Kommentar von Professor Guy Katz - Nach dem Vorfall in München: So sicher ist jüdisches Leben in Deutschland wirklich
Der jüngste Vorfall in München, bei dem ein mutmaßlicher Islamist vor dem israelischen Generalkonsulat erschossen wurde, wirft erneut ein Schlaglicht auf die wachsende Bedrohung für jüdisches Leben in Deutschland. Islamismus und linke Strömungen verstärken den Druck, rechte Gefahr bleibt latent.
Bedrohungslage jüdischen Lebens in Deutschland: Ein Weckruf nach dem Vorfall in München
Am 5. September 2024 ereignete sich in München ein beunruhigender Vorfall, bei dem ein 18-jähriger Islamist aus Österreich, bewaffnet mit einer Langwaffe, vor dem NS-Dokumentationszentrum erschossen wurde. Die Polizei vermutet einen geplanten Anschlag in der Nähe des israelischen Generalkonsulats. Dieser Vorfall ist der jüngste in einer Reihe von Ereignissen, die die zunehmende Bedrohung für jüdisches Leben in Deutschland verdeutlichen.
Jüdisches Leben unter ständiger Bedrohung
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, zeigte sich schockiert über den Angriff in München und machte deutlich, dass sich die jüdische Gemeinschaft in einem „dauerhaften Zustand der Anspannung und Bedrohung“ befindet. Der Vorfall in München sowie der Angriff in Solingen, bei dem vor Kurzem drei Menschen von einem islamistischen Attentäter ermordet wurden, unterstreichen die akute Gefahr, die vor allem von islamistischen Extremisten ausgeht.
Der Täter von München war bereits 2023 in Österreich wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angezeigt worden. Allerdings wurde das Verfahren eingestellt. Dieser Fall zeigt auf alarmierende Weise, dass radikalisierte Personen häufig zu spät oder gar nicht gestoppt werden, was die Sicherheitsbehörden in Deutschland und Europa vor eine große Herausforderung stellt.
Die Bedrohung kommt von mehreren Seiten
Aktuell sehen viele Juden die größten Bedrohungen durch den Islamismus und den linken Antisemitismus. Letzterer tritt oft als radikale Israelkritik auf, die über legitime Kritik hinausgeht und in Antisemitismus mündet. Linksextreme Gruppen und Protestcamps an Universitäten schaffen dabei oft eine Atmosphäre, in der Hass auf Juden, maskiert als „Kritik an Israel“, gedeiht.
Auch wenn die rechte Bedrohung derzeit weniger sichtbar ist, bleibt sie latent. Antisemitismus hat tiefe Wurzeln in rechtsextremen Ideologien. Die AfD verzeichnet in Ostdeutschland zunehmende Wahlerfolge, und obwohl einige behaupten, die Partei sei aktuell nicht gegen Juden gerichtet, ist es unbestritten, dass prominente Parteifiguren wie Björn Höcke immer wieder antisemitische Positionen vertreten. Es stellt sich die Frage, wie lange diese Ruhe andauert und welche Gefahren in Zukunft auch von rechts zu erwarten sind.
Ein Vergleich: Der „Mäusekampf“
Die politische Lage in Deutschland lässt sich mit einem „Mäusekampf“ vergleichen: Stellen wir uns vor, unser Haus wird von Mäusen befallen. Zunächst hören wir nur ein leises Kratzen, eine subtile Bedrohung. Wir reagieren, indem wir Fallen aufstellen oder Löcher stopfen – Maßnahmen, die nicht immer ausreichen. Es wächst der Frust, und man könnte versucht sein, das ganze Haus niederzubrennen, um das Problem ein für alle Mal zu lösen. Doch diese Radikallösung zerstört am Ende unser Zuhause.
Dieser Vergleich trifft auch auf die aktuelle politische Entwicklung zu. Die Bedrohung durch Extremismus – insbesondere durch den Islamismus und den linken Antisemitismus – führt zu einer wachsenden Frustration in der Gesellschaft. Extremistische Parteien bieten einfache, radikale Lösungen an, die auf den ersten Blick verlockend erscheinen. Doch diese „Feuerleger“ zerstören langfristig die Grundpfeiler unserer Demokratie und gesellschaftlichen Ordnung. Sie bieten keine Lösungen, sondern verstärken nur den Hass.
Es wäre ein fataler Fehler, den Problemen mit Radikallösungen zu begegnen und dabei das demokratische Haus zu zerstören. Es ist entscheidend, den Kampf gegen jeden Extremismus mit Bedacht, aber entschlossen zu führen, ohne dabei die Grundwerte der Demokratie zu gefährden.
Die Reaktion der Politik und der Sicherheitsbehörden
Die bayerische Polizei hat in München schnell und entschlossen gehandelt, was Schlimmeres verhinderte. Jüdische Einrichtungen in der Stadt wurden unmittelbar geschützt, und Ministerpräsident Markus Söder gab ein „Schutzversprechen“ für jüdische Mitbürger ab. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht in engem Kontakt mit Israels Präsident Izchak Herzog. Doch die drängende Frage bleibt: Warum konnte es überhaupt so weit kommen?
