Kommentar von Josef Seitz - Miosga kann auch knallhart - warum nur nicht bei Robert Habeck?
Caren Miosga zeigt, mit wie viel Energie sie Politikern auf den Zahn fühlen kann. Das ist gut so und freut den Zuschauer. Allerdings bleibt die Frage: Warum attackiert sie den Ex-Finanzminister so heftig und verschont den Noch-Wirtschaftsminister so gründlich?
Wahlkampf ist wie Weihnachten – weniger friedvoll, zugegeben, aber genauso erfolgreich. Das gilt zumindest für Caren Miosga und ihren Sonntagstalk in der ARD. Seit sich die Ampel in Berlin selbst demontiert hat, hat die Moderatorin freie Fahrt, auch in der Quote.
Bundeskanzler Olaf Scholz bringt am 10. November fast 4,7 Millionen Zuschauer als Gastgeschenk mit in ihr Studio. Diesen Sonntag sind es bei D-Day-Lindner und dem Überlebenskampf seiner FDP im Bundestag auch noch beeindruckende 3,4 Millionen.
Vor allem: Wer sich diesen Sonntag eingeschaltet hat zum ARD-Talk, der bleibt auch bis zum Schluss dran. Der Zuschauerschwund ist minimal, der späten Stunde zum Trotz. Und das ist auch das Verdienst einer sehr energischen Moderatorin.
Miosgas Attacke auf den Politiker im Wahlkampfmodus
Der FDP-Vorsitzende kommt ins ZDF-Studio , um schon einmal Stimmen für die Wahl am 23. Februar einzusammeln. Tatsächlich kassiert er eine Tracht Prügel. Denn Caren Miosga führt vor, wie unmoderat eine Moderatorin sein kann - und tatsächlich auch sein sollte -, wenn Politiker im Wahlkampfmodus vor den Kameras Platz nehmen.
Nach dem Talk bleibt ein schaler Beigeschmack
Miosga tritt heftig aufs Gaspedal. Immer wieder fährt sie freundlich lächelnd dem routinierten Politiker in die Parade, wenn der Fragen allenfalls als Anlass auffasst, seine vorgefertigten Botschaften zu platzieren. Das hat Unterhaltungswert für den Zuschauer. Für Christian Lindner weniger. Immer wieder wendet er sich hilfesuchend ans Publikum. Das allerdings verweigert ihm die Rückendeckung meist. Das sei doch kein Tribunal hier, jammert der FDP-Vorsitzende schon fast.
Da hat er recht. Aber es ist ein Talk, in dem die Gastgeberin versucht, bei aller Freundlichkeit einen guten Job zu machen. Und das gelingt. Für den Zuschauer ist das ein schönes Stück Fernsehen. Für Christian Lindner in der Zukunftsplanung eher ein Grund, sich die Frage zu stellen, ob er sich so einen Auftritt im ARD-Talk noch einmal antun sollte.
Und in der Rückschau? Da bleibt ein schaler Beigeschmack. Es ist eben nicht „die alte Leier“, wie Miosga kleinkochen will, was Lindner ihr zum Vorwurf macht: dass er extrahart angegangen wird.
„Ist das richtig so, Herr Habeck?“
Zu deutlich ist noch Kandidaten-Softie Robert Habeck im Gedächtnis . Da schlägt Caren Miosga nur einmal mit beiden Händen auf die Tischplatte, und das gleich zu Beginn. Danach darf der Wirtschaftsminister sehr ungestört von einem „Stimmungsumschwung“ in der Öffentlichkeit träumen. Und Miosga gibt freundlich Stichworte vor, wenn sie seine Parteitagsrede in verständliche Sprache zu übersetzen versucht: „Sie sind persönlich nicht eitel, aber gerade am besten geeignet, die Probleme der Zeit zu lösen. Ist das richtig so?“
Dieser Wirtschaftsminister hat eine verheerende Bilanz
Habeck geeignet, um die Probleme der Zeit zu lösen?
Das ist natürlich nicht so. Robert Habeck hat als Wirtschaftsminister eine verheerend schlechte Bilanz zu verantworten. Die Wirtschaft wächst nicht. Nicht nur bei Volkswagen haben Menschen Angst um ihre Jobs und ihre Zukunft. Die ganze Autoindustrie steckt knietief in der Krise: 4000 Stellen stehen bei Ford gerade auf dem Prüfstand, 3500 sind es beim Autozulieferer Bosch, 30.000 bei Volkswagen.
Deutschland braucht Wohnungen, aber die baut gerade keiner. Deutschland braucht Investitionen, nur die traut sich gerade keiner zu. Deutschland braucht Selbstvertrauen mit Blick auf die Zukunft, nur woher soll das gerade kommen?
Aber was darf Robert Habeck bei Caren Miosga den fast dreieinhalb Millionen Zuschauern erzählen? „Ja“, sagt der verantwortliche Wirtschaftsminister, „ich kann und will das noch einmal probieren.“
Wo bleibt da die Lindner-Miosga?
Spätestens da hätte ich mir gewünscht, dass ihm eine Lindner-Miosga gegenübersitzt. Eine, die wirklich auf den Tisch haut und dem Wirtschaftsminister die schlichte Tatsache vorhält, dass er ja die vergangenen drei Jahre nicht am Spielfeldrand auf die Einwechslung gewartet hat. Dass er selbst Eigentor um Eigentor geschossen hat. Dass er seine Verantwortlichkeit jetzt nicht einfach auf die Ampel und die Weltlage abwälzen darf.
Aber was tut sie? „Darf ich fragen …“, kuschelt sich die Moderatorin weichgespült an den Wirtschaftsminister an.
Auf die Kleinen lässt sich leichter schlagen
Was wir lernen?
Erstens: Ein hart geführtes Gespräch im öffentlich-rechtlichen Talk ist richtig und gut; dann sollte es aber für jeden Politiker gleichermaßen gelten.
Zweitens: Die Öffentlich-Rechtlichen haben sich schon lange warmgelaufen für den Abschied von der FDP. Der aufmerksame Zuschauer wird nicht vergessen haben, wie schnell bei den Landtagswahlen im September die FDP auf den Bildschirmen aussortiert war unter „Sonstige“.
Drittens: Christian Lindner hat kein Ministeramt mehr, seine Partei stellt keinen Minister mehr, seine FDP ist in hohem Maße angezählt im Kampf um den Wiedereinzug in den Bundestag. Machtverlust macht es einem Moderator sehr viel leichter, mutig Fragen zu stellen. Da kann es gut sein, dass für Christian Lindner von jetzt an gilt: immer auf die Kleinen!