Kommentar von Hugo Müller-Vogg - „Grünes Wirtschaftswunder“? Wie die Ampel unsere Industrie ins Ausland treibt

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Produktion bei Volkswagen in Zwickau.Hendrik Schmidt/dpa

Zu hohe Energiekosten und wuchernde Bürokratie sind die Hauptgründe, warum unsere Industrie die Produktion immer öfter ins Ausland verlegt. Dies untermauert eine neue Studie der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Statt eines „grünen Wirtschaftswunders“ erlebt das Land ein blaues Wunder mit der Ampel-Regierung.

Ein Deutschland ohne Industrie war vor einem halben Jahrhundert der Traum der damals entstehenden Umweltbewegung. Auch die 1980 gegründeten Grünen machten sich dafür stark, dem Umweltschutz, wie das damals hieß, eindeutig Vorrang vor wirtschaftlichem Wohlstand einzuräumen.

Ganz kühne Öko-Aktivisten sehnten sich gar nach einem Land ohne Fabriken, die Schadstoffe ausstoßen. Deutschland sollte sich dank seiner hervorragenden Ingenieure auf den Export von Blaupausen konzentrieren. Die industrielle Drecksarbeit sollten dann die anderen Länder machen – die Abnehmer unserer Konzepte und Patente für Verfahren und Produkte.

Immer mehr Unternehmen investieren nicht mehr in Deutschland

Das mit dem Blaupausen-Export hat bekanntlich nicht geklappt, was uns vor dem wirtschaftlichen Ruin bewahrt hat. Aber eine geringere industrielle Produktion – diesem Ziel kommen wir deutlich näher. Während andere Volkswirtschaften – ungeachtet aller möglichen Krisen – ordentlich wachsen, dümpelt die deutsche so vor sich hin.

Das ist leider kein rein konjunkturelles Problem; das ließe sich relativ einfach überwinden. Hier haben wir es mit schwerwiegenden strukturellen Schwierigkeiten zu tun. Immer mehr deutsche Unternehmen sehen keinen Sinn mehr darin, hierzulande zu investieren.

Der Leiter des Ludwigshafener BASF-Werks, des größten Chemiestandorts der Welt, beschrieb die Lage kürzlich so: Manche Investitionen in Deutschland würden „eher aus Patriotismus als aus wirtschaftlichen Gründen“ getätigt. Ein schlimmeres Zeugnis kann man dem Standort Deutschland nicht ausstellen.

Über ein Drittel der Industrie will Produktion ins Ausland verlagern

Die wird untermauert durch eine Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) unter 3300 Unternehmen. Demnach wollen 37 Prozent der Industriebetriebe ihre Produktion im Inland einschränken beziehungsweise ins Ausland verlagern oder machen dies bereits. 2023 planten das erst 31 Prozent, 2022 sogar nur 16 Prozent.

Nun macht es durchaus Sinn, wenn deutsche Unternehmen mit Abnehmern in aller Welt auch dort produzieren, wo ihre wachsenden Absatzmärkte sind. Gleichwohl ist der Anstieg der potentiellen „Aussteiger“ ist ein gefährliches Zeichen.

Hohe Energiekosten und wuchernde Bürokratie

Besonders groß ist der Anteil der Abwanderungswilligen unter Industriebetrieben mit mehr als 500 Mitarbeitern: 51 Prozent wollen ihre Aktivitäten hierzulande einschränken gegenüber 37 Prozent vor zwei Jahren. Die Neigung, die Produktion zu verlagern, wird vor allem mit hohen Energiekosten und der wuchernden Bürokratie begründet.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat kürzlich berechnet, dass in den vergangenen drei Jahren mehr als 300 Milliarden Euro an Investitionen ins Ausland abgeflossen sind. Das IW sieht darin „erste Symptome einer Deindustrialisierung“.

Die alles sind beängstigende Fakten und Aussichten. Von dem „grünen Wirtschaftswunder“, das die Ampel-Koalition einst versprochen hatte, ist nichts zu sehen. Die Prognosen des Bundeskanzlers, dank der Energiewende werde Deutschland wieder Wachstumszahlen wie in den 1950er- und 1960er-Jahren erleben, entsprangen reinem Wunschdenken. Wieso Olaf Scholz (SPD) auf die Idee kam, er könne die Wirtschaft wieder wie zu Ludwig Erhards Zeiten jährlich um 6 bis 8 Prozent wachsen lassen, bleibt sein Geheimnis.

„Wirtschaft und Klima ohne Krise“? Das Gegenteil ist der Fall

Erinnern wir uns: Scholz hatte sich im Wahlkampf 2021 als „Klimakanzler“ präsentiert. Die Grünen plakatierten „Wirtschaft und Klima ohne Krise“. Das Gegenteil ist eingetroffen. Vollmundige Versprechen sind eben kein Ersatz für gute Wirtschaftspolitik.

Es sind vor allem die im internationalen Vergleich hohen Energiepreise, die Unternehmen veranlassen, neue Werke in anderen Ländern zu errichten. Das lässt sich nicht allein mit der Energiekrise nach dem russischen Überfall auf die Ukraine und der viel zu großen deutschen Abhängigkeit von russischem Öl und Gas erklären.

In den aktuellen Energiepreisen schlägt sich nieder, dass die Bundesrepublik bereits zu Zeiten der CDU/SPD-Koalition ein weltweit einzigartiges Experiment eingegangen ist – den gleichzeitigen Ausstieg aus Kernkraft und Kohle. Dieses ist krachend gescheitert. Aber die Ampel hat diesen Kurs im Großen und Ganzen fortgesetzt.

Wirtschaft erlebt blaues Wunder unter rot-grün-gelber Regierung

Die klimafreundliche Transformation der Volkswirtschaft kommt nicht recht voran. Vor allem fehlen die Leitungsnetze, um Ökostrom aus dem Norden in den Süden zu transportieren. Zudem kommt der Bau von Gas- und Wasserstoffkraftwerken nicht voran. Die sollen in Zeiten mit wenig Wind oder Sonne die Stromversorgung sichern.

Es sind nicht nur die Kosten der Energie, die Investoren verunsichern. Wie die DIHK-Umfrage ergab, vermissen deutsche Unternehmer obendrein ein glaubwürdiges Konzept zur Sicherstellung der Energieversorgung. Das können beispielsweise die skandinavischen Länder mit ihrer Kombination von Kernkraft und Wasserkraft vorweisen.

Dies alles verunsichert Unternehmer, die ihre Kapazitäten erweitern oder neue errichten wollen. Das bekommen auch die Arbeitnehmer zu spüren. Der Stellenabbau beispielsweise bei der BASF, bei Volkswagen oder dem Autozulieferer ZF ist massiv, die Arbeitslosigkeit steigt.

„Erlebe dein grünes Wirtschaftswunder“, hatten die Grünen einst plakatiert. In Wirklichkeit erlebt die Wirtschaft ihr blaues Wunder unter dieser rot-grün-gelben Regierung – ein „Wunder“, auf das das Land gut verzichten könnte.