Kommentar: Mein Freund, der SUV

TIANJIN, CHINA - DECEMBER 05: New Volkswagen Tayron sport utility vehicles (SUV) sit parked at a whole-vehicle manufacturing base of the Sino-German joint venture FAW-Volkswagen Automotive Co Ltd on December 5, 2019 in Tianjin, China. Volkswagen Group China and its partners will invest over 4 billion euros in China in 2020. (Photo by VCG/VCG via Getty Images)
Da stehen sie noch nicht im Stau, nerven nicht und schauen unschuldig: Modelle des VW Tayron in Tianjin, China (Bild: Getty Images)

Es gibt immer mehr SUV auf Deutschlands Straßen. Das ist zum Lachen und Weinen zugleich.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Eine Rekordmeldung hat das Kraftfahrt-Bundesamt am Mittwoch veröffentlicht. Seit November sind hierzulande mehr als eine Million SUV und Geländewagen unterwegs – das ist eine Zunahme gegenüber dem Vorjahr um 18 Prozent.

Schon komisch. Viele reden übers Klima, über den nächsten Urlaub ohne Fliegen, dass sie jetzt öfters das Fahrrad nehmen und ganz bestimmt keine Plastiktüten im Supermarkt; SUV dagegen gehen über die Ladentheken wie geschnitten Brot. Da tut sich also eine Schere auf zwischen dem, was wir sagen und dem, was wir tun.

Schließlich sind SUV-Fahrer im permanenten Verteidigungsmodus, sie bewegen ja gut sichtbare Symbole für alles, was schief läuft in unserem Lande, hin und her. Da muss man schon zu stehen.

Einerseits nimmt also das SUV-Bashing zu, und andererseits gibt es mehr von diesen Autos. Warum eigentlich?

Look at me

Nun, es gibt funktionale Begründungen, und emotionale. Die funktionalen werden von den Käufern vorgetragen: Mehr Sicherheit, bessere Sicht, man kann mehr transportieren und notfalls auch mal Offroad oder zumindest auf Straßen oder Wege fahren, auf denen es mit einer Ente ungemütlich werden könnte.

Die emotionale Begründung kommt von der Marktforschung, und die wischt die funktionale mit einem Wisch beiseite, erklärt sie für bedeutungslos und sagt: Es geht den Käufern um ein Gefühl von Freiheit – man könnte ja irgendwohin, wo es wild ist. Und da SUV in der Regel teurer als andere vergleichbare Autos sind und durch ihre höhere Stellung besser von außen zu betrachten sind, erfüllen sie eine eindeutige Angeberfunktion. Schaut her, heißt die Botschaft. Das bin ich, und das ist das mir gemäße Gefährt.

Da kommt bei mir die Frage auf, ob es den Fahrern von SUV nicht peinlich ist, dass Viele, die sie anschauen, sich fragen: Hat der womöglich auch einen kleinen Schniedel? Dass mit Protzerei über ein Auto etwas kompensiert werden soll, steht ja außer Frage.

SUV – diese Zwitterform eines Sport Utility Vehicle ist zum Lachen und Weinen zugleich. Man gibt sich sportlich, fährt aber in den allermeisten Fällen in der Stadt. Man gibt den Nutzen dieser Schiffe vor, aber viele von denen haben nicht einmal einen Allradantrieb oder eine Anhängerkuppel. Ein SUV ist erst einmal ziemlich viel pseudo. Und armselig.

Denn an einem SUV ist nichts Gutes. Wenn dieser Kauftrend etwas übers Land sagen soll, dann steht es schlecht um Deutschland.

  • Sicherheit: Das gilt nur für die Insassen, nicht aber für die Umwelt. Denn bei einem Unfall mit einem SUV hat ein Kleinwagen gleich schlechtere Karten und dessen Insassen sehen einer erhöhten Verletzungsgefahr entgegen. Danke, SUV!

  • Bessere Sicht: Auch Mumpitz, denn Fahrradfahrer und Kinder sieht man in den Klitschen schlechter. Das Weltbild eines SUV-Fahrers besteht aus sich und seinesgleichen. Die anderen sind entweder Feinde oder minderwertig. Der SUV ist das Aushängeschild des Asozialen.

  • Mehr Platz: Wenn es um die Schaffung echten Stauraums ginge, würden diese Autos anders aussehen. Denn ihr „sportliches“ Design geht auf Kosten von Platz.

Darüberhinaus ist ein SUV aus der Zeit gefallen. Unsere Städte und Straßen sind erbaut worden, als es keine SUV gab. Daher sind sie zu klein, oder die SUV halt zu groß. Die Parkplatzsuche gestaltet sich schwieriger, durch die Größe sind auch weniger Parkmöglichkeiten für alle vorhanden. Und SUV verlangsamen den Verkehr, weil sie an manchen Stellen halten müssen, wo sie nicht sofort durchkommen – ein kleineres Fahrzeug aber schon.

Schließlich gibt es die Frage nach dem Verbrauch. SUV sind Dreckschleudern. Überhaupt ist Autofahren in vielen Fällen nicht die gute Wahl für uns und unsere Umwelt. Der SUV aber ist die Kirsche auf der Sahnetorte, die uns im Halse stecken bleiben wird.

Wir wissen mittlerweile Bescheid über den Klimawandel. Darüber, dass es so nicht weitergeht. Aber das blenden wir aus, wenn wir in den SUV steigen: Es ist wie die letzte Party, der letzte Tanz, bis einer schlussendlich das Licht ausmacht.