Kommentar: Noch eine Tüte Atomkraft?

Auch die Proteste führten zu einem Aus der Atomkraftnutzung in Deutschland - hier ein Bild aus dem Jahr 2010 bei Lüneburg (Bild: REUTERS/Christian Charisius)
Auch die Proteste führten zu einem Aus der Atomkraftnutzung in Deutschland - hier ein Bild aus dem Jahr 2010 bei Lüneburg (Bild: REUTERS/Christian Charisius)

In Deutschland klettern die Preise, und auch die Ängste vor kalten Heizungen und dunklen Wohnungen. Da wird der Ruf nach einem kleinen Comeback der Atomkraft laut. Doch wollen wir dieses Risiko auch noch?

Ein Kommentar von Jan Rübel

Eigentlich sind wir alle urlaubsreif. Man möchte frei machen von dem ganzen Krisentalk, von Inflation und der Vorstellung, im Winter wird es kalt. Schließlich ist dem Lügenverbrecher Wladimir Putin zuzutrauen, dass er Energieexporte weiterhin als Waffe einsetzt. Und dass die Gasspeicher nicht gefüllt sein werden, wenn man sie braucht.

Da nützt es nichts, die Politik muss also die Optionen durchdenken. Eine von ihnen ist gewiss die Atomkraft – produziert sie doch Strom, und wir haben noch die Meiler. Sie laufen gerade, sollen zum Jahresende stillgelegt werden. Warum dann nicht, so die Frage, diese noch ein kleines bisschen weiterlaufen lassen? Immerhin werden diese Gedanken bei Union und FDP laut, bei der AfD sowieso.

Es klingt verlockend. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, heißt es. Zwar kann Atomstrom kein Gas ersetzen, schafft aber in einer angespannte Lage Ruhe bei anderen möglichen Problemfeldern.

Piesacken gehört zum Job

Und natürlich redet CDU-Parteichef Friedrich Merz jetzt viel dieser Energieform auch das Wort, um die Grünen zu quälen. Stehen die doch gerade so blöd gut da, mit ihrem Realitätssinn in Sachen Russland und Klima. Außerdem gibt es Staaten, die nach wie vor auf Atomkraft setzen, wie zum Beispiel Frankreich. Nachdenken ist da angesagt.

Doch wer nun wieder auf Atom setzt, sattelt einen getöteten Gaul. Wir haben uns von dieser Energieform verabschiedet und einen langsamen, langfristigen Ausstieg vollzogen. Merz gehörte in der CDU zu jenen, die sich dem Ausstieg widersetzten, aber Angela Merkel setzte ihn durch – im Schatten der Reaktorkatastrophe von Fukushima, welche die Gefahren dieser Energienutzung konkret beschrieb.

Die letzten Reaktoren nun einfach laufen lassen, hört sich einfacher an als getan. Denn solch ein Meiler ist nicht gerade eine Dampfmaschine. Ihr Abschaltprozess läuft seit langer Zeit – gerade weil diese Dinger so gefährlich sind. Sollten sie also auch im Jahr 2023 Strom liefern, müssten sie ohne Sicherheitsprotokoll arbeiten. Im Ernst jetzt?

Atomkraft ist nach wie vor unkontrollierbar. Die Folgen dagegen, wenn mal etwas schief gehen sollte, sind immens schlimm. Echt kolossal. Und die Probleme mit den bis in die Ewigkeit strahlenden Brennstäben haben wir auch noch. Wollen wir uns das wirklich ans Bein binden?

Risiken, die keiner wirklich will

Merz sollte sich bei seiner Vorliebe für Opposition vor Augen führen, was passieren würde, wenn ein Reaktor mit auf sein Betreiben hin weiterläuft und einen Unfall hat. Wie würde der Sauerländer in die Geschichtsbücher eintreten?

Was uns gerade mit dem Gas geschieht, nimmt die Unabhängigkeit von Putin vorweg. Wir hätten sofort auf Energieimporte aus Russland verzichten sollen. Und Alternativen können aufgebaut werden, da wird es vielleicht eine harte Übergangsperiode geben, aber eben Licht am Ende des Tunnels.

Daher sollten wir die Atomkraft links liegenlassen und Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen.