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Kommentar: Rudi Völler gendert nicht – schon wieder eine Info, nach der man nicht fragte

Rudi Völler muss man nicht vorstellen. Das neue Amt als DFB-Sportdirektor ist nur ein Kapitel in seiner tollen Fußballsaga. Da muss er nicht mehr viel erklären. Warum er dann in einem Interview plötzlich übers Gendern spricht, bleibt ein Rätsel.

DFB-Sportdirektor Rudi Völler bei einer Pressekonferenz im Januar (Bild: REUTERS/Heiko Becker)
DFB-Sportdirektor Rudi Völler bei einer Pressekonferenz im Januar. (Bild: REUTERS/Heiko Becker)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Warum Rudi Völler bei vielen Menschen einfach ein gutes Gefühl auslöst, ist schnell, aber langatmig zu erklären. Er kickte wunderbar, ist ehrlich und wenig furchtsam, eben Charakterkopf. Er redet nicht um heiße Breie herum, sucht die Augenhöhe. Solch einen will man als Nachbarn haben. Außerdem war er mal bei Werder.

Richtig in Plauderlaune war Völler neulich bei einem Interview mit der "Frankfurter Rundschau". Da verschanzte er sich kaum wie nicht wenige andere Fußballfunktionäre und -spieler hinter Wortstanzen und hohlen Phrasen, eben frei Schnauze.

Das aufgezeichnete Gespräch liest man gern (Völler!), aber bei einer Stelle kam ich ins Stolpern.

Völler: "Gendern ist nicht mein Ding"

Da fragte ihn der Reporter, ob er Soziale Medien nutzen wolle, um Menschen anzusprechen, die dort unterwegs sind. Völler, 62, antwortete: "Nein. Das können meine Kinder gern tun. Ich aber nicht. Ich werde übrigens auch nicht gendern. Gendern ist nicht mein Ding."

Zuerst dachte ich, ich hätte mich verlesen. Wie kam er nochmal aufs Gendern? Hatte der Journalist doch gar nicht erfragt. Und Völler mag es gern als sein Recht ansehen, im Gendern neumodischen Kram zu sehen wie in Facebook, Twitter & Co. Er kann auch gern nicht gendern. Aber warum so mitteilsam?

Völler scheint das Thema zu interessieren. Er schob gleich hinterher: "Ihr Journalisten müsst das ja tun, oder?"

Der Reporter antwortete: "Ja, bei uns in der Redaktion schon."

Daraufhin Völler: "Also, ich habe da meine klare Meinung. Ich komme aus der Brüder-Grimm-Stadt. Es ist ja bekannt, dass Wilhelm und Jacob Grimm nicht nur Märchen gesammelt und erzählt, sondern die deutsche Sprache mitgestaltet haben und sogar noch geschliffen. Deshalb kann ich als Hanauer mit voller Überzeugung sagen, dass ich an der alten Schreibweise festhalten werde."

Was war da los?

Wie Völler auf die Idee kommt, dass "wir Journalisten" gendern müssen, verstehe ich nicht. Ein Blick in die papierne und digitale Zeitungslandschaft zeigt mir keine Berge aus Gendern. Die meisten Journalisten machen es nicht. Ob ich zum Beispiel gendere oder nicht, lässt sich unschwer aus meinen Texten herauslesen. Aber deswegen muss man ja nicht gleich eine Pressekonferenz geben. Glaube auch weniger, dass in der "Frankfurter Rundschau" so fleißig gegendert wird.

Übrigens ist Völlers Verweis auf die Brüder Grimm seiner Heimatstadt nachvollziehbar, obwohl er sie einfach mal nonchalant in Geiselhaft nimmt: Was wissen wir, was die Grimms heutzutage täten? Die beiden waren Sprachexperten, und sie wussten genaustens, dass Sprache nie in Stein gemeißelt ist, dass sie lebt und sich daher auch wandelt, verändert. Eine Entwicklung zum Gendern ist so gesehen ganz bestimmt keine Quadratur des Kreises, es kann eine natürliche Entwicklung geben. Jedenfalls begriffen die Grimms Sprache gewiss nicht als Heiligen Gral, der nicht anzufassen sei. Aber sei’s drum.

Ich verstehe Völlers Offensivdrang bei diesem Thema nicht. Allein in diesem Interview sagt er zum Beispiel "zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Es gibt ja auch noch ein paar andere Themen" – als es um Diversität und Menschenrechte geht. Oder über die Regenbogentrikots des VfB Stuttgart: "Man kann das machen, alles zu seiner Zeit." Und zur Kapitänsbinde: "Da hätte man früher einen Schlussstrich ziehen" müssen. Schließlich zu Kabinenansprachen: "Das ist ein sensibles Thema. Da muss man als Sportdirektor oder Geschäftsführer schon Grenzen einhalten."

Pardon: Wenn Völler so vielen Themen im Gespräch den Wind aus den Segeln nimmt, warum gibt er dann beim Gendern unvermittelt Vollgas? Seine Äußerungen fallen bei mir unter die Kategorie von Informationen, nach denen ich nicht gefragt habe. Too much information.

Völler ist keiner, der einem nach dem Mund redet. Aber er reibt sich da an einem Thema, das nicht wirklich die Republik trennt.

Freiheit, die ich meine

Die einen gendern, die anderen nicht. Keine Sprachpolizei patrouilliert Deutschlands Straßen und achtet auf jene beschworene "Political Correctness", die dann vor allem von Rechtskonservativen vehement abgelehnt wird. Mich erinnert das an Don Quichote und seinen Ritt gegen Windmühlen.

Klar, an den Universitäten wird übers Gendern gestritten, und das oft auf eine ungute Art. Wenn Studenten Punktabzüge in Klausuren kriegen, weil sie nicht gendern, ist das ein Unding. Und andersrum ist es auch eine Frechheit, wenn gendernde Studenten dafür Fehler angestrichen bekommen. Aber zum Glück sieht es derzeit danach aus, dass dieses Ringen auf dem Campus bleibt.

Im Rest des Landes bleibt es den Menschen überlassen, wie sie es mit geschlechtergerechter Sprache halten. Manche probieren es, hin und wieder, andere gendern konsequent oder eben auch nicht. Die natürliche Entwicklung der deutschen Sprache wird ihren Gang gehen. Und in einigen Jahrzehnten wird man sehen, ob und in welchem Ausmaß gegendert wird.

Gibt es nicht andere Probleme - auch im Fußball?

Ich habe nur den Verdacht, dass sich die heutigen Gendersprachfeinde Gegner aufbauen, die es nicht gibt. In der CDU und erst recht in der AfD wird übers Gendern gepoltert, als handele es sich um eine ansteckende Krankheit, als würde daran ein Exempel statuiert, nach dem Motto: Wehret den Anfängen.

Das ist schlicht überzogen. Wir haben andere Probleme im Land. Viel mehr würde mich bei Völler interessieren, wie er es mit Aktionen des Fußballs für Diversität und Menschenrechte konkret hält. Da kann gern Butter bei die Fische.

Er wird dann noch gefragt: "Die Stoßrichtung hinter dem Gendern ist okay?" Und Völler meint: "Jeder soll machen, was er will. Das akzeptiere ich natürlich. Aber ich mache nicht jeden Trend mit, das sollte man auch mir zugestehen." Jo, das geht klar. Und ansonsten?

Im Video: Rudi Völler teilt gegen Gendern und "Klimakleber" aus