Kommentar von Politik-Experte Krause - „Die Thüringer haben eine Wahl getroffen, deren Konsequenzen sie spüren sollten“

Es sieht nicht danach aus, als ob es in Thüringen gelingen wird, eine Regierung jenseits der AfD zu bilden.<span class="copyright">Getty Images/Jens Schlueter</span>
Es sieht nicht danach aus, als ob es in Thüringen gelingen wird, eine Regierung jenseits der AfD zu bilden.Getty Images/Jens Schlueter

Es sieht nicht danach aus, als ob es in Thüringen gelingen wird, eine Regierung jenseits der AfD zu bilden. Koalitionen mit dem BSW verbieten sich genau so wie Koalitionen mit der AfD. Möglicherweise sollte die AfD eine Minderheitenregierung bilden. Ein heilsames Chaos wäre vorprogrammiert.

Der Ausgang der Wahlen in Thüringen hat ein für etablierte Parteien desolates Ergebnis erbracht: Nahezu 50 Prozent der Wähler stimmten für die laut Verfassungsschutz „erwiesen rechtsextremistische Partei“ AfD und für das neu gebildete Bündnis BSW, welches sich nach seiner Führerin Sahra Wagenknecht benennt.

Das BSW verfolgt einen nationalbolschewistischen Kurs und steht eben so wenig wie die AfD auf dem Boden des Grundgesetzes. Wenn man die 13 Prozent hinzuzieht, die die DDR-nostalgische Partei „Die Linke“ auf sich gezogen hat, dann haben fast zwei Drittel der dortigen Bürgerinnen und Bürger Parteien gewählt, die die Bundesrepublik und ihre demokratische Ordnung mehr oder weniger offen ablehnen.

Die klassischen politischen Parteien der Bundesrepublik Deutschland wie Union, SPD, Grüne und FDP kamen zusammen auf gerade mal 34 Prozent, wobei Grüne und FDP gar nicht mehr im Landtag vertreten sind.

Es macht in dieser Konstellation keinen Sinn für CDU und SPD zu hoffen, dass man mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht Koalitionen bilden könnte (manche sprechen wegen der dort zu findenden prorussischen Positionen auch schon vom „Bündnis Sahra Wladimir“). Sowohl AfD wie BSW bestehen zum Großteil aus Maulhelden, Ideologen, Querulanten und Extremisten, die nicht regieren können und eigentlich auch nicht wollen. Sie können Opposition und ordentlich poltern, aber keine dieser beiden Parteien kann auf einen Kreis von soliden Personen verweisen, die politische Probleme in einem demokratischen Staat lösen werden können. Das gilt auch und gerade für das Migrationsproblem.

Risiken und Chancen einer AfD-Minderheitsregierung in Thüringen

Nun ist von verschiedenen Seiten vorgeschlagen worden, dass man sich dem Wählerwillen fügen solle, damit die Wähler merken, was sie mit ihrer Stimmabgabe angerichtet haben. Jan Fleischhauer hat das auf Focus Online gefordert und auch Eric Gujer in der Neuen Zürcher Zeitung. Beide gehen davon aus, dass die AfD eine Minderheitenregierung bilden soll, die vom BSW gestützt wird und die dann mal losregieren soll. Das Chaos sei vorprogrammiert. Außerdem sollte Thüringen laut Fleischhauer dann nicht mehr am Länderfinanzausgleich partizipieren – das wären gleich knapp zwei Milliarden Euro weniger im Jahr für die Landeskasse.

Im Prinzip ist diese Argumentation nicht abwegig, denn die Wähler Thüringens haben sich mit deutlicher Mehrheit für Parteien entschieden, die sich gegen die demokratische Grundordnung wenden. Thüringen hat wie kein anderes Bundesland von dem Beitritt zur Bundesrepublik profitiert. Es geht den Menschen deutlich besser, die Infrastruktur funktioniert wieder, die Altstädte verfallen nicht mehr.

Dennoch scheint sich dort ein Unmut aufgebaut zu haben, der sich in einem Maße radikalisiert hat, welches für Außenstehende nicht mehr nachvollziehbar ist. Nichts würde die Populisten von Links und Rechts tatsächlich mehr entlarven, als wenn sie in Regierungsverantwortung kämen.

