Kommentar: Ist Norbert Röttgen wirklich der Mann für die Mission Impossible bei der CDU?

Norbert Röttgen auf dem Weg zu einer Präsidiumssitzung der CDU (Bild: REUTERS/Hannibal Hanschke)
Norbert Röttgen auf dem Weg zu einer Präsidiumssitzung der CDU (Bild: REUTERS/Hannibal Hanschke)

Der Unionsaußenpolitiker will abermals für den Parteivorsitz kandidieren. Seine Chancen steigen. Aber seine Fähigkeiten zur Führung auch?

Ein Kommentar von Jan Rübel

Die Scherben der zertrümmerten Bundes-CDU gehören auf einen Haufen. Dann wird sortiert und zusammengeklebt. Gelingt diese Restaurierung nur zu einem Stückwerk ohne überzeugende Form, droht der CDU nicht nur der Verlust eines „Volkspartei“-Etiketts, sondern eine kümmerliche Zukunft. Das Dasein christdemokratischer Parteien in Frankreich und Italien ist der CDU das Menetekel an der Wand. Es kann nämlich noch viel, viel schlimmer kommen.

Der Job des Oberklebmeisters sollte entsprechend unbeliebt sein. Doch nachdem Angela Merkels Kanzleramtsminister Helge Braun dafür überraschend die Hand gehoben hat, rückt Norbert Röttgen an diesem Freitag nach und bewirbt sich offiziell für das Amt des Parteichefs. Nächste Woche wird Friedrich Merz gewiss auch seinen Hut in den Ring werfen.

Röttgen ist der Partei kein Unbekannter. Er diente der Unionsfraktion im Bundestag als Parlamentarischer Geschäftsführer, engagierte sich als Bundesumweltminister, vergeigte als Landeschef und Spitzenkandidat eine Landtagswahl in NRW, fiel bei Merkel in Ungnade und arbeitete sich als Außenpolitiker und Leiter des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag wieder hoch – wie es eben Politiker machen, die mehr Grips haben als andere. Röttgen hat intellektuell gesehen mitunter das größte Format in der Partei. Er ist ein angenehmer Gesprächspartner, durch Unzuverlässigkeit fiel er bisher auch kaum auf. Und Röttgen beschwört das Schicksal der Union in der Mitte – also nicht rechtskonservativ und stramm wirtschaftsliberal, wie es Merz vorschwebt. Inhaltlich gesehen wäre es der Erfolgskurs für die Partei: offen für alle, die sich weder links noch rechts sehen, Werten zugewandt, aber nicht zu viel. Pragmatisch eben. Nicht wenige Deutsche würden sich so verorten, und daher war die CDU in den vergangenen Jahrzehnten eine genetisch programmierte Regierungspartei, ihre Opposition stets ein Betriebsunfall.

Der Kampf gegen die Bilder

Doch in diesem Jahr stellt sich die Lage anders dar. Noch nie herrschte an der Spitze der CDU ein Vakuum wie nun. Die Partei sehnt sich nach Führung. Nach Entschlossenheit und Selbstbewusstsein.

An letzterem gibt es bei Röttgen keinen Mangel. Und er verfolgt seine Politik entschlossener als es das zuweilen von außen projizierte Bild eines Zauderers vermuten lässt. Doch für die Führung bräuchte er eine Gefolgschaft, und da sieht es weniger toll aus.

Seit Röttgen schon im vergangenen Jahr als dritter in den parteiinternen Wahlkampf um den Vorsitz einstieg, hat er Achtungserfolge errungen; startete er doch nach Armin Laschet und Merz im Grunde chancenlos und holte dann kein katastrophales Ergebnis. Doch in der Partei selbst, in den vielen lokalen Gremien, ist seine echte Anhängerschaft nicht wirklich gewachsen. Röttgens Beliebtheit hält sich in Grenzen. Dies beruht zwar auch auf Missverständnissen, denn Unnahbarkeit wird ihm mehr nachgesagt als von ihm gelebt; aber gewisse Narrative sind beharrlich.

Schlechte Zeiten für Messiasse

So erscheint Röttgen gerade der Partei nicht als der Heiland, den sie sich gerade wünscht. Er könnte Richtungen vorgeben, aber ob man ihm selbst als Parteichef uneingeschränkt folgte, bliebe in der Vorausschau ziemlich ungewiss – aber genau dieser Sicherheit bedarf es jetzt. Die Sozialdemokraten haben vorgemacht, wie innere Einigkeit einen aus dem letzten Loch kriechen lässt. Wenn Röttgen wirklich gegen den an der Basis durchaus beliebteren Merz punkten will, muss er kämpfen. Sonst könnte es sein, sogar ein recht unbekannter Helge Braun am Ende das Rennen macht: nur um dem Knochen Merz nicht das Feld zu überlassen und weil Braun einen größeren Wohlfühlfaktor bedient. Die kommenden Wochen werden beides: Kampf und Krampf.

VIDEO: Röttgen kandidiert zum zweiten Mal für CDU-Vorsitz