Kommentar von Hugo Müller-Vogg - Wagenknecht torpediert ihre eigenen Leute - und läuft dabei in ein Dilemma
Sahra Wagenknecht liefert sich einen Machtkampf mit dem Thüringer BSW um Landeschefin Katja Wolf – schon aus Prinzip, weil sie in ihrer gesamten SED/PDS/Linkspartei-Karriere nie zu Kompromissen bereit war. Sie will letztlich auch keine BSW-Beteiligung an Landesregierungen, es sei denn, zu ihren Bedingungen.
Das war für Sahra Wagenknecht schon immer unerträglich: Dass andere nicht genau das tun, was sie will. Deshalb waren ihre Jahrzehnte bei PDS/Linkspartei von ständigen Streitereien geprägt. Jetzt bahnt sich Ähnliches an.
Im thüringischen Landesverband geschieht nämlich aus Sicht der Parteigründerin Unerhörtes: Die frei gewählten Mitglieder des Landtags richten sich nicht nach den Direktiven aus dem „Politbüro“ der Partei. Sie wollen selbständig entscheiden, was ihrer Meinung nach gut für das Land ist.
Wagenknecht äußert sich deshalb zu den Erfolgsaussichten der Koalitionsverhandlungen zwischen BSW, CDU und SPD skeptisch. Dort hat das BSW nämlich zu ihrem Ärger akzeptiert, dass CDU und SPD – anders als die SPD in Brandenburg – bei Waffenlieferungen an die Ukraine und der Stationierung von US-Mittelstreckenraketen nicht zu Kreuze kriechen.
Auf BSW-Parteitag könnte es zum „Showdown“ kommen
Ihren Ärger über diesen „Ungehorsam“ äußerte sich im „Stern“ so: „Wenn CDU und SPD erleben, dass sich das Thüringer BSW eigene Positionen so leicht wegverhandeln lässt – und auch das Sondierungspapier bleibt gerade in den Punkten, die für das BSW wichtig sind, äußerst vage – dann ist leider nicht davon auszugehen, dass am Ende der Koalitionsverhandlungen ein gutes Ergebnis stehen wird.“
Offensichtlich wäre Wagenknecht nichts lieber, als wenn die Verhandlungen in Thüringen scheiterten. Da ein Koalitionsvertrag von einem BSW-Landesparteitag gebilligt werden muss, könnte es sein, dass es dort zum „Showdown“ zwischen Wagenknecht und der thüringischen BSW-Vorsitzenden Katja Wolf kommen kann.
Darauf scheint sich Wagenknecht bereits vorzubereiten. Sie bestätigte gegenüber dem „Stern“, dass der Bundesvorstand jetzt in Thüringen neue Mitglieder aufnehmen werde. Das ist in der Kaderpartei à la Sahra so üblich: Wer Mitglied werden darf, bestimmt allein die Parteispitze. Dass diese sich am liebsten bequeme Ja-Sager aussucht, darf unterstellt werden.
Das BSW zählt in Thüringen bisher ganze 81 Mitglieder. Da kann die Aufnahme von einem Dutzend neuer Genossen schon einen Unterschied machen. Jedenfalls hat diese Praxis der Mitgliederrekrutierung mit innerparteilicher Demokratie wenig zu tun.
Es könnte also sein, dass Wolf mit den Vorsitzenden von CDU und SPD, Mario Voigt und Georg Maier, der Parteitag dies aber ablehnt. Mit der grotesken Begründung, die für Außenpolitik gar nicht zuständige künftige Erfurter Regierung halte sich nicht an Wagenknechts Putin-freundliche Vorgaben.
Ein solches Votum würde die 15 Landtagsabgeordneten des BSW aber zu nichts verpflichten. Wagenknecht kann zwar im Stil einer Politkommissarin innerhalb der Partei schalten und walten, die BSW-Abgeordneten sind aber frei gewählt und an Weisungen nicht gebunden.
Wagenknecht könnte mit „Ordnungsmaßnahmen“ reagieren
Wolf und ihre Mitstreiter könnten also ungeachtet eines negativen Parteitagsbeschlusses mit CDU und SPD koalieren. Wagenknecht könnte dann mit „Ordnungsmaßnahmen“ reagieren, wie sie in der BSW-Satzung vorgesehen sind. „Bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Grundsätze oder die Ordnung der Partei“ kann der Bundesvorstand nämlich einen Landesverband auflösen oder dessen Vorstand absetzen.
Nun kann man davon ausgehen, dass ein von der Großen Vorsitzenden nicht gebilligtes Verhalten als „schwerwiegender Verstoß“ einzustufen ist. Wagenknecht könnte Wolf und die weiteren 14 Fraktionsmitglieder aus dem BSW ausschließen. Da wäre aber der Schaden für die Wagenknecht-Partei größer als für die Betroffenen.
Wolf & Landtagskollegen behielten ihre Mandate und könnten unter einem anderen Namen mit CDU und SPD kooperieren. Wagenknecht könnte dagegen nicht mehr tun, als dieses Verhalten mit wütenden Kommentaren zu verdammen.
Wagenknecht könnte noch nicht einmal diese Abtrünnigen dazu auffordern, ihre Mandate niederzulegen, sofern sie sich nicht lächerlich machen will. Schließlich hatten die BSW-Gründerin und ihre „Wagenknechte“ keine Skrupel, aus der Linken-Fraktion unter Mitnahme ihrer Bundestagsmandate auszutreten und sich als BSW-Gruppe zu formieren.
Wagenknecht sucht den Machtkampf mit Wolf. Schon aus Prinzip, weil sie in ihrer gesamten SED/PDS/Linkspartei-Karriere nie zu Kompromissen bereit war. Sie will letztlich auch keine BSW-Beteiligung an Landesregierungen, es sei denn, zu ihren Bedingungen.
Nicht alle handeln nach der Devise „Sahra befiehl, wir folgen“
Ihr Ziel ist die Bundestagswahl 2025. Da wird sie den ihn als Kriegstreiber und üblen Kapitalisten diffamieren. Da machte es sich schlecht, wenn das BSW ausgerechnet mit der Merz-Partei in Erfurt solide zusammenarbeitet. Sie wird sicher auch Gründe gegen eine CDU/BSW/SPD-Koalition in Sachsen zu finden.
So hatte sich Wagenknecht das alles nicht vorgestellt. Da erreicht ihre Partei schneller als jede andere Neugründung beachtliche Wahlergebnisse und ist gleich in drei ostdeutschen Ländern in der Position des „Power Brokers“. Doch selbst unter den von ihren Führungskadern handverlesenen Funktionären verhalten sich nicht alle nach der Devise „Sahra befiehl, wir folgen.“
Ungehorsam muss aus ihrer Sicht deshalb bestraft werden. Der Machtkampf zwischen Wagenknecht und dem Thüringer BSW wird deshalb zum Lackmustest, wie demokratisch diese Linken-Abspaltung tatsächlich ist. Ob Wagenknecht denkt wie einst Walter Ulbricht: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben“? Kleine Korrektur: Wagenknecht würde wohl nicht „wir“ sondern „ich“ sagen.