Das Hauptargument gegen eine Minderheitenregierung Höcke wäre, dass das der Beginn einer Machtübernahme der AfD nach dem Muster der NSDAP von 1932 wäre, die auch in Thüringen ihren Anfang nahm. Dieser Vergleich ist unzutreffend, denn die AfD hat anders als die NSDAP keine bundesweit organisierte Schlägerorganisation wie seinerzeit die SA, sie hat anders als die NSDAP keine breite Unterstützung in der Beamtenschaft und sie ist nicht die klassische Führerpartei, in der eine Person an der Spitze steht.

Bundeszwang: Wie Berlin auf eine AfD-Regierung in Thüringen reagieren könnte

Zudem gibt es Artikel 37 des Grundgesetzes, der die Möglichkeit des Bundeszwangs gegen einzelne Bundesländer vorsieht. Dort heißt es: „Wenn ein Land die ihm nach dem Grundgesetze oder einem anderen Bundesgesetze obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt, kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates die notwendigen Maßnahmen treffen, um das Land im Wege des Bundeszwanges zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten.“

Und: „Zur Durchführung des Bundeszwanges hat die Bundesregierung oder ihr Beauftragter das Weisungsrecht gegenüber allen Ländern und ihren Behörden.“ Der Bundeszwang kann nicht nur angewandt werden, wenn ein Bundesland seine Pflichten unter einem Bundesgesetz nicht erfüllt, sondern auch dann, wenn die freiheitliche demokratische Ordnung in Gefahr ist. Laut Artikel 28, Absatz des Grundgesetzes gewährleistet der Bund, „dass die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.“

Das ist durchaus ein Sicherheitsnetz, welches die schlimmsten Auswüchse verhindern könnte. Aber auch hier läuft möglicherweise nicht alles so einfach ab. Unter einer AfD-geführten Regierung in Thüringen würde diese vermutlich keine weiteren Asylsuchenden und Kriegsflüchtlinge aufnehmen und die dort lebenden Ausländer möglicherweise in andere Bundesländer abschieben.

Der Bundeszwang könnte dann unter Zustimmung des Bundesrates einsetzen. Das kann aber in einer Weise ablaufen, die die AfD geschickt bundesweit für sich zu instrumentalisieren wüsste. Ein Risiko, dessen man sich bewusst sein sollte und welches nur eingegangen werden kann, wenn es endlich auf Bundesebene gelingt, den Zustrom illegaler Migranten einzudämmen.

Bundeszwang kann dann einsetzen, wenn die Regierung Thüringens Verfassungsfeinde einstellt in den Bereichen, wo die Länderhoheit noch am stärksten ausgebildet ist: Innere Sicherheit und Bildung und Kultur. Damit ist in jedem Fall zu rechnen, besonders bei Polizei, Justiz und Schulen. Hier sollte von Anbeginn einer Regierung Höcke an ein Überwachungsmechanismus des Bundes einsetzen, der sofort Alarm schlägt, falls versucht wird Verfassungsfeinde in Positionen der Öffentlichen Verwaltung zu bringen. Dafür gibt es noch keinen Mechanismus, er müsste erst geschaffen werden. Ohne ihn gäbe es keine Handhabung für einen Bundeszwang.

Die möglichen Folgen einer AfD-geführten Regierung für Thüringen

Der Bundeszwang wäre aber nur die Notbremse. Viel wichtiger wäre, den Wählern Thüringens vor Augen zu führen, dass die Herrschaft der AfD im Chaos enden wird. Leider lässt sich Idee nicht umsetzen, Thüringen die Mittel des Finanzausgleichs zu streichen, denn darauf hat das Land einen grundgesetzlichen Anspruch.

Aber eines ist klar: Die Thüringer haben eine Wahl getroffen, deren Konsequenzen sie am eigenen Leibe spüren sollten. Vermutlich wird das in der Zunahme der Arbeitslosigkeit zu spüren sein, weil Unternehmen das Land verlassen oder auch in der Kürzung von Hilfen des Bundes und der EU bei Infrastrukturmaßnahmen. Oder wir erleben eine Regierung, deren Unfähigkeit und Chaoshaftigkeit von Anbeginn an nicht zu übersehen sein wird. Alles in einem: es bleibt eine traurige Geschichte.