Kommentar: Immer Ärger mit Wolfgang

Hat er richtig gehört? FDP-Politiker Wolfgang Kubicki. (Bild: REUTERS/Wolfgang Rattay)
Hat er richtig gehört? FDP-Politiker Wolfgang Kubicki. (Bild: REUTERS/Wolfgang Rattay)

Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki mag sich nichts sagen lassen. So viel Ego muss sein. Nur ist das in der aktuellen Pandemie kaum angesagt. Zum Glück gibt es noch Angela Merkel.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Da hält Angela Merkel mal eine emotionale Rede, und dann ist das auch wieder nicht recht. Eher unaufgeregt spricht die Kanzlerin gemeinhin, nicht gerade zum Hinhören. Aber ihr Podcast zum Wochenende, der saß.

Denn Merkel war sauer. Die Ministerpräsidenten wollten nicht so, wie sie wollte: entschiedener gegen die steigenden Infektionszahlen angehen. Da vieles Ländersache ist, bleibt der Kanzlerin nun nur das Wort – und sie nutzte es.

„Die Frage, wie wir aus dieser Pandemie herauskommen, die entscheidet über die Gesundheit von ganz vielen Menschen“, sagte sie. „Die entscheidet über die Frage: Wie viele Menschen müssen sterben? Und sie entscheidet auch über unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.“

Merke: Es geht nicht gerade um die Neuregelung eines Aktenablagesystems.

„Treffen Sie sich mit deutlich weniger Menschen, ob außerhalb oder zu Hause“, so Merkel per Video, „verzichten Sie auf jede Reise, die nicht wirklich zwingend notwendig ist, auf jede Feier, die nicht wirklich zwingend notwendig ist.“

Das ist eine Menge an Appell. An Ernsthaftigkeit. Und auch an Dramatik.

Recht hat sie ja. Die Zahlen bei den Neuinfektionen sehen nicht gut aus, es geht steil nach oben, und da bleibt es eine Frage der Zeit, bis diese auch bei jenen Bürgern ankommen, die dadurch ihr Leben riskieren. Der Verzicht, von dem Merkel spricht, ist also einer aus Solidarität heraus.

Die guten ins Töpfchen

Doch weil sich einige an der Kanzlerin abarbeiten, kann sie es ihnen in dieser Lage auch nicht recht machen – obwohl die Situation eigentlich keine persönliche Erbsenzählerei zulassen sollte.

Ein Meister beim Schauen aufs eigene Körbchen ist übrigens Wolfgang Kubicki. Der Bundestagsvizepräsident ist strebsam bedacht, eine in seinem Sinne bella figura zu machen, da darf ihm niemand vortanzen, und erst recht keine Frau. Der FDP-Politiker interpretiert Liberalität dahingehend, dass er im Mittelpunkt bleibt. Also wurde er bewusst kryptisch.

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„Aber die Bundeskanzlerin ist nicht diejenige, die einfach anordnen kann, wie wir uns verhalten sollen“, meckerte Kubicki. „Jeder, der das Gefühl hat, er müsse diesen Worten folgen, soll das tun. Aber jeder, der das Gefühl hat, er kann auch anders weiterleben, sollte dies auch tun.“

Kubicki wollte offenbar gefühlig rüberkommen, daher sprach er gleich zweimal von „Gefühl“, wo man eher „Gedanken“ vermutet – schließlich ist die Frage, wie man es mit Sozialkontakten, Abstand und Maske hält, auch eine der Vernunft.

Was meint der Liberale mit „anders weiterleben“ und „können“? Man kann ja vieles im Leben, zum Beispiel strunzdumm sein. Kubickis nach außen von sich selbst vermitteltes Bild ist halt eines von Stärke und von Unabhängigkeit, auch patriarchalisch oder wie einmal ein ostfriesischer Schnaps beworben wurde: männlich markant. Jedenfalls passt ein Virus kaum ins Bild. Oder wie es Donald Trump sagt: „Habt keine Angst vor Covid!“

Moment, ging es nicht auch um Solidarität? Aber ich vergaß: Der Liberalismus nach Kubicki findet dieses Wort nur im Kleingedruckten unter Sozialismus, mit Warndreiecken versehen.

Angst ist was für Memmen

Derweil sieht Kubicki uns „meilenweit entfernt“ von einer Überlastung des Gesundheitssystems. „Weder im Frühjahr noch jetzt droht, dass das Gesundheitssystem überlastet wird. Insofern sollten wir uns konzentrieren auf die Maßnahmen, die wirklich sinnvoll sind und nicht die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen.“ Tja, auch Trump wollte nicht verschrecken, allerdings mit den bekannten Folgen. Und damit jeder ein Intensivbett kriegt, der es benötigt, muss etwas GETAN werden, zum Beispiel es mit den Neuinfektionen gar nicht erst weit kommen lassen.

Doch Kubickis praktische Vorschläge sind bescheiden. Er fordert, Hochzeits- und Geburtstagsfeiern, „wo mehrere hundert Persönlichkeiten sich küssen, anfassen, miteinander tätscheln“, zu unterbinden. Klar, gern wäre er dort mittendrin, der kernige Kubicki.

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Letztlich legt Merkel die Verantwortung für den weiteren Verlauf der Pandemie in unsere Hände. Sie macht uns nicht Angst, sondern appelliert an Verantwortung. An eine Verinnerlichung gewisser Umgangsregeln; dass Kubicki da nicht mitgeht, offenbart nur sein Problem mit Frauen und mit seinem Ego.

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