Kommentar von Hugo Müller-Vogg - Plötzlich offenbart Habeck fünf irre Erkenntnisse über die Grünen und sich selbst
Robert Habeck strebt die Kanzlerkandidatur der Grünen an, die ihm Annalena Baerbock 2021 verwehrt hat. Doch der Weg dorthin ist steinig und voller Dramen, die die internen Schwierigkeiten der Partei und Habecks eigene offenbaren.
Niemand zweifelt daran: Robert Habeck will werden, was er nach dem Frauenstatut seiner Partei 2021 nicht werden konnte: Kanzlerkandidat der Grünen.
Das wird ihm auch niemand verwehren. Schließlich hat die gescheiterte Spitzenkandidatin von 2021, Annalena Baerbock, auf einen ohnehin aussichtlosen zweiten Anlauf verzichtet. Natürlich standesgemäß – in einem US-Fernsehsender.
Habeck macht es nach dem Motto „Drama, Baby, Drama!“
Habeck wäre nicht der gerne in höheren Sphären schwebende studierte Philosoph, wenn er jetzt einfach sagen würde: Falls die Partei es will, dann mache ich das. Nein, so einfach macht er es sich und der Partei nicht. Eher nach dem Motto „Drama, Baby, Drama!“
In einem Interview mit der Plattform „Politico“ hat Habeck jetzt weder ja noch nein gesagt. Aber er hat uns tief in seine Seele blicken lassen. Dabei kam so allerlei zutage. Hier die wichtigsten Erkenntnisse:
1. Die Grünen wissen nicht, was sie wollen
Habeck wirft der CDU vor, sie sei „politisch-intellektuell führungslos“. Na gut, über den politischen Wettbewerber schlecht zu reden, gehört zum Geschäft.
Wenn wenigstens die Grünen politisch-intellektuell gut aufgestellt wären, könnte sich der Bürger entspannt zurücklehnen. Aber halt, das sind sie offenbar auch nicht.
Originalton Habeck: „Alle müssen sich klar machen, auch meine Partei, was wir eigentlich wollen“. Was für ein Geständnis! Der zweitstärkste Koalitionspartner, die Partei des Vizekanzlers und der Außenministerin weiß nicht, was sie will.
Wäre es da nicht besser, nicht zu regieren, als ohne Kompass und ohne Ziel zu regieren? Aber noch ist Hoffnung angebracht. Denn Habeck verspricht, „wenn es soweit ist, dass wir wissen, wie wir‘s machen, dann melden wir uns“. Da kann man nur sagen: Viel Spaß beim Warten.
2. Habeck schwurbelt gern
Die einen nennen das philosophieren, die anderen schwurbeln. Habeck beherrscht das Genre. Sein Anspruch: „Mir geht es darum, konkrete Probleme mit konkreten Antworten, mit möglichst einer breiten gesellschaftlichen Mehrheit zu lösen“.
Die Grünen sollen mit dieser Botschaft vor die Wähler treten: „Leute wir hören zu, wir verstehen, wir lernen, wir sind bereit, unsere Positionen zu korrigieren. Aber grabt ihr euch auch nicht ein in euren Positionen. Lass uns versuchen, was hinzubekommen, was Drittes, was Neues“.
Jetzt wüsste man halt gerne, was das Neue, was das Dritte ist. Eine Fortsetzung der grünen Ampelei seit Dezember 2021 kann wohl nicht gemeint sein. Die Antwort kennt nur der Robert.
3. Habeck will – was denn auch sonst?
Der Vizekanzler will Kanzlerkandidat werden. Schon deshalb, weil er damit automatisch die klare Nummer eins in der Partei wäre. Vor der Wahl sowieso, und falls er nicht so hanebüchene Fehler wie Baerbock macht, auch danach.
Aber den eigenen Ehrgeiz spielt Habeck natürlich herunter: Die K-Frage sei „die unwichtigste Frage“. Denn: „Bevor wir uns über Titel unterhalten, müssen wir Vertrauen aufbauen, dem Land ein Angebot machen, wieder da ansetzen, wo wir 2020/21 waren."
