Kommentar von Hugo Müller-Vogg - Nullrunde beim Bürgergeld: Wie uns Minister Heil hinter die Fichte führt

Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales und Bundeskanzler Olaf Scholz <span class="copyright">Gregor Fischer/dpa</span>
Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales und Bundeskanzler Olaf Scholz Gregor Fischer/dpa

In der Politik ist Show-Talent oft entscheidend. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zählt nicht zu den großen Entertainern, versucht sich aber gelegentlich darin – wie bei seiner Ankündigung, das Bürgergeld 2025 nicht zu erhöhen. Dabei folgt er lediglich den gesetzlichen Vorgaben, präsentiert sich jedoch als entschlossener Reformer.

Politiker müssen auch über ein gewisses Show-Talent verfügen, jedenfalls dann, wenn sie erfolgreich sein wollen. Nicht jeder kann das so gut wie die einstigen Polit-Stars Gerhard Schröder (SPD) oder Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) fällt nicht in die Kategorie der politischen Unterhaltungskünstler. Doch manchmal versucht er sich in diesem Genre. So als er Ende 2022 das Bürgergeld als „die größte Sozialstaatsreform seit 20 Jahren" feierte“ – und damit auch sich selbst.

Rund zwei Jahre später gibt Heil wieder den großen Reformer, oder versucht es wenigstens. Zum 1. Januar 2025 werde es keine Erhöhung des Bürgergelds geben, verkündete er dieser Tage. Und fügt kraftvoll-dynamisch hinzu: „Und das ist auch richtig so“. Anders als bei Einführung des Bürgergelds zum Jahresbeginn 2023 hat Heil zu der bevorstehenden Null-Runde absolut nichts beigetragen. Denn auch ein Bundesminister kann sich nicht einfach über bestehende Vorschriften hinwegsetzen.

Hubertus Heil spielt den Schutzherren der Steuerzahler

Die kräftigen Bürgergelderhöhungen um insgesamt 25 Prozent zwischen Ende 2022 und Anfang 2024 beruhten nämlich auf einer zu hoch geschätzten Teuerungsrate. Deshalb kamen die Bürgergeld-Empfänger in den Genuss von höheren prozentualen Zulagen als die Arbeitnehmer.

Nach der geltenden Berechnungsmethode, an der Heil gar nichts ändern kann, dürfen die Sätze deshalb im nächsten Jahr nicht angehoben werden. Darauf hatten schon – lange vor Heil – der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hingewiesen.

Jetzt schlüpft Heil plötzlich in die Rolle des knallharten Schutzherrn der Steuerzahler , die alles finanzieren müssen, was der Staat an Sozialleistungen gewährt. Das hat mehr mit parteipolitischem Kalkül als mit Mathematik zu tun. Die SPD blickt nämlich besorgt nach Brandenburg, wo die AfD in zwei Wochen die SPD überholen könnte. Das wäre nach ihren einstelligen Ergebnissen bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen der nächste schwere Schlag für die Sozialdemokraten.

Bisher lobte Heil stets sich und die SPD für die Einführung des Bürgergeldes. Es ist besser dotiert als das bisherige „Hartz IV“ und verlangt von seinen Beziehern geringere Anstrengungen als früher, sich ernsthaft um einen Job zu bemühen.

Bürgergeld: Heil gefällt sich darin, den starken Mann zu mimen

Auch wenn es die SPD lange nicht wahrhaben wollte: Diese Reform verärgert vor allem Arbeitnehmer mit kleinen und mittleren Einkommen, eigentlich klassische SPD-Wähler. Denen geht es gegen den Strich, dass sie früh aufstehen und hart arbeiten, während der Nachbar dank Bürgergeld ein bequemeres Leben hat.

Das besondere Ärgernis: Bürgergeld-Empfänger mit Kindern haben kaum weniger Geld als Arbeitnehmer, die zum Mindestlohn arbeiten. Davon gibt es in den ostdeutschen Ländern besonders viele, was die Sympathien für die SPD nicht gerade befördert.

Die Nullrunde beim Bürgergeld wäre so oder so gekommen, weil die Beamten in Heils Ministerium rechnen können und sich an Recht und Gesetz halten. Aber der Herr Minister gefällt sich darin, den starken Mann zu mimen.

Lindner stößt auf Gegenwind

Mechanismen, die staatliche Leistungen an die Preisentwicklung anpassen, gibt es mehrere. Das ist auch beim Wohngeld der Fall. Hier wird im Zwei-Jahres-Rhythmus garantiert, dass sich das Wohngeld an die Preis- und Mietpreisentwicklung anpasst, also entsprechend steigt. Dasselbe gilt auch für den Grundfreibetrag bei der Einkommen- und Lohnsteuer. Durch den Grundfreibetrag wird sichergestellt, dass das Existenzminimum nicht besteuert wird. Deshalb muss er steigen, wenn die Lebenshaltungskosten steigen.

In diesem Jahr beträgt der Grundfreibetrag 11.604 Euro für Alleinstehende und 23.208 Euro für Verheiratete. Für 2025 ist eine Erhöhung um 300/600 Euro (Ledige/Verheiratete) vorgesehen.

Bei diesen Anhebungen stößt Finanzminister Lindner jedoch auf Gegenwind aus den Reihen von SPD und Grünen. Dort gefällt vielen nicht, dass von einer Anhebung des Grundfreibetrags auch die sogenannten Reichen profitieren.

Lindner beeindruckt das nicht. Er erklärt kühl, er wolle „das Grundgesetz achten und die Freibeträge erhöhen“. Ob der Finanzminister sich ebenfalls in Siegerpose à la Heil für das feiern lässt, wozu er gesetzlich verpflichtet ist? Eher nicht.