Kommentar: Momentan sind wir alle öko – selbst die AfD

On the occasion of the Global Strike for Future/Climate, the local movement  "Hannover for Future" Organized a march through the city center against the climate change and the inaction of the government on May 24, 2019 in Hanover. The event brought together nearly 12,000 people including many young people. (Photo by Peter Niedung/NurPhoto via Getty Images)
Schüler demonstrieren in Hannover für eine neue Klimapolitik (Bild: Getty Images)

Es geht ein Ruck durch Deutschland – die Politik gelobt Besserung beim Umweltschutz. Eine Eintagsfliege oder echte Erkenntnis? Selbst die AfD macht sich bereit, auf diesen Zug aufzuspringen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Vielleicht ist es nur eine Momentaufnahme. Aber in Deutschland bewegt sich ein Gedanke, langsam wie ein Eisberg, aber auch so mächtig wie ein solcher durch die politische Landschaft: dass der Klimawandel doch irgendwie gruselt und etwas unternommen werden sollte.

In dieser Momentaufnahme wird darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn die Grünen im Kanzleramt säßen und die CDU neue Umweltsteuern voranbringt, die SPD frustrierte Kohlekumpels tröstet und sogar die AfD nicht mehr davon faselt, dass die Sonne lediglich anders scheine.

Die Bewegung ist da. Nur ist unklar, wie lange sie andauern wird.

Es ist konkret geworden

Ein Blick auf die Rechtspopulisten zeigt die Erstaunlichkeit dieser Tage. Die bisherige Position der AfD zum Klima lässt sich derart zusammenfassen: Das Klima der Erde ändere sich immer, derzeit befänden wir uns halt in einer „Warmzeit mit Temperaturen ähnlich der mittelalterlichen und der römischen Warmzeit“. Außerdem lobt die Partei den Ausstoß von Kohlendioxid, denn der sei gut fürs Pflanzenwachstum. Nun, da hat einer im Biologieunterricht in der fünften Klasse aufgepasst, ist nur leider auf dem Wissensstand von damals stehengeblieben. Natürlich benötigt die Photosynthese von Pflanzen CO2, dass dieses aber den Klimawandel herbeiführt, pfeifen nun alle Spatzen von den Dächern.

Bisher dachte die AfD, mit einer saftigen Kontraposition, die kräftig gegen den Scheitel kämmt und dadurch auffällt, punkten zu können. Klima war ja bisher auch abstrakt, jedenfalls in Deutschland; es waren nur ein paar olle Südseeatolle, die überflutet wurden. Doch nun ist der Klimawandel nicht mehr abstrakt. Er steht durch die Hitze, durch die Dürre und durch die Sturzregen im Vorgarten. Der AfD dämmert langsam, dass sie mit ihrem Sonnengeplärr keinen Blumentopf mehr gewinnen wird und sucht nach einer neuen Fahne, die sie in den Wind hängen kann.

Den Anfang machen, wie so oft, die Jungen. „Wir fordern die Mandats- und Funktionsträger unserer Partei dazu auf, von der schwer nachvollziehbaren Aussage Abstand zu nehmen, der Mensch würde das Klima nicht beeinflussen“, heißt es in einem Schreiben der Jungen Alternative (JA) Berlin.

In der Tat: schwer nachvollziehbar. Dieser Schritt der JA ist nur zu begrüßen. Denn richtig bleibt richtig, egal aus welchen Motiven - seien sie noch so opportunistisch. Die Jugendorganisation leistet für ihre Partei echte Pionierarbeit, welche langsam, sehr langsam Fahrt aufnimmt. „Grüne, ÖDP und Tierschutzpartei haben bei der Europawahl zugelegt. Das zeigt uns: Wir brauchen beim Thema Umwelt, Natur und Klima eine klare Strategie“, sagt Vize- Bundestagsfraktionschef Peter Felser. Nun, ÖDP und Tierschutzpartei in einem Atemzug mit den Grünen zu nennen, klingt verwegen. Also warten wir nun auf eine “klare Strategie” zu diesen wichtigen Themen, die es, wie uns der Abgeordnete Felser verraten hat, in der Partei bisher nicht gibt.

Wie weit die AfD damit kommt, wird spannend zu beobachten sein. Immerhin ist sie die Partei der Diesel- und Kohlefans. Und wenn sie Umweltschutz als “Heimatschutz” verkauft, ist dies auch komisch; als wäre die nicht schützenswert, wäre sie nicht die Heimat. Den Müll beim Nachbarn abladen ist jedenfalls auch keine Lösung.

Neues aus der Klamottenkiste

Bei der AfD gibt es reichlich Nachholbedarf. Ganz aktuell blamierte sich der AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Nolte. Er verbreitete online ein Bild mit zwei Wetterkarten vom Ersten Deutschen Fernsehen - eine soll aus 2019 stammen und ist fast gänzlich rot. Die zweite Karte - angeblich aus dem Jahr 2009 - zeigt eine gelbe Sonne über dem weitgehend grünen Deutschland. Über der Grafik titelt der Satz: „Fühlen Sie sich manipuliert?“. Die Botschaft ist unmissverständlich: Die ARD versuche mit einer rot gefärbten Wetterkarte eine angebliche Klimahysterie anzuheizen. Und fühlen kann man eine Menge, das weiß die AfD bestens, besonders wenn Gefühle gegen Fakten stehen sollen.

Dumm nur, dass Nolte wohl etwas hastig las, vielleicht rutschte er auch auf der Maus aus. Das rote Bild zeigt nämlich die aktuellen Temperaturen – und die sind halt rot gefärbt, die Farbe steht für warm. Das grüne Bild dagegen zeigt etwas ganz anderes, nämlich die Wettervorhersage – und die war schon immer grün untermalt. Nolte freute sich also zu früh und sollte bei der JA Berlin Nachhilfestunden nehmen. Fünfte Klasse reicht nicht aus.

Überhaupt bleibt die Frage, wie nachhaltig dieser allgemeine Ruck ist. Der Erfolg der Grünen bei der Europawahl hat den anderen Parteien einen Schreck in die Glieder gefahren. Ihre Reaktion darauf ist strategisch motiviert: Wird tatsächlich eine CO2-Steuer kommen? Wird der Kohleausstieg doch forciert? Aus den Worten müssen Taten werden, und in der Vergangenheit geschah mehrmals, dass Politiker warme Ankündigungen als Placebos unters Volk warfen und dann doch kaum etwas unternahmen.

Die Hoffnung ist, dass die jungen Generationen dies nicht durchgehen lassen. Es ist ja ihre Zukunft. Sie haben wenig Lust auf Untergangsperioden, auf einen Verzicht von Lebensqualität, nur weil die älteren Generationen es verbockt haben. Vielleicht also ist dieser Eisberg noch lange nicht am Ende seiner Wanderung angekommen.