-Gelb
Hier die Gründe für ein Weiterarbeiten von Rot-Grün-Gelb bis zur regulären Bundestagswahl 2025:
1) Pflichtgefühl
SPD, Grüne und FDP haben vor der Bundestagswahl um Stimmen geworben, um regieren, um gestalten zu können. Die Wähler haben für eine rot-grün-gelbe Mehrheit gesorgt.
Politiker, die ihre Aufgabe ernst nehmen, laufen nicht weg, nur weil die Zeiten schwierig sind. Sie fühlen sich ihren Wählern verpflichtet, aus dem erteilten Mandat das Beste zu machen - und zwar volle vier Jahre.
2) Verantwortung in schweren Zeiten
Dieses Land steht wirtschaftlich sehr schlecht da. Das Bruttoinlandsprodukt sinkt zum zweiten Mal in Folge, Firmenpleiten nehmen zu, ebenso die Arbeitslosigkeit.
Hinzu kommen außenpolitische Unwägbarkeiten wie der Wahlausgang in den USA und der anhaltende Krieg Russlands gegen die Ukraine. Da sollten die regierenden Parteien Besseres zu tun haben, als sich in einen Wahlkampf zu stürzen, dessen Ausgang völlig ungewiss ist.
3) Angst vor dem Urteil der Wähler
Sollte es zu vorgezogenen Neuwahlen kommen, sind zwei Vorhersagen ziemlich sicher: Es wird nicht für eine Neuauflage der Ampel reichen. Zudem werden alle drei Ampel-Parteien im Vergleich zu 2021 Stimmen einbüßen.
Das sind selbst für Politiker, die aus der Ampel am liebsten noch heute rauswollen, keine erfreulichen Perspektiven. Dann lieber weitermachen bis zum regulären Wahltermin.
4) Den Radikalen keinen „Zucker“ geben
Alle Umfragen ergeben eine wachsende Unzufriedenheit der Bürger mit den demokratischen Parteien. Davon profitieren vor allem die Populisten und Radikalen an den Rändern: AfD, „Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)“ und unter Umständen sogar die Linkspartei.
Ein Scheitern der Ampel könnte diesen Kräften zusätzlichen Auftrieb geben. Sie würden dann damit argumentieren, die „Etablierten“ hätten abgewirtschaftet, jetzt sei die Zeit für neue Kräfte gekommen.
5) Die Hoffnung stirbt zuletzt
SPD und Grüne sprechen zwar längst nicht mehr von dem versprochenen „grünen Wirtschaftswunder“. Doch insgeheim hoffen sie, dass die Konjunktur im Wahljahr 2025 wieder anziehen könnte.
Auch setzen Scholz, Habeck & Co. darauf, den Zustrom von illegalen Migranten allmählich besser in den Griff zu bekommen. Unter diesen Annahmen steigen die Chancen der Regierenden, je später gewählt wird. Also: Durchhalten.
6) Jeder ist sich selbst der Nächste
Vorgezogene Neuwahlen bedeuteten Stimmenverluste für SPD, Grüne und FDP. Das heißt zugleich: Eine stattliche Zahl von Abgeordneten würde den Wiedereinzug in den Bundestag verpassen.
Die meisten Minister, parlamentarische Staatssekretäre und andere Politiker in herausgehobenen Positionen würden vorzeitig ihre Ämter verlieren. Für die nicht wenigen Parlamentarier ohne abgeschlossene Ausbildung und ohne jede Berufserfahrung wäre das ein harter Schlag.
Weiterzuarbeiten bis zum 28. September 2025 hätte also einen positiven Effekt: Diäten, Gehälter und andere Vergünstigungen würden länger bezahlt, die Ansprüche auf das Ruhegehalt würden steigen.
Fazit: Es lässt sich mit guten Gründen für und gegen vorgezogene Neuwahlen argumentieren. Doch sollte allen Beteiligten klar sein: Die Interessen des Landes müssen Vorrang haben vor den Interessen der beteiligten Politiker und Parteien - jedenfalls theoretisch.