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Kommentar: Leben wir in einer "Öko-Diktatur"?

Ein Wissenschaftler redet sich in Rage und die BILD springt ihm willig zur Seite. Deutschland sei auf dem Weg in eine "Öko-Diktatur". Dieser unsinnige Populismus sägt buchstäblich an dem Ast auf dem wir alle sitzen.

Ein Kommentar von Moritz Piehler

Die böse Fratze des Öko-Diktators. Zumindest laut BILD. (Bild: REUTERS/Annegret Hilse)
Die böse Fratze des Öko-Diktators. Zumindest laut BILD. (Bild: REUTERS/Annegret Hilse)

Professor Manuel Frondel vom Institut RWI lederte ordentlich los und setzte dabei publikumswirksam auf einen Reizbegriff: "Deutschland ist auf dem Weg in die Öko-Diktatur." Was war passiert, werden plötzlich Solardächer auf die Autobahnen gebaut und jeder Porschefahrer enteignet? Doch nicht etwa die Wiedervorlage des, oh Graus aller Konservativen, Veggie-Friday? Ach nein, es ging nur um den Umbau der alten umweltschädlichen Heizsysteme. Doch da vermutet der Wissenschaftler schon unzulässige Eingriffe der Politik in das menschengegebene Recht auf egoistisches Verhalten. Er sei "entsetzt über die Pläne von Robert Habeck zum Heizungs-Verbot."

Die "Öko-Diktatur" haben wir gemeinsam geschaffen

Die "Öko-Diktatur", die kommt wenn überhaupt nicht von Politiker*innen, die haben wir Menschen uns selbst erschaffen. Indem wir, und damit ist in erster Linie das verschwenderische, kurzsichtige Verhalten westlicher Industriestaaten und ihrer Bewohner*innen gemeint, die Welt solange rücksichtslos ausgebeutet und ihr Gleichgewicht gestört haben, dass wir an diesem Punkt gelandet sind. Die "Diktatur" kommt nicht durch Politiker*innen zustande, sie wird uns von den drängenden Umständen vorgegeben.

Wie überlebenswichtig ein umfassendes Umdenken ist, scheinen viele immer noch nicht begriffen zu haben. Stattdessen empört man sich über Details, die in den Privatbesitz, das große Heiligtum der Deutschen, eingreifen. Und über verzweifelte Kartoffelbrei- und Klebe-Aktionen von Aktivist*innen, als wäre das unser größtes Problem. Die Politik versucht, mit minimalinvasiven Eingriffen eine Klima-Wende zu schaffen. Es soll den Bürger*innen nur ja nicht zu doll wehtun, zum Beispiel alte Gas- und Öl-Heizungen auszutauschen.

Panikmache auf dem Boulevard

Doch die BILD spricht in dem Zusammenhang gewohnt martialisch von einem "Sanierungszwang" und "Heiz-Hammer" und warnt in Versalien: "DAS kommt auf Deutschland zu". Viele Menschen würden sich sorgen, sich dann ihre Häuser und Wohnungen nicht mehr leisten zu können, orakelt die Boulevardzeitung. Dabei wäre bei einer umfassenden Klimawende ja nichts so wichtig, wie die Bürger*innen (und Leser*innen) mitzunehmen, die Notwendigkeit von Maßnahmen zu erklären - ja auch und gerade solchen, die unbequem und vielleicht sogar teuer sind.

Wir können nun mal nicht in der großen Blase des "immer weiter so" mit dem Prinzip Wachstum als ewigem Heilmittel verharren. Das Zeitalter der Kreuzfahrten, Billigflieger, Verbrennermotoren, fossiler Energien - es geht vorbei, ob wir es wollen, oder nicht.

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Aufklärung statt Populismus

Gegen Regierungsprogramme und Klimapolitik zu wettern ist immer ein mediales Gewinnspiel. Man heimst billige Zustimmung von der einen Seite ein und holt sich Entrüstung und damit Aufmerksamkeit von der anderen ab. Das heißt nicht, dass es nicht weiter Aufgabe von Journalist*innen sein muss, politische Entscheidungen zu hinterfragen und zu kritisieren. Aber Öl auf das CO2-verursachende Feuer derjenigen zu schütten, die immer noch gegen jeden Beweis annehmen, es könne alles einfach so weiter gehen, der Konsum, der Energieverbrauch, die Ressourcenverschwendung, das ist nicht nur nachlässig, das ist fahrlässig.

Wie schön wäre es, wenn es keine Regierungsvorgaben und Gesetze bräuchte, sondern die Menschen selbst so einsichtig, weitsichtig und ausnahmsweise vernünftig handeln würden, dass wir die Klima-Katastrophe eindämmen oder abwenden können! Doch die Vergangenheit hat leider bewiesen, dass zumindest die jetzigen Generationen nicht wirklich gewillt sind, dies zu tun. Also braucht es Anreize, neue Ideen, Entwicklungen und ja, leider eben auch Verbote. Mit "Diktatur" hat das alles herzlich wenig zu tun.