Kommentar: Kramp-Karrenbauer kriegt keinen Kaffee

Annegret Kramp-Karrenbauer stand in Stockach vor dem Narrengericht (Bild: Reuters/Kai Pfaffenbach)
Annegret Kramp-Karrenbauer stand in Stockach vor dem Narrengericht (Bild: Reuters/Kai Pfaffenbach)

Die CDU-Vorsitzende kalauerte bei einer Fastnachtrede. Muss ja auch sein. Doch danach ist klar: Einen Kaffee spendiere ich ihr so schnell nicht.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Im vergangenen Dezember teilte Annegret Kramp-Karrenbauer ordentlich aus. “Die Art und Weise wie hier gesprochen worden ist, begleitet mich mein ganzes Leben lang”, entgegnete sie dem FDP-Nordhirsch Wolfgang Kubicki in einer Fernsehtalkshow, der in Altherrenmanier meinte sie von oben herab stutzen zu können. Konnte er nicht. Doch die CDU-Vorsitzende offenbarte nun selbst Kubicksche Bewusstseinsschübe, und zwar bei einer Fastnachtrede. Vielleicht hatte sie sich angespornt gefühlt, weil Kubicki in erwähnter Sendung meinte, er habe sie ja auch schon im Karneval erlebt und da sei sie ja auch “sensationell” gewesen. Jaja. Auch.

Die Latte lag also hoch. Kubickinell sollte ihre Rede werden. Kramp-Karrenbauer fiel dann ein: “Wer war denn von euch vor Kurzem mal in Berlin? Da seht ihr doch die Latte-Macchiato-Fraktion, die die Toiletten für das dritte Geschlecht einführen. Das ist für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder noch sitzen müssen. Dafür, dazwischen, ist diese Toilette.”

Ich gestehe, als ich das las, machte ich mir erstmal einen Kaffee. Der könnte als Latte-Macchiato durchgehen: Eine Tasse drittelvoll mit Milch in der Mikrowelle erwärmen und dann Espressokaffee reinlaufen lassen. Okay, es fehlt der Schaum, aber manche liefern den eben frei Haus, wie zum Beispiel Kramp-Karrenbauer.

Ich stelle mir vor, Intersexuelle hören sich solch eine Rede an. Womöglich geht ihnen folgendes durch den Kopf: Die Art und Weise wie hier gesprochen worden ist, begleitet mich mein ganzes Leben lang.

Probleme gibt‘s

Kramp-Karrenbauer findet es offenbar blöd, wenn Intersexuelle ein eigenes öffentliches Klo bekommen. Ferner spricht sie von Intersexuellen als “Männern”, stößt sich am Sitzpinkeln und dann auch noch an einer speziellen Form von Kaffee. Meine Güte, sie hat Probleme.

Leute, die mich gut kennen, werden sofort versichern, ich sei nicht besonders humorvoll. Vielleicht kann ich daher über Kramp-Karrenbauers Kalauer nicht lachen, aber das liegt kaum an meinem Kaffeekonsum oder an der Art, in der ich uriniere.

Witze auf Kosten von Minderheiten, die als solche ausgemacht werden, weil sie sind, was sie sind (und niemals wie) – also Polen, Juden, Frauen, Schwule, Intersexuelle – diese Art von Witzen trug stets eine Schäbigkeit in sich. Sich über eine Haltung lustig machen, eine politische Meinung oder anderen Spleen, natürlich. Aber was soll liberal oder lustig daran sein, einen Saal zum Lachen zu bringen, indem andere Menschen an sich verunglimpft werden? Sorry, ich bin eine Spaßbremse.

Höllenpfuhl und Geldfresser

Kann natürlich sein, dass aus Kramp-Karrenbauer eine gespaltene Persönlichkeit sprach, eine, die mal ordentlich einen raushauen wollte. Und dass sie an “Berlin” und Männern samt diesem Milchschaumkaffee im Hipsterbart herumnörgelte, hätte ich nicht für den Witz des Monats gehalten, aber immerhin tritt sie damit niemandem ernsthaft auf den Schlips. Ein wenig abgedroschen klingt die von Politikern beschworene Beschwörungsformel eines Berlins als Inbegriff allen Sinnlosen (komische Klos), aller Bürokratie (“Vorsicht, Sie verlassen den funktionierenden Teil Deutschlands”), aller Armut (“pleite”) schon.

Wer so redet, hat zu viel “Babylon Berlin” geschaut, unsere Hauptstadt ist die provinziellste Europas; das macht sie übrigens so charmant. Außerdem hat es dort nun am achten März einen Frauentag als Feiertag, ätsch! Ich freu mich schon auf den Latte Macchiato am Freitag.

Wie ich dann aber aufs Klo gehen werde, verrate ich Kramp-Karrenbauer nicht, weiß aber, dass Stehpinkeln eine olle Sauerei veranstaltet, also bloß nicht zuhause; sonst müsste ich noch wischen, und den Dreck machen besser andere weg – habe ich damit Kramp-Karrenbauers konservatives Weltbild treffend beschrieben?

Einfachheit auf Kosten anderer

Und entgegne mir bitte niemand, die Welt sei halt kompliziert geworden, da dürfe man sie doch wenigstens in Witzen geradeziehen. Denn früher, als die Welt noch angeblich in Ordnung war, wusste man nicht viel über Intersexualität, oder wollte es nicht wissen. Da wurden diese Menschen schlicht übergangen, es handelt sich um Einfachheit auf Kosten anderer. Dass wir heute über Körper, Geschlecht und Sexualität besser Bescheid wissen, nennt man Fortschritt. Welcher Politiker ist eigentlich gegen Fortschritt?

So hätte ich zum Schluss nur eine Frage an die CDU-Vorsitzende: Wann werden die Klos im Adenauerhaus in Berlin umgebaut?