Es reicht nicht, nur auf Vorfälle zu reagieren. Der Vorfall in München zeigt, dass die Sicherheitsbehörden verstärkt zusammenarbeiten müssen, um Bedrohungen frühzeitig zu erkennen. Besonders wichtig ist dies im internationalen Kontext, da der Täter bereits in Österreich aufgefallen war. Die Verhinderung solcher Taten erfordert eine engere und effektivere Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden Europas.
Was muss getan werden?
Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland lebt in ständiger Angst vor Angriffen. Es ist dringend erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, die das jüdische Leben hier sicherer machen. Dazu gehören:
1. Strengere Gesetze und Sicherheitsvorkehrungen: Jüdische Einrichtungen müssen rund um die Uhr geschützt werden. Die Gesetzgebung muss so verschärft werden, dass die Verbreitung extremistischer Inhalte und die Mitgliedschaft in terroristischen Vereinigungen konsequent verfolgt werden.
2. Kooperation der Sicherheitsbehörden: Der Austausch von Informationen zwischen den Sicherheitsbehörden verschiedener Länder muss verbessert werden. Der Fall des Täters aus Österreich zeigt, wie wichtig eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist.
3. Präventionsarbeit in der Gesellschaft: Extremismus jeglicher Art muss frühzeitig erkannt und bekämpft werden. Schulen, Universitäten und soziale Medien spielen eine entscheidende Rolle, um Radikalisierung zu verhindern. Präventionsprogramme müssen intensiviert werden, um vor allem junge Menschen vor extremistischer Propaganda zu schützen.
4. Solidarität der Gesellschaft: Nicht nur die Politik, sondern auch die Zivilgesellschaft muss sich stärker gegen Antisemitismus und Extremismus positionieren. Die muslimische Gemeinschaft in Deutschland kann eine Schlüsselrolle spielen, indem sie sich klar von islamistischem Extremismus distanziert und aktiv am Kampf gegen Radikalisierung mitwirkt.
Die Rolle der muslimischen Gemeinschaften
Ein weiteres zentrales Thema ist die Rolle der muslimischen Gemeinschaften in Deutschland. Die überwältigende Mehrheit der Muslime in Deutschland distanziert sich klar von extremistischer Gewalt, dennoch ist ihre Stimme in der öffentlichen Debatte häufig zu leise. Hier sind klare, laute Signale gefragt. Muslimische Verbände und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sollten sich deutlicher und sichtbarer gegen den islamistischen Extremismus positionieren, um zu zeigen, dass dieser keine Unterstützung in den breiten muslimischen Gemeinschaften findet.
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Das gefährliche Schweigen: Wo bleiben die Stimmen gegen Antisemitismus?
Auch wenn Extremisten noch in der Minderheit sind, gilt das ebenso für diejenigen, die sich aktiv für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus einsetzen. Das größere Problem liegt im Schweigen der breiten Masse, auch in akademischen Kreisen. Universitäten und Professoren schweigen oft zu antisemitischen „Protestcamps“, die unter dem Deckmantel der freien Meinungsäußerung und durch Gerichtsbeschlüsse antisemitische Propaganda verbreiten. Diese Stille ist besonders erschreckend, wenn man bedenkt, dass zu wenige Menschen auf die Straße gehen, um gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens zu demonstrieren. Solche Protestcamps fördern eine feindselige Atmosphäre, die Juden und Israel gezielt angreift, während das Schweigen der Gesellschaft signalisiert, dass dieser Hass toleriert wird. Es ist an der Zeit, dass mehr Menschen den Mut finden, ihre Stimme zu erheben, bevor der Extremismus weiter an Boden gewinnt.
Ein Weckruf für die deutsche Politik
Es darf nicht die AfD sein, die als einzige politische Kraft auf die Bedrohungen reagiert. Wenn die etablierten demokratischen Parteien – SPD, CDU, FDP, Grüne und CSU – nicht entschlossener handeln, könnte dies das politische Klima weiter polarisieren und Extremisten stärken. Dabei geht es nicht nur um kurzfristige Lösungen, sondern um den langfristigen Schutz jüdischen Lebens in Deutschland.
Die Gefahr ist real, doch einfache Antworten, wie sie von extremistischen Parteien angeboten werden, sind keine Lösung. Die politische und gesellschaftliche Herausforderung besteht darin, differenzierte Strategien zu entwickeln, um die Bedrohungen zu bekämpfen, ohne die demokratischen Werte zu gefährden.
Der Vorfall in München sollte als Weckruf verstanden werden. Nur durch schnelles und entschlossenes Handeln können wir sicherstellen, dass jüdisches Leben in Deutschland auch in Zukunft in Sicherheit ist.