Kommentar: Jens Spahn am Ziel

Angela Merkel vertraut Jens Spahn eine verantwortungsvolle und nicht allzu bequeme Position an (Bild: AFP Photo/Tobias Schwarz)
Angela Merkel vertraut Jens Spahn eine verantwortungsvolle und nicht allzu bequeme Position an (Bild: AFP Photo/Tobias Schwarz)

Jens Spahn nimmt die nächste Hürde seines Karrierelaufs. Über einen Mann, der Kanzler werden will.

Eine Analyse von Jan Rübel

Jens Spahn wird einen Moment gezögert haben, als sich Angela Merkel bei ihm meldete. Am vergangenen Wochenende, der stete Blick aufs Handy, dann “AM”: Die Kanzlerin hat Spahn, 37, das Amt des Bundesgesundheitsministers angeboten. Nicht, dass er sowas ernsthaft ablehnen würde, aber es gibt andere Aufgaben mit größerem Profilierungspotenzial, etwa das Bildungsministerium. Doch Merkel bindet ihren lautstarken Kritiker ein, überträgt ihm eine große Verantwortung.

Die Gründe hierfür leuchten ein: Er kann es, in Gesundheitsthemen kennt sich Spahn dank langjähriger Arbeit in Arbeitsgruppen und Ausschüssen aus wie wenige andere in der Union. Zweitens verdankt Merkel Spahn einen engagierten Wahlkampf, den er nicht nur für sich, sondern auch für sie führte. Und drittens besänftigt Merkel nicht nur den konservativen Flügel der CDU, sondern erdet Spahn mit schweren Aufgaben. Da wird die Hoffnung aus dem Kanzleramt mitschwingen, der Westmünsterländer werde weniger Zeit für flotte Sprüche finden. Die trafen nämlich nicht nur oft einen Kern, sondern waren zuweilen einfach peinlich – auch für Spahn selbst.

Oft übers Ziel hinaus

Spahn vereint politische Talente, die durchaus selten geworden sind. Neben der nötigen Intelligenz und Neugierde über Fachthemen hinaus ist es die freche Schnauze, der direkte Blick auf Menschen. Nicht mit jedem Politiker könnte man einfach an einem Kneipentresen stehen ohne das beschleichende Gefühl, man tausche nur Floskeln aus. Hinzu kommen Ehrgeiz und Skrupellosigkeit. Auf Spahn kommt jetzt die Aufgabe zu, die beiden letzten Eigenschaften, welche in der jüngeren Vergangenheit überbordeten, einzudämmen. Demut ist nun angesagt. Dann könnte Spahn seinem Ziel, irgendwann ins Kanzleramt einzuziehen, näher kommen.

Ehrgeiz und wenige Skrupel verleiteten den Politprofi, der seit seiner Jugend Partei atmete und bereits fünfmal als direkt gewählter Abgeordneter in den Bundestag einzog, zu unnötigem Populismus, über den er künftig zu stolpern droht.

Spahn vermag es, sensible und wichtige Themen, um die eine konsensorientierte Gesellschaft gern einen Bogen schlägt, anzusprechen. Da ist die Generationengerechtigkeit, die Kriminalität von Nicht-Deutschen, der Umgang mit Homosexualität. Tabus scheut er nicht, das ist heilsam. Nur überdehnt Spahn fast stets. In seinen Worten erscheinen Junge als ausgebeutete Klasse und Araber als kulturloses Volk, welches nur Stehlen und Nölen im Kopf hat. Das ist der populistische Zug an ihm, die Scheuklappe: Als Gesundheitsminister sollte er öfters mal in ein Seniorenheim gehen und den Alten zuhören. Und als Parteipolitiker sollte er Stadtviertel mit einem erklecklichen Anteil an Nicht-Westmünsterländern konsequenter aufsuchen und mit Muslimen, mit Arabern, mit vielen Menschen mehr ins Gespräch kommen. Es würde Vorurteile abbauen.

Die rechte Schraube

Denn Spahn redet auch viel Unsinn. Seine Kritik an manchen Straßenbildern – völlig überzogen. Seine Forderungen nach knallharten Finanzreformen in Griechenland – völlig unmenschlich. Sein Einsatz gegen Vollverschleierung und für ein “Islam-Gesetz” – eine krampfhafte Suche nach einem Gegner, mit dessen Hilfe es sich prima profilieren lässt. Geradezu Gaga wurde es, als sich Spahn Englisch sprechende Kellner und die “Hipster” vornahm – da merkte jedes Rumpelstilzchen, wie verzweifelt sich der Mann den Mantel des so genannten Konservativen umwarf, weil er nach kühler Analyse zum Schluss gekommen war, in der mittigen und immer mittiger werdenden CDU damit einen Markenkern erobern zu können.

Nun wird es sich verhalten wie mit den Geistern, die man rief: Spahn sollte sie schleunigst loswerden.

Spahn muss seine Spitzen zurückdrehen und darf sich gleichzeitig nicht scheuen, weiterhin Tabuthemen anzusprechen. Er muss aber dafür den richtigen Sound finden.

Und vorerst wartet das Amt. Als Gesundheitsminister wird er sich Feinde machen, zu widerstreitend sind die Interessen von Patienten, Ärzten, den Industrien im Pflegebereich und der Pharmabranche. Als Systemveränderer hat sich Spahn im Gesundheitswesen nie verstanden. Dass er richtige Akzente erkannt hat, lassen seine ersten Einlassungen vermuten: Spahn will die Arztwartezeiten von öffentlich Versicherten denen von privat Versicherten angleichen, den Pflegeberuf aufwerten und ausbauen. Im Gesundheitswesen, und nur dort, könnte er ein wenig populistisch werden und Patientenfürsprecher werden. Dies wäre die kommende Hürde.

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