Werbung

Kommentar: Mit dem geplanten Polizeirecht verliert die CSU ihre Bodenhaftung

Immerhin freut sich Markus Söders CSU-Truppe. (Bild: dpa)
Immerhin freut sich Markus Söders CSU-Truppe. (Bild: dpa)

Heute Abend soll ein neues Gesetz verabschiedet werden: Unheimlich mehr Befugnisse für die Polizei. Das soll Stärke demonstrieren. Tatsächlich offenbart dies große Schwäche.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Bayern droht Gefahr. Dieser Satz klingt ähnlich unkonkret wie das neue Polizeirecht, das heute der Landtag mit der absoluten Mehrheit der CSU verabschieden will. Damit droht die Politik einen Keil zwischen die Bevölkerung und die Sicherheitskräfte zu stoßen; dies ist eine große Gefahr.

Die Polizisten wissen nicht recht, was sie mit den neuen Befugnissen anfangen sollen. Auch ihnen ist unheimlich, dass ein Streifenbeamter in Spitzingsee beim Rundgang mehr Kompetenzen hätte als ein Bundeskriminalbeamter bei der Terrorabwehr. Die Politik legt ihnen ein seltsames Ei ins Nest. Eines, welches Misstrauen sät, wo es bisher nicht angebracht gewesen ist. Es ist ein Gesetz, welches den Frieden stören kann.

Was sind die Kernpunkte des geplanten Gesetzes? Bisher tritt die Polizei auf den Plan, wenn eine konkrete Gefahr vorliegt. Nun soll dieser Umstand weit vorgelagert werden, und zwar bei „drohender Gefahr“. Die Verteidiger des geplanten Gesetzes argumentieren damit, mit der Zeit gehen zu müssen, auch Täter würden raffinierter und technisch besser ausgerüstet vorgehen. Doch das Gesetz scheint wie eine Büchse der Pandora: Wer sie öffnet, könnte einen Sturm entfachen. Denn wer legt fest, wann eine Gefahr „droht“? Es geht also darum, dass ein Polizist hellseherische Fähigkeiten beweisen muss. Er muss eine zeitliche Dimension ins Augenmaß nehmen. Und klar ist, dass dabei das Augenmaß selbst bei größter Mühe und Redlichkeit verloren gehen kann.

Das Scheitern ist vorprogrammiert

Doch brachial will die CSU ihr Vorhaben durchsetzen. Dabei riskiert sie viel, zum Beispiel könnte sie sich damit lächerlich machen; natürlich würde gegen dieses neue Polizeirecht vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt werden. Und auch Nicht-Juristen werden den Klägern gute Chancen einräumen. Denn dieses neue Polizeirecht ist nur deshalb gezimmert worden, weil ein Urteil eben des Bundesverfassungsgerichts von vor zwei Jahren dieses forderte. Karlsruhe verlangte eine Spezifizierung der Bürgerrechte und des Datenschutzes, auch erlaubten die obersten Richter eine Ausnahme, nämlich neue Kompetenzen zur Vereitelung drohender terroristischer Straftaten.

Doch was macht die CSU daraus? Sie weitet diese Vorbeugung auf alle möglichen Straftaten aus. Das ist in etwa so, wie wenn Oberwachtmeister Dimpfelmoser einfach so die What’s-App-Nachrichten vom Handy des Räubers Hotzenplotz lesen darf oder ihn beim bloßen Anblick verhaftet, man weiß ja nie. Schließlich könnte ja eine Gefahr „drohen“.

Der populistische und aktionistische Hintergrund dieses geplanten Gesetzes ist kaum verborgen. Manches ist sicher gut gemeint, so zum Beispiel die Auswertung von DNA-Spuren zu Fahndungszwecken. Jeder, der amerikanische Krimiserien schaut, könnte darin Selbstverständliches sehen – also warum nicht? Doch leider bleibt das Fernsehen eindimensional; noch ist die Wissenschaft nicht so weit fortgeschritten, dass mit solchen Spuren einwandfrei gearbeitet werden kann, es „droht die Gefahr“, dass sich unbegründete Verdachtsmomente ergeben, welche die Tätersuche nicht erleichtern, sondern erschweren; abgesehen davon, dass eine „Herkunftssuche“ rasch einen rassistischen Touch erhalten kann. Oder ist dieses neue Gesetz nur ein weiterer Baustein im Wahlkampf, in dem die CSU eben den strammen Max zu mimen versucht?

Wo bleibt die Besonnenheit?

Dass Landesinnenminister Joachim Herrmann, eigentlich ein besonnener Mann, sich zu einem Gerede über „Lügenpropaganda“ hinreißen ließ, mit dem er die Kritiker dieses neuen Polizeirechts schurigelte, ist schade. Dieser Ausdruck zeugt von Hilflosigkeit. Er ist vermessen. Und passt in eine Zeit, die Herrmann eigentlich nicht will; immerhin ist er nicht der Donald Trump von der Isar. Wie aber die CSU mit ihrem Vorhaben umgeht, wie sie argumentiert und voranschreitet, droht ihr die Gefahr, den Wählerwillen gründlich falsch gedeutet zu haben. Polizei soll die Bürger beruhigen, nicht verunsichern. Und es ist nicht so, dass eine Kriminalitätswelle durchs Land rausche. Nichts deutet darauf hin, dass die Polizei etwas nicht im Griff habe und rechtlich „aufgerüstet“ werden müsste.

Sollte die CSU dieses neue Gesetz heute Abend durchpeitschen, würde es ihr bald kräftig vor die Füße fallen.