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Kommentar: Mit diesem Match ist Fußball Vorbild für uns alle

Die Italiener gingen beim EM-Halbinale gegen Spanien als Sieger vom Platz. Gewonnen hatten jedoch irgendwie beide Teams (Bild: REUTERS/Carl Recine)
Die Italiener gingen beim EM-Halbinale gegen Spanien als Sieger vom Platz. Gewonnen hatten jedoch irgendwie beide Teams (Bild: REUTERS/Carl Recine)

Das Match Italien gegen Spanien kannte einen Gewinner und einen Verlierer. Eigentlich. In Wirklichkeit aber zeigte das EM-Halbfinale, wie uns der Fußball als Gesellschaft nach vorn bringen kann.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Man kann nicht sagen, dass die Spieler unkonzentriert ans Werk gegangen wären. Das EM-Halbfinalspiel Italien gegen Spanien lebte von einem atemraubenden Tempo. Intensiv rackerten beide Teams um jeden Quadratzentimeter. Und dennoch bleibt der Eindruck, dass sie sich in Wembley keinen verbitterten Kampf liefern würden. Fußball, sagen manche, ist wie Krieg. Welch ein Quatsch.

Dieses Spiel lebte trotz der enormen Bedeutung von Respekt und Fairness, es schwang sich auf zu einem Vorbild, wie wir alle miteinander umgehen könnten.

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Da zeigten die Kameras Spaniens Nationaltrainer Luis Enrique, wie der während des Spiels am Rand mit Italiens Torjäger Federico Chiesa plauderte, ihm etwas ins Ohr tuschelte – und der darüber lächelte. Eine Gemeinheit wird es nicht gewesen sein.

Schenk ein Lächeln

Oder Abwehrurgestein Giorgio Chiellini, der kurz vorm Elfmeterschießen mit Spaniens Kapitän Jordi Alba die Torecke aushandelte – und dies tat, als habe er kurz vorher eine Glückspille geschluckt. Er lachte, umarmte Alba, scherzte – weil der sich nicht sofort entscheiden konnte, wo das Schießen stattfinden soll. Um es klarzumachen: Diese Momente gehören auch für einen 36-jährigen Chiellini zu den dramatischsten und wichtigsten Szenen einer Karriere. Und es ist vollkommen ok, mit einem Kloß im Hals stumm auf den Münzwurf zu warten – aber die Art, wie dem Ernst eine Leichtigkeit zugesellt wurde, tat gut.

Spaniens Nationaltrainer Luis Enrique. (Bild: Alex Morton - UEFA/UEFA via Getty Images)
Spaniens Nationaltrainer Luis Enrique. (Bild: Alex Morton - UEFA/UEFA via Getty Images)

Sowieso Enrique. Der weigerte sich, obwohl die Spanier durchaus wegen ihrer teilweise bezaubernden Spielweise hätten gewinnen können, sich vor den Kameras festzulegen, wer seiner Meinung nach das bessere Team des Abends gewesen sei; wie man es so oft nach Bundesligaspielen von lamentierenden Trainern hört. „Ich habe keine Wehmut“, sagte er. Und: „Ich bin glücklich mit dem, was ich gesehen habe. Ich genoss ein Spiel auf hohem Niveau mit zwei starken Mannschaften, die versuchten, guten Fußball zu spielen, es war ein Spektakel für die Fans. Ich möchte Italien gratulieren, ich hoffe, sie können versuchen, diese Europameisterschaft im Finale zu gewinnen. Ich werde die Azzurri anfeuern".

Hört sich so ein Verlierer an? Ja, und zwar ein guter. Einer, der wie ein Sieger klingt.

Geht doch

Beide Mannschaften und Trainer packten bei diesem Spiel Tugenden aus, von denen wir etwas lernen können. Sie zeigten Herzlichkeit und Anstand. Respekt und Fairness. Und ich meine nicht die Fouls, die zu einem Match dazugehören und welche bei diesem nicht besonders fies waren – sondern den Umgang miteinander an sich.

Wer Fußball als Fortsetzung von Krieg mit anderen Mitteln ansieht, darf das tun. Nur entgeht einem bei dieser Sichtweise eine Menge. Denn gerade im Sport, wo Triumph und Tragik auf einer klitzekleinen Fläche miteinander eng tanzen, gibt es die Chance, sich richtig zu verhalten, oder wie italienische Medien über Enrique schrieben: wie ein Signore.

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