Kommentar: Merkel und Seehofer sind längst nicht abgeschrieben

Auch wenn die ersten bereits sägen: Die Stühle von Angela Merkel und Horst Seehofer wackeln noch lange nicht (Bild: Reuters)
Auch wenn die ersten bereits sägen: Die Stühle von Angela Merkel und Horst Seehofer wackeln noch lange nicht (Bild: Reuters)

Verdruss an der Parteibasis, junge Nachfolger drängen nach oben: Die Kanzlerin und Bayerns Ministerpräsident scheinen schwer angezählt. Aber sie werden noch lange bleiben – man wird wissen, was man hat.

Ein Kommentar von Jan Rübel

In grauer Vorzeit, also in den Achtzigern des vergangenen Jahrhunderts, gab es einen berüchtigten Werbespot zum Einschlafen. Da sagte ein Waschmittelmann in grauem Anzug: „…da weiß man, was man hat“, und rums, war man weg.

Was wie Anti-Werbung wirkte, mag aber viel erfolgreicher gewesen sein, als wir uns einbilden möchten – denn welche anderen Spots aus so lange vergangenen Jahren spuken noch in unseren Köpfen?

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Ähnlich verhält es sich derzeit mit anderen Langweilern, genauso bräsig gekleidet wie der Waschmittelmann und mit dem gleichen bescheidenen Aufregerpotenzial: Angela Merkel und Horst Seehofer. Die Kanzlerin riss nie jemanden bei ihren Auftritten mit, und in diesen Tagen scheint sie gar abgetaucht; ihre wenigen Erklärungen erzeugen allgemeinen akuten Überdruss. Bayerns Ministerpräsident dagegen hat sich in den vergangenen Jahren im Kontrast zu Merkel heiser gebrüllt, sich aufgeregt – und dann doch heimlich jede markige Forderung zurückgeholt und am Ende des Tages geschwiegen. Er hat den Stempel des Verbrauchten, wie Merkel, nach dem Motto: Die bringen’s nicht mehr.

Markus Söder wird von vielen CSU-Anhängern als Nachfolger Seehofers gehandelt – aber längst nicht von allen (Bild: dpa)
Markus Söder wird von vielen CSU-Anhängern als Nachfolger Seehofers gehandelt – aber längst nicht von allen (Bild: dpa)

Aktuell wird Merkel angelastet, dass sie bei den Verhandlungen zu einer Jamaika-Koalition keine sichtbare Führerschaft zeigt, es an Visionen vermissen lasse und sich unbeeindruckt vom desaströsen Abschneiden ihrer CDU bei der vergangenen Bundestagswahl zeigt. Seehofer hat gar mit einem konkreten Rücktrittsruf aus den Reihen der bayerischen Jungen Union zu kämpfen; außerdem schart sein Finanzminister Markus Söder hörbar mit den Hufen. Und in der CDU hoffen auch die Jüngeren auf eine übergroße Bananenschale, die Merkels Kanzlerinnenschaft zum Rutschen bringt.

Doch all dies wird nicht passieren. Der Verdruss über Merkel und Seehofer ist nur einem flüchtigen Zeitgeist geschuldet. Dieser Trend wird selbst bald Geschichte sein. Denn – unabhängig davon, was man von Merkel und Seehofer als Politiker hält – diese beiden Alphatiere werden noch gebraucht werden, und zwar künftig mehr denn je.

Sturm voraus

Was die beiden verbindet sind Führungskompetenz, Pragmatismus, Standfestigkeit und Lösungsfähigkeit. Nichts haut sie rasch um. In unseren unruhigen Zeiten bieten diese beiden Politikertypen Orientierung und Verlass: Wenn schon Krise, dann bitte mit Leuten am Steuerrad, die nicht zielsicher den nächsten Baum ansteuern.

Bei Merkel und Seehofer weiß man halt, was man hat – und bei den anderen wissen wir schon, was sie nicht haben und vielleicht nie haben werden.

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Markus Söder gilt zum Beispiel als der aussichtsreichste Nachfolger Seehofers. Der Franke ist unermüdlich unterwegs, bauchpinselt die die CSU-Basis, wo es nur geht und bemüht sich um Medienpräsenz, wie und zu welchem Thema auch immer. Das hat sich ausgezahlt in politische Macht. Doch was täte ein Söder, sollte er eine Finanzkrise managen, oder eine diplomatische Krise – hätte er dazu die Statur? Söder fordert seit Jahren so vieles, dass nichts davon hängen geblieben ist, seine politische Position ist nicht beschreibbar; Standfestigkeit sieht anders aus.

Auch Jens Spahn schielt bereits auf höhere Ämter in der CDU (Bild: Reuters)
Auch Jens Spahn schielt bereits auf höhere Ämter in der CDU (Bild: Reuters)

Und Jens Spahn, Wortführer der Jungen bei der CDU, übt sich fleißig im Konservativsein und schiebt zuweilen wichtige Debatten an, wenn auch etwas ungestüm und nicht immer glaubhaft. Er wäre aber mehr ein guter Oppositionsführer, ein wichtiger Mann in der Fraktion – echte politische Verantwortung zu übernehmen, das sieht anders aus. Spahn tat sich bisher nicht als Moderator hervor, als jemand, der andere überzeugen kann. Seine und Söders Wildheit beschränken sich auf Machtwillen.

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Deren Zeit ist also längst nicht gekommen. Merkel und Seehofer werden weiter am Ruder stehen, es sein denn, sie werden von den Wählern nachhause geschickt.

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