Kommentar von Professor Guy Katz - Freiheit um jeden Preis? Warum Israel sich nicht von der Hamas erpressen lassen darf

19.08.2024, Israel, Tel Aviv: Israelis protestieren in der Nähe des Hotels, in dem US-Außenminister Blinken wohnt, während seines Besuchs beim israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu und der Führung über ein Abkommen zur Beendigung des Gaza-Kriegs und zur Befreiung der von der Hamas am 7. Oktober gefangen genommenen Geiseln.<span class="copyright">Ohad Zwigenberg/AP/dpa</span>

Der aktuelle Konflikt in Israel spaltet das Land tief: Sollten Geiseln um jeden Preis befreit werden? Während viele auf schnelle Lösungen drängen, warnen Kritiker vor langfristigen Risiken: Eine Übereinkunft mit der Hamas könnte Israels Sicherheit gefährden und den Terror stärken.

Seit dem Beginn der jüngsten Auseinandersetzungen in Israel hat sich das Land in einer anhaltenden und intensiven Kriegsphase wiedergefunden. Die Fronten sind klar, doch die Meinungen über den besten Weg, diesen Konflikt zu beenden, sind alles andere als einheitlich. Insbesondere der Diskurs über mögliche Deals mit der Hamas ist geprägt von tiefen Meinungsverschiedenheiten, die bis in die Mitte der israelischen Gesellschaft reichen.

Der Hintergrund des Konflikts

Der derzeitige Konflikt begann als Reaktion auf den Angriffe der Hamas am 7. Oktober 2023. Die israelische Armee wurde mobilisiert, um die Bedrohung an der Grenze zu Gaza einzudämmen und die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. In diesem Kontext haben viele Reservisten in verschiedenen Einsätzen gedient, von den Höhen des Hermon gegenüber der Hisbollah bis zu den intensiven Kämpfen im nördlichen Gaza-Streifen.

Einigkeit im Krieg, Spaltung im Diskurs

Während des Krieges zeigt sich die Stärke und Einheit der israelischen Gesellschaft. Unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung stehen die Soldaten und Zivilisten zusammen, um die gemeinsame Bedrohung zu bekämpfen. Doch jenseits des Schlachtfeldes spaltet die Frage nach dem richtigen Umgang mit der Hamas die Gesellschaft.

Es gibt eine weit verbreitete Meinung, dass jede Anstrengung unternommen werden muss, um die Geiseln sicher nach Hause zu bringen. Doch es gibt auch eine unpopuläre Meinung, die warnt, dass der Preis für ihre Freilassung zu hoch sein könnte. Diese Stimmen plädieren nicht gegen die Befreiung der Geiseln, sondern dafür, dass diese nicht um den Preis langfristiger nationaler Sicherheit erfolgen sollte.

Die Geschichte wiederholt sich?

Einige historische Präzedenzfälle zeigen, dass vergangene Deals mit der Freilassung von Terroristen oft zu weiteren Wellen der Gewalt führten. So wurde beispielsweise in der „Jibril-Übereinkunft“ ca. tausend Terroristen freigelassen, was direkt zur ersten Intifada führte, bei der hunderte von Israelis ihr Leben verloren. Auch der Deal für Gilad Shalit, bei dem über tausend Terroristen freigelassen wurden, führte letztlich zu einer Eskalation der Gewalt, die in den aktuellen Konflikt mündete. Einer der Freigelassenen, Yahya Sinwar, wurde später zum Architekten des verheerenden Angriffs vom 7. Oktober.

Die Sorge ist, dass eine erneute Übereinkunft, die den Rückzug Israels und die Wiederbewaffnung der Hamas ermöglicht, langfristig mehr Leid über Israel bringen könnte. Jede Verhandlung, die der Hamas erlaubt, sich militärisch neu zu formieren und strategische Positionen zurückzugewinnen, gefährdet die Zukunft des jüdischen Staates. Diese Meinung mag unpopulär sein, doch sie erinnert daran, dass Israel der Hamas nicht nachgeben darf, ohne die langfristigen Konsequenzen für die nationale Sicherheit zu bedenken.

Eine schwierige Diskussion in einer gespaltenen Gesellschaft

Der Diskurs über diese Themen ist in Israel äußerst polarisiert. Kritiker des Deals sehen sich oft harschen Angriffen ausgesetzt und werden als herzlos oder gar als Verräter bezeichnet. Diese Polarisierung schadet dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und erschwert eine offene Diskussion über die besten Wege zur Konfliktlösung.

Besonders schwer wiegt die Kritik, die Familien der Geiseln zu Zielscheiben von Angriffen macht. Solche Angriffe sind scharf zu verurteilen, denn die betroffenen Familien durchleben unvorstellbares Leid. Gerade jetzt brauchen sie die Gesellschaft auf ihrer Seite, nicht gegen sich.

Fazit: Der Preis des Friedens

Die Frage, wie weit Israel gehen sollte, um Geiseln zu befreien, ist eine der komplexesten und emotionalsten, die das Land derzeit bewegt. Während die Sehnsucht nach Frieden und Sicherheit tief in der israelischen Gesellschaft verankert ist, darf der Preis dafür nicht blindlings akzeptiert werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Gesellschaft in Israel einen Weg findet, diese schwierigen Fragen mit der notwendigen Reife und dem Respekt zu diskutieren, den sie verdienen.