Kommentar: Impfen für den Weihnachtsmarkt

Werden so die Weihnachtsmärkte im COVID-Winter 2020 Deutschlands aussehen? (Bild: REUTERS/Valentyn Ogirenko)
Werden so die Weihnachtsmärkte im COVID-Winter 2020 Deutschlands aussehen? (Bild: REUTERS/Valentyn Ogirenko)

Corona feiert ein Comeback: Steigende Werte, sich füllende Krankenhäuser – die vierte Welle bricht sich nicht von allein. Vielleicht muss nun etwas anderes gebrochen werden: ein Versprechen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Eigentlich hatte ich mich längst daran gewöhnt, nicht mehr auf Inzidenzwerte zu schauen. Sich halbwegs sorglos mit Anderen treffen, wie früher, na klar. Doch in diesen Tagen schleicht sich ein Gefühl ein, als kündigte sich ein alter Bekannter an, ein unangenehmer Typ, den man erfolgreich für längere Zeit vermieden hat.

Die hohen Inzidenzzahlen von heute sind nicht so tragisch wie vor einem Jahr, weil Viele geimpft sind. Das bedeutet bei Ansteckung die Chance auf einen milden Verlauf – und die Hoffnung, wegen der Impfung weniger Andere anzustecken. Das sind die Fakten im Gegensatz zu den alternativen Fakten, die kursieren. Es ist unmissverständlich.

Und das schreibe ich, obwohl ich längst nicht alles zu Corona verfolge, mittlerweile machte ich einen hohen Bogen herum, war müde davon, auch journalistisch gesehen. Daher finde ich es faszinierend, dass es „Kritiker“ oder „Zweifler“ oder wasweißich gibt, die eine Menge Studien lesen, sich täglich mit dem Phänomen der Pandemie beschäftigen – und die sich nicht impfen lassen.

Einfach nur peinlich

Es nützt ja nichts. Impfen wäre die beste Wahl bei diesem Virusschlamassel. Doch die aktuelle Impfquote von 66,9 Prozent ist mager. Im internationalen Vergleich ist sie beschämend. Was also tun? Es ist auch keinerlei Befriedigung, wenn nun zunehmend Ungeimpfte auf den Intensivstationen landen. Was, also, ist zu tun?

Früher warb man mit Bratwürsten. Wie wäre es heute mit der Aussicht auf Glühwein? Wenn nämlich die Entwicklung so weiterrauscht, könnte es eng werden mit den Weihnachtsmärkten, nicht auf ihnen. Es würde womöglich sogar recht geräumig dort werden – mit einer 2G-Regel zum Beispiel. Weihnachtsfeiern könnte man dann auch gleich vergessen. Es sei denn, wir verständigen uns auf 2G. Das heißt: Nur Genesene und Geimpfte kommen rein. Es wäre eine Entscheidung der klaren Mehrheit. Die Ungeimpften können sich ja ihren Glühwein im Supermarkt kaufen.

Zu Beginn der Pandemie machte die Politik ein Versprechen. Eine Impfpflicht solle nicht her. Überzeugungsarbeit sei am effektivsten, und wegen unserer Nazivergangenheit ist ein Zwang von oben problematisch. Auch würde sich mancher „Querdenker“ in seinem „Widerstandsgeist“ nur bestätigt fühlen, käme man ihm mit einer weiteren Gängelung. Auch ich habe in diesen Kolumnen mehrmals geschrieben, dass eine Impfpflicht nicht eingeführt werden sollte. Nun aber haben wir ein Problem, das wir nicht loswerden. Nicht wenige Deutsche sind schlicht zu blöd. Ich meine damit nicht: zu dumm. Aber zu blöd. Zu uneinsichtig. Zu unsolidarisch. Zu sehr mit der eigenen Körperschau beschäftigt. Zu geil auf Heldenstatus. Darauf muss nun reagiert werden.

Spaltung hin oder her

Eine flächendeckende 2G-Regelung wäre eine Impfpflicht durch die Hintertür, das muss man zugeben. Sie wäre aber nun der beste Kompromiss zwischen der gebotenen gesundheitlichen Reaktion auf COVID-19 und der nötigen Freiheit des Bürgers. Es nützt ja nichts. Von Seiten einiger Nichtgeimpften höre ich die Klage, eine Spaltung gehe durchs Land, man wolle doch nur in Ruhe gelassen werden. Ich sehe weder eine Spaltung noch eine Apartheid, wenn Nichtgeimpfte wegen ihrer bewussten Entscheidung von Teilen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen werden. Sie könnten ja auch anders. Und von ihnen wird nicht verlangt, von den Grundrechten abzuschwören oder zehnmal durch ein Lagerfeuer zu laufen – sondern sich einen Piecks in den Arm geben zu lassen. Sich impfen zu lassen ist kein Kult. Sich der Spritze zu verweigern, das kann ein Kult werden. Wer dann also noch den neunmalklugen Che spielen will, ist dazu herzlich eingeladen: mit einem Glas Tütenglühwein.

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