Und wer könnte das Angebot personifizieren? Natürlich Robert Habeck. Denn er sagt auch: „ Ich möchte mich gerne in die Verantwortung nehmen lassen, für Deutschland, für meine Partei, für das Projekt, für die Demokratie. Für die feste Überzeugung, dass nur die Gestaltung der Zukunft das Land zukunftsfähig macht. Von Klimatechnik über wie wir übereinander reden und sprechen“.
4. Habeck kann nicht nur reden, sondern auch nachtreten
Als Annalena Baerbock im April 2021 die Frauenkarte zog und sich zur Kanzlerkandidatin kürte, nannte Habeck das den „schmerzhaftesten Tag in meiner politischen Laufbahn". Denn: „Nichts wollte ich mehr, als dieser Republik als Kanzler zu dienen“.
Diese Wunde ist immer noch nicht vernarbt. Denn beim Philosophieren über die ach so unwichtige K-Frage tritt er kräftig gegen die Partei-„Freundin“ Baerbock nach.
Die damalige Situation beschreibt Habeck so: „Oh, da ist ein Feld bereitet. Bitte lass mich den Elfmeter schießen. Ich muss ihn nur reinbringen“.
Baerbock hat den Elfer bekanntlich verschossen, was Habeck ihr – ohne sie beim Namen zu nennen – noch immer nachträgt. „Wir hatten die Möglichkeit, stärkste Partei werden zu können. Ein „sehr guter zweiter Platz“ sei drin gewesen.
Es kam bekanntlich anders: Die Grünen, im Mai 2021 mit 26 Prozent in den Umfragen noch auf Platz eins, stürzten bei der Bundestagswahl auf 14,8 Prozent ab. Der Trostpreis ging an Habeck: Er wurde Vizekanzler.
5. Habeck tut so, als habe er mit dem schlechten Ansehen der Grünen nichts zu tun
Die Grünen stehen in den Umfragen relativ schlecht da, bei den vergangenen Landtagswahlen haben sie Stimmen eingebüßt, bei den ostdeutschen Wahlen drohen weitere Rückschläge. Obendrein sind sie nach der AfD am unbeliebtesten unter allen Parteien.
Insofern hat Habeck Recht, wenn er über die Ausgangslage sagt: „Du wirst eingewechselt und es steht 4:0 gegen dich. Wenn ich sage, jetzt drehe ich das Spiel um, dann müssen alle ihre Laufwege kennen. Davon hängt sehr viel ab.“
Mal abgesehen davon, dass Habeck noch gar nicht eingewechselt wurde: Für den aktuellen Rückstand der Grünen trägt nicht Annalena Baerbock die Hauptverantwortung.
Diese liegt eindeutig bei Habeck: „Heizungshammer“, Trauzeugen-Affäre, fehlende wirtschaftspolitische Kenntnisse, eine Volkswirtschaft, die abschmiert. Das alles geht auf sein Konto.
Jetzt sagt er zwar staatsmännisch, man könne die Verantwortung für das Geschehene nicht abstreifen. „Es gibt keinen Weg zurück zur Unschuld vor der Regierungszeit“. Aber von der eigenen Schuld oder Mitverantwortung sagt er nichts.
Fazit: Habeck will gebeten werden
Habeck will die Kanzlerkandidatur. Aber er will gebeten werden. Zugleich baut er bereits vor, falls die Grünen bei 12 oder 13 Prozent landen – weiter vom Kanzleramt entfernt als die deutschen Olympioniken von Platz drei oder vier im Medaillenspiegel.
Der Hinweis auf die ungleiche Ausgangslage gegenüber 2021 („wir hatten Rückenwind“) soll schon die Argumentation für den Wahlabend 2025 vorbereiten: „Wir haben aus einem 0:4 noch ein 3:4 gemacht, aber keinen Elfmeter verschossen.“ Es geht halt nichts über parteipolitische „Freundschaft“.