Kommentar: Lieber Wladimir, zum Geburtstag…
Der Machthaber im Moskauer Kreml wird heute 70 Jahre alt. Was schreibt man ihm zum Geburtstag? Seine Party hat sich Wladimir Putin jedenfalls selbst vermasselt. Ein Formulierungsversuch.
Ein Kommentar von Jan Rübel
Ein paar Oberhäupter aus anderen Ländern werden Sie zusammengekratzt haben, die Ihnen heute gratulieren werden. Okay, erste Garnitur vertreten sie zwar nicht, es sind mehr die Staatschefs aus Nachbarländern, die historisch mit der Sowjetunion verbunden waren – und Sie träumen ja davon, eine Art kapitalistische Renaissance der alten UdSSR aufleben zu lassen. Dennoch, die Fete wird heute klein ausfallen. Das haben Sie nun davon.
Allein heute früh, beim Gassigehen, fielen mir drei neue Wandsprayereien auf, sie sagten alle: Fuck Putin. Sie mögen es mit Stolz entgegennehmen, nach dem Motto: Viel Feind, viel Ehr. Es ist aber der Stolz eines Beschränkten, und ich frage mich, ob es Sie wirklich nicht beeindruckt, von so vielen Menschen auf diesem Planeten als eher unsympathisch empfunden zu werden; das habe ich jetzt sehr zurückhaltend formuliert. Sie haben ja Geburtstag.
Langsam, langsam nimmt auch die russische Bevölkerung wahr, dass sie mit Ihnen am Steuerrad immer schlechter fährt. Stabilität und Ordnung sowie ein Maß an sozialer Sicherheit war man von Ihnen gewöhnt – trotz der Gewalt und der fehlenden Freiheit. Nun aber haben sich bei Ihnen derart viele Fehler aneinandergereiht, dass Sie Ihren Krieg, den nur Sie vom Zaun gebrochen haben, ins eigene Volk führen. Tief hinein. Wie viele von den zwangsrekrutierten Männern finden es gut, dass sie nun „neue“ Grenzen „verteidigen“ sollen? Gäbe es Wahlen, entschieden die sich für Sie?
Zum Glück gibt es ja diesen Schnickschnack namens Demokratie nicht bei Ihnen, bei Ihnen gibt es nur das Wladimir-All-Inclusive-Paket, natürlich ohne Reklamationsmöglichkeit. Bisher lief es bei Ihnen wie geschnitten Brot. Die Kriege, die Sie führten, und zwar von Beginn an, waren dosiert und woanders. Die Tschetschenen ließen Sie bluten, aber das war nicht in Moskau. Die Georgier und später die Syrer – das störte die Leute in ihrem russischen Alltag kaum. Doch das ist nun vorbei. Jetzt wird das Geld bei jedem knapp, und bei Geld hört der Spaß bekanntlich auf.
Wie traurig das ganze ist, zeigt der Umstand, dass Sie einen Typen wie Ramzan Kadyrow zum Generaloberst befördern mussten, einen Herrn, den man wirklich nicht auf der eigenen Party sehen will. Er ist der peinliche Vetter, den man stets meidet. Aber Sie haben es sich so ausgesucht.
Für Sie geht es in die Grütze. Die Getreuen werden weniger. Und im Nacken sitzen Ihnen noch viel Verrücktere, echte Faschisten und Russofanatiker, die Sie haben gedeihen lassen und die an die Schrägheiten, mit denen Sie spielen, tatsächlich glauben. Ein Staat lässt sich mit Geheimdienstmethoden regieren, aber nur so lange, bis jemand die Butterglocke hebt.
Das ist in diesen Wochen der Fall. Nun kommt die Butter aufs Brot. Und Ihnen wird die Rechnung dafür präsentiert. In diesem Sinne: Herzlichen Unglückwunsch zum Geburtstag.
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