Kommentar: Maaßen könnte nur noch für Seehofer zum Problem werden

Hans-Georg Maaßen und sein neuer alter Chef Horst Seehofer (Bild: Reuters)
Hans-Georg Maaßen und sein neuer alter Chef Horst Seehofer (Bild: Reuters)

Der Ex-Verfassungsschutzchef wechselt ins Bundesinnenministerium, seine Beförderung ist – egal. Hauptsache, er richtet in Seehofers Haus keinen weiteren Schaden an.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Es gibt Menschen, die können mit Verantwortung weniger gut umgehen. Hans-Georg Maaßen scheint dazuzugehören, und so ist die Entscheidung seiner Versetzung weg vom Bundesverfassungsschutz eine gute. Vielen bleibt der bittere Nachgeschmack, dass Maaßen im Zuge dieses Manövers befördert wurde, zum Staatssekretär. Aber Hand aufs Herz: Um diesen Herrn auf deutschen Festlanden weniger Gestaltungsmöglichkeiten zu geben, hätte ich ihn auch zum Generalgouverneur von Helgoland ernannt, mit unbeschränkter Freibeuterlizenz. Nun kommt es darauf an, welche Aufgaben ihm im Bundesinnenministerium (BMI) anvertraut werden. Könnte ein Staatssekretär auch die Poststelle leiten?

Denn zur Verantwortungsfähigkeit nur ein paar Beispiele aus der Zeit vor „Chemnitz“, denn jene Verfehlungen sind genügend kommentiert. 2015 schmunzelte Maaßen über seine damalige Arbeit: „Wir sind ein geheimer Nachrichtendienst, wo man fast sagen kann: Bei uns kann man das machen, was man schon immer machen wollte, nur ist es legal.“

Holla, Augenzwinker, das macht Eindruck

Das klingt einerseits nach einer realistischen Berufsbeschreibung, andererseits aber auch nach James Bond. Nun sieht Maaßen weder so aus wie Bond, noch werden seine Kampfkünste vergleichbar sein. Und: Würde Bond auf einer Computermesse derart reden, wie Maaßen es tat? Vielleicht am Bartresen, unter vier Augen; Maaßen jedenfalls offenbarte ungute Züge. Was für ihn „legal“ ist, dokumentierte er in der Affäre um Murat Kurnaz. Der Deutschtürke war in Pakistan verhaftet worden, von den Amerikanern als Terrorverdächtiger interniert, verhört und gefoltert worden. Schnell erfuhren sie, dass Kurnaz unschuldig war und wollten ihn loswerden.

Doch es gab damals, im Jahr 2002, einen Referatsleiter im BMI. Der schrieb in einem Rechtsgutachten, Kurnaz dürfe nicht wieder einreisen, weil er nur den türkischen Pass besaß und seine Aufenthaltsgenehmigung „kraft Gesetz erloschen“ sei. Denn er habe sich „länger als sechs Monate im Ausland“ aufgehalten. Kurnaz ist in Bremen geboren, um ihn hätte man sich kümmern müssen wie um jeden Helgoländer in neunter Generation, aber manche halten sich für gleicher als gleich. Jener Abteilungsleiter mit der genialen Idee eines unfreiwilligen „Auslandsaufenthaltes“ in einem Gefangenenlager hieß übrigens Maaßen.

Die Rolle eines Beamten

Könnte man Maaßen die öffentliche Kommentierung politischer Geschehnisse verbieten, wenn er sechs Monate lang nicht mehr im Chefsessel des Bundesverfassungsschutzes gesessen haben wird?
Es gibt noch weitere Verfehlungen: Möglicherweise sieht Maaßen in der AfD ein Instrument, das er mitsteuern will; die Nähe, die er zu den dortigen Politikern suchte, fiel auf. Ein Beamter aber hat nicht zu manövrieren, sondern zu dienen.

So gesehen ist die gestrige Entscheidung der Großen Koalition nur zu begrüßen. Maaßen kann keinen Märtyrer spielen. Nun die Legende vom Ritter trauriger Gestalt zu spinnen, der wegen seiner aufrichtigen Königinnenkritik an Merkel in Verbannung musste, ist unmöglich. Zu weich ist er gefallen. Auch ist die Entscheidung nur ein kleiner Gesichtsverlust für Seehofer. Er beugte sich Merkel, behält aber Maaßen. Ein Bruch der Koalition ist abgewendet.

Und allen, die sich über die Beförderung dieses Mannes ärgern, sei gesagt: Er verdient nun 2500 Euro mehr im Monat. Das ist, was viele im ganzen Monat verdienen. Es ist aber aus seiner Sicht ein Sprung von 11.577,13 Euro auf 14.157,33 Euro – und angesichts eines Milliardenetats im Bund nicht der Rede wert. Stichwort Helgoland.

Eher geringes Aufregungspotenzial

Auch ist die Öffentlichkeit in ihrer Masse klüger, als man ihr gemeinhin unterstellt. Politikverdrossenheit ist in den vergangenen Jahren ein noch wichtigerer Faktor geworden, aber der Fall Maaßen wird nicht zu ihr beitragen. Er bleibt eine Personalie unter vielen anderen. Und absolute Riesengehälter beziehen Leute wie Maaßen auch nicht – sonst sollten wir anfangen uns über ganz andere Gehälter in der Wirtschaft aufzuregen. Das weiß die „Öffentlichkeit“.

Über Maaßen wird man in einer Woche nicht mehr reden, vorausgesetzt, er erhält nicht zu viel Verantwortung im BMI. Seehofer, der sich gerade noch aus dem Schlamassel ziehen konnte, sollte sein Schicksal nicht mit Maaßens verknüpfen. Er sollte sich hüten, ihm politischen Gestaltungsraum für dessen zweifelhaften Rechtskurs zu geben. Er sollte endlich ein starker Bundesinnenminister werden, dem seine Untergebenen nicht auf der Nase tanzen.