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Kommentar: Sahra Wagenknecht setzt sich hin

Sarah Wagenknecht möchte im Herbst nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der Linkspartei kandidieren. (Bild: Britta Pedersen/ZB/dpa)
Sarah Wagenknecht möchte im Herbst nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der Linkspartei kandidieren. (Bild: Britta Pedersen/ZB/dpa)

Die Fraktionschefin der Linken zieht sich aus gesundheitlichen Gründen zurück. Die Reaktionen darauf sind meist übertrieben.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Natürlich ist dies ein Erdbeben für die Linke. Aber der Rückzug von Sahra Wagenknecht bedeutet auf der politischen Richter-Skala nur eines der ungefährlichen Art: Zum Einsturz wird nichts gebracht, nicht einmal die von ihr initiierte „Aufstehen“-Bewegung – zum einen, weil sie von einem Raketenstart weit entfernt ist, und zum anderen, weil die Idee einer Sammelbewegung weiter fort bestehen bleibt. Das Potenzial dazu gibt es allemal.

Linke-Fraktionsvorsitzende: Wagenknecht kandidiert nicht mehr

Wagenknecht hat sich für einen geordneten Übergang entschieden. Im Herbst will sie nicht noch einmal zur Wahl der Fraktionschefin antreten, das gibt der Partei Zeit sich neu zu sortieren. Wagenknecht ist zweifellos ein unabhängiger Kopf, streitbar und kaum konsensinteressiert, aber ihr Rückzugsmanagement zeugt von großem Interesse am Wohl der Linken.

Tribut des Stresses

Sie sagt, sie habe sich übernommen, der Körper leistete Widerstand. Die Reaktionen auf ihren Rückzug erscheinen reichlich übertrieben. Die einen malen sie als Ikone einer Idee und Bewegung, die beidem Geist einhaucht. Die anderen sehen in ihr zwar auch einen Geist, aber einen schlechten und zeigen ihre Erleichterung nun offen, in den Sozialen Medien wabert gar Häme. Schließlich wanderte Wagenknecht los und versuchte sich in einer Art linkem Nationalismus, mit einer großen Akzeptanz für die angeblichen Sorgen der angeblich besorgten Bürger und ihren Vorstellungen von einem Land, das in einer Mono-Schleife festhängt. Wie viel davon ihrer eigenen Ideologie entspringt und wie viel Taktik ist, wird man wohl nie erfahren. Natürlich ist Wagenknecht davon überzeugt, der AfD die Wutbürger wegnehmen zu können. Dass diese dann zu braven und empathischen Revolutionären mutieren, konnte sie indes bisher nicht überzeugend darlegen.

„Aufstehen“ war für Wagenknecht eine doppelte Perspektive. Zum einen ging es ihr immer darum, irgendwann damit bei Wahlen anzutreten und anderen Parteien Stimmen abzujagen, um dann das linke Spektrum zu vereinen. Andererseits versuchte sie „Aufstehen“ als innerparteiliches Druckmittel aufzubauen, nach dem Motto: Und schwenkt ihr nicht auf meinen linksnationalen Kurs, zeig ich euch meine Waffen. Nun hat sich vorerst erwiesen, dass mit „Aufstehen“ eher heiße Luft zu produzieren war. Eine Bewegung ist es nicht. Der Laden war eine Kopfgeburt, die Kontrolle blieb bei Wagenknecht und ihrem Ehemann Oskar Lafontaine und scheiterte allein dadurch im Spagat, eine Bewegung von unten zu werden. Wagenknecht hat dies erkannt und die Reißleine gezogen.

Eine Neuorientierung steht an

Vielleicht aber verhilft sie „Aufstehen“ dadurch zu Wind unter den Flügeln. Klar, sie ist Reizfigur, und nicht wenige begeistern sich für „Aufstehen“ nur wegen ihr: Aber Wagenknechts Präsenz hinterlässt nicht nur ein Vakuum, sondern auch die Chance diesen Platz nun tatsächlich von unten zu füllen. Die Idee zu einer Protestbewegung von links existierte schon vor Wagenknecht. Und es wird sie weiterhin geben.

Nun kann „Aufstehen“, oder was immer daraus entsteht, ein wenig nachdenken: Ist es gut, sich Gedanken hinzugeben, die sich mal „sorgenvoll“ geben, dann als „fremdenskeptisch“ etikettiert werden, aber schließlich nichts anderes als menschenfeindlicher Rassismus bleiben? Tut mir leid, das R-Wort reizt sehr, aber hier ist nun mal sein Platz. Eine linke Sammlungsbewegung wird nur Zukunftschancen haben, wenn sie sich auf ihre Stärken besinnt: Und das, was gemeinhin als „Solidarität“ besungen wird, ist schlicht Menschenfreundlichkeit.

Wagenknecht wird sich hoffentlich auch weiterhin einmischen. Ihre Wortmeldungen bringen zum Nachdenken, sie lädt zu frischem Blick ein. Verantwortung und Organisieren können auch andere.

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