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Kommentar: Politiker-Hacking und Anschläge - Das Jahr der Verunsicherung

Auf das AfD-Bürgerbüro in Döbeln wurde ein Sprengstoffanschlag verübt (Bild: dpa)
Auf das AfD-Bürgerbüro in Döbeln wurde ein Sprengstoffanschlag verübt (Bild: dpa)

Zahllose Daten von Politikern landen im Netz und auf ein AfD-Büro wird ein Anschlag verübt. Die Gemeinsamkeit? Wir sollen verunsichert werden.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Wenn die Politik an einen alten Krimi erinnert, dann wächst leider die Erkenntnis, dass sich das Leben eben doch nicht in einem gemütlichen Sessel am Kamin abspielt. Meistens fehlt es an einem Kamin, und ab und zu müssen Konto und Kühlschrank gefüllt werden.

Was derzeit die politische Agenda bestimmt, ist meinem Empfinden nach ein wenig zu viel Spannung und Aufgeregtheit: Da werden Abertausende von Daten online gestellt, und zwar von Politikern aller im Bundestag vertretenen Parteien, bis in Verästelungen auf Länderebene hinein – außer der AfD.

Das klingt nach einem schlechten Scherz, nach hohem Verschwörungspotenzial und sieht aus wie ein Wink mit dem sprichwörtlichen Zaunpfahl. Noch ist die Urheberschaft unklar, es können auch die Ergebnisse von mehreren Hackingaktionen unterschiedlicher Täter sein. Bekannt ist, dass der Bundestag vor einiger Zeit einer Spionageattacke zum Opfer fiel, hinter der eine Gruppe vermutet wird, die zu den Interneteinheiten des russischen Militärgeheimdienstes G.R.U. gehört.

Und die Wortwahl im Rahmen der veröffentlichten Dokumente weist daraufhin, dass es sich um Publizierende mit eher rechtem Gedankengut handelt: Da ist die Rede von “Muselmanen”, und das CDU-Parteilogo wird derart verfremdet, dass es an die Fahne der Türkei erinnert.

Es soll Sand ins Getriebe

Bleibt die Frage, warum Politiker der AfD von dieser Bloßstellung verschont worden sind. Vielleicht, weil die Daten oft älteren Ursprungs sind und die Partei erst vor über einem Jahr in den Bundestag eingezogen ist. Auch ist möglich, dass die rechtspopulistische Partei in das Fahrwasser illegaler Aktionen gezogen werden soll. Und ebenfalls ist möglich, dass die Täter die Gedankenwelt der AfD teilen.

Sicherlich nicht unrealistisch ist das Szenario, dass russische Geheimdienste hinter der Aktion stecken; ebenfalls bekannt ist, dass der Kreml rechtspopulistische Parteien in Europa durchaus wohlwollend betrachtet. Man teilt den Hang zum Autokratischen und Nationalen.

Doch all dies ist reine Spekulation. Bis zu diesem Zeitpunkt wissen wir lediglich, dass wir nichts Genaues wissen.

Die geleakten Daten sind zumeist banal, sorgen aber dennoch für Verunsicherung (Bild: dpa)
Die geleakten Daten sind zumeist banal, sorgen aber dennoch für Verunsicherung (Bild: dpa)

Und genau darin liegt eine enorme Herausforderung. Wer immer dieses digitale Chaos legte, will damit allgemeine Verunsicherung erreichen. Er will Stoff für Verschwörungen liefern, denn “Dokumente”, die “geleakt” worden sind, tragen in sich den Hauch des Geheimnisvollen, auch wenn die Inhalte blankbanal sein mögen.

Was jetzt online gestellt worden ist, mag Alltagskram sein. Wer indes überall Zusammenhänge konstruieren will, der wird in diesen Dokumenten dankbar Inspiration erkennen. Denn Verschwörungsfanatiker können ihre vermeintlichen Informationen auch aus Kreuzworträtseln und Asterix-Comics speisen. Daher ist nun Gelassenheit bei aller nötigen Achtsamkeit vonnöten. Und nicht jeder Karren eignet sich als Gespann.

Wohin Gewalt führt

Eine jedenfalls grundfalsche Aktion ist ein Anschlag gewesen, dem das Parteibüro der AfD in Döbeln zum Opfer fiel. Am Donnerstagabend ist es dort zu einer Explosion gekommen, die so heftig war, dass es zu Schäden an der Tür und am Fenster kam – und das auch bei den Nachbarhäusern. Die Detonation hätte Menschen ernsthaft verletzen können. Wer immer dies tat, hat verabscheuungswürdig gehandelt.

Gewalt ist unmoralisch, es sei denn, sie sei letztmögliche Wahl zur Verhinderung von noch Schlimmerem. Dies war in Döbeln gewiss nicht der Fall. Im Gegenteil: In einer Phase, in der in Deutschland um Ruhe und Versachlichung gerungen wird, ist solch ein Anschlag nur Wasser auf die Mühlen jener, die sich gern als Opfer hinstellen. Und ja, AfD-Politiker sind auch Opfer. Natürlich hetzen sie, grenzen aus, schüren Hass und auch Verfolgungen anderer. Aber auch sie werden manchmal verfolgt, es gibt Gewaltanschläge auf ihre Einrichtungen, sie werden gemieden und gemobbt.

Der Anschlag in Döbeln hätte noch weitaus gravierendere Folgen haben können (Bild: dpa)
Der Anschlag in Döbeln hätte noch weitaus gravierendere Folgen haben können (Bild: dpa)

Dabei unterliegt diese Art der “Kritik” an der AfD einem Grundirrtum: Nicht die Menschen in der AfD sind das Problem, sondern die Ideologien, die sie verbreiten. Nicht die Menschen dürfen ausgegrenzt werden, sondern die moralischen Fragwürdigkeiten ihrer Parolen sollten klargestellt werden. Dazu braucht es keine Gewalt. Je mehr Gewalt AfD-Politiker erfahren, auch wenn sie lächerlich gering ist im Vergleich zu dem, was Opfer rechter Gewalt erleiden, umso mehr sehen diese sich in ihrem Kurs bestätigt, relativieren die Opfer rechter Gewalt und verhärten innerlich weiter.

Was wir jetzt brauchen, ist im Grunde die Unterscheidung zwischen Härte und Haltung. Letzteres ist gefragt. Oder wie ein altes Indianersprichwort sagt: Starre Äste brechen im Sturm.