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Kommentar: Nach dem Echo-Desaster mit Farid Bang und Kollegah - Der Rap muss zu seinen Ursprüngen zurück

Kollegah und Farid Bang stehen in der Kritik. (Bild: AP Photo/Axel Schmidt/Pool Photo)
Kollegah und Farid Bang stehen in der Kritik. (Bild: AP Photo/Axel Schmidt/Pool Photo)

Plötzlich schimpfen alle auf die bösen Rapper. Doch das reicht nicht. Wir brauchen vor allem frische Luft.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Dass es so schnell keinen “Echo”-Preis mehr geben wird, ist mittlerweile nur eine Nebensache des jetzigen Skandals um die jüngste Verleihung. Dieser Preis ist verbrannt. Und es reicht längst nicht aus, weitere Tränen über die angeblich unmoralische Branche zu vergießen, der tatsächlich Moral schlicht fremd ist.

Der deutsche Rap sollte nun in den Blickpunkt geraten. Der ist natürlich vielfältig und bunt, da gibt es alles. Der Gangsterstil hat seit einiger Zeit die vielen Facetten des Deutschraps in die hinteren Wahrnehmungskammern gerückt – dafür können seine Protagonisten nichts, sondern ihre Kunden. Farid Bang, Kollegah & Kollegen verkaufen einfach zu gut. Der “Echo” war am Ende nur ein Dokument dieses Erfolgs.

Dennoch wurde viel zu wenig hingeschaut, was diese Jungs da von sich geben. Übertreibung und Überzeichnung gehören da nicht nur zur künstlerischen Freiheit, sondern auch zum legitimen Programm. Und geht es darum Gewalt- und Machtphantasien vorm Mikro auszuleben, anstatt sie auf die Straße zu bringen. Für alles indes gibt es Grenzen. Rote Linien. Und vor allem erfüllt der Gangsta-Rap einen eigenen Anspruch nicht: dass er so etwas wie eine Straßenreportage sei. Jene Rapper, die in den vergangenen Jahren beim “Echo” auf der Bühne standen, sind keine Straßenreporter, sie bilden nicht die Wirklichkeit auf der Straße ab, sondern projizieren eine Illusion dessen.

Was wirklich bewegt

Dass Kriminalität verherrlicht wird: geschenkt. Dies geschieht seit den Anfängen des Rap in den USA. Aber dort wurde immer auch reflektiert, der Verherrlichung eine Infragestellung gegenüber gestellt. Wo sind die Texte der erfolgreichen deutschen Gangsta-Rapper, die Alltagssorgen behandeln, Wünsche (außer die Welt zu beherrschen, oder die Frau des Kumpels), schlicht: das Innere nach Außen kehren?

Protest auch von anderer Seite: Rockmusiker Marius Müller-Westernhagen will seine Echos zurückgeben. (Bild: AP Photo)
Protest auch von anderer Seite: Rockmusiker Marius Müller-Westernhagen will seine Echos zurückgeben. (Bild: AP Photo)

Die vermeintlich schweren Jungs sollten an diese alten Tugenden anknüpfen. Und sie sollten sich wirklich fragen, was struktureller Antisemitismus ist. Denn es ist herzlich egal, ob jemand in seinem Herzen einen Knacks mit Juden hat oder nicht. Entscheidend ist, was er macht. Und da sind einige ihrer Textzeilen zum Davonlaufen.

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Also hier, noch einmal, zum Protokoll: Juden sind nicht überdurchschnittlich im Finanzwesen tätig. Juden haben keine Netzwerke gebildet, mit denen sie irgendetwas kontrollieren könnten, erst recht nicht global. Juden überhaupt als eine in sich feste Gemeinschaft anzusehen, sie also in die allererste Schublade zu stecken ist mindestens so dämlich wie die Aussage, alle Rapper seien hirnlose Asoziale, die selbst mit ihrem Allerwertesten nicht denken können.

Einfach ist blöd

Und, lieber Kollegah, die Welt ist nie schwarz und weiß. Sie ist grau. Pack Deinen Verschwörungs- und Errettungskram in die Mottenkiste und texte darüber, was Dich wirklich bewegt. Und Farid Bang, nimm das Wort Auschwitz nicht so leichtfertig in den Mund. Es taugt nicht zum Vergleich in einem Battle Rap. Denn hier geht es nicht um Gedankenpolizei oder “Political Correctness”, sondern um die kleinsten Leitplanken überhaupt, um nicht total daneben zu sein.

Der “Echo” ist tot. Und für den deutschen Gangsta-Rap tut sich eine Chance auf, mal über all die Feindlichkeiten gegenüber Frauen, Schwulen und Juden nachzudenken; bei so viel Feindlichkeit bleibt doch das Leben auf der Strecke, was ist demnächst dran: alle Rothaarigen, Linkshänder oder Rechtspopler?

Vielleicht können die Plattenfirmen mit ihren Künstlern reden, zumindest die großen, die bisher prächtig an ihnen verdienten, sollten mit ihnen einen Zeilen-Realitätscheck machen, sich fragen, ob sich durch ihre Texte nur irgendwelche Battle-Rap-Gegner eine blutige Nase holen oder in Wirklichkeit jemand anderes sich mies fühlt. Und sollten solche Gespräche nichts fruchten: Dann sollte kein Major Profit daraus ziehen. Jedes Wort seines Gangsta-Rap landet auf dem Schulhof. Die Verantwortung ist riesig. Entweder die Plattenfirmen ziehen jetzt die Reißleine, oder der Gangsta-Rap zieht sie mit in den moralischen Müll.

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