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Kommentar: Sandro Wagner, zieh den Bademantel an!

Selfie mit Fan: Sandro Wagner als Bundesligaprofi 2018 vor einem Pokalspiel (Bild: REUTERS/Wolfgang Rattay)
Selfie mit Fan: Sandro Wagner als Bundesligaprofi 2018 vor einem Pokalspiel (Bild: REUTERS/Wolfgang Rattay)

Der Ex-Fußballer kommentiert im TV die WM. Da wollte er mal witzig sein. Beleidigte eine ganze Kultur wegen ihrer Kleidung und lutschte sich ein lässiges Sorry raus. Diesen Rassismus kann er stecken lassen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Lockeres Mundwerk und Drang zum Tor gehören zu den Qualitäten von Sandro Wagner. Auch als Experte im Fernsehen hat er nun einen Treffer gelandet, aber bejubeln kann er den nicht.

Beim Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die spanische war er Co-Kommentator, und da fiel ihm ein: „Fans sind auch wieder da. Habe auch schon ein paar Deutschlandfans gesehen, die lautstark anfeuern. Vorhin habe ich gedacht, die ganze Kurve ist Deutschland, voller Deutschland Fans. Dann habe ich erst gemerkt, das sind die katarischen Bademäntel.“

Wagner meinte das Thaub, auch Dischdascha genannt, aber das sollte er nicht wissen, sonst denkt er sich dazu auch Lustiges aus. Es handelt sich um die meist weißen Gewänder, die vor allem auf der Arabischen Halbinsel gern von Männern getragen werden. Sie entsprechen unserem Anzug, sind aber gemütlicher. Und gegen die Hitze eignen sie sich auch. Für Wagner waren es Bademäntel.

Jetzt höre ich gleich die Rufe: Hör doch auf, du olle Spaßbremse. Man wird doch mal jemanden durch den Kakao ziehen können, war doch lustig gemeint. Oder: Man darf ja gar nix mehr sagen, da kommt gleich die Zensur, die Wortpolizei…

…nichts kommt. Aber die Peinlichkeit, die sich Wagner geleistet hat, bleibt ganz allein bei ihm. Denn natürlich verbietet ihm nun keiner den Mund, warum auch? Aber Wagner kann es drehen und wenden, wie er will: Er hat sich einen rassistischen Spruch gegönnt, und das war daneben. Punkt.

Nicht den Gürtel vergessen

Kurz zusammengefasst: Aus „Fans“ macht Wagner „Bademäntel“, also aus Menschen Dinge. Und ein Bademantel ist ein gemütliches Zeug, etwas für den Feierabend, oder für Müßiggänger. Jedenfalls verstehe ich bei größter Kraftanstrengung nicht, wie man Gewänder lustig finden kann. Wagner ist doch in Katar, da wird er das eine oder andere gesehen haben. Das ist Kultur und Tradition. Und in etwa so, wie wenn ein Golfaraber nach Deutschland kommt, Männer in Anzügen mit Krawatte sieht und im Fernsehen trollt: Ich seh nur Schraubstöcke. Worüber man sich lustig machen könnte: über seinen Schnurrbart, oder seinen Porsche. Oder auch nicht. Jedenfalls wäre es persönlich. Wagner aber nahm sich eine Gruppe vor, er steckte sie in eine Schublade und schob sie rein. So funktioniert Rassismus. Man macht sich lächerlich über Andere als zwangsverhaftete Mitglieder einer ausgemachten Gruppe, und natürlich ist man selber cooler als die, läuft gewiss nicht im Bademantel rum.

Seine „Entschuldigung“ für den Spruch, wie es andere Medien beschrieben, war nicht wirklich eine: Wagner zu „Bild“: „Es war ein unüberlegter Spruch mit einer unpassenden Bemerkung, die ich mir hätte sparen können. Wenn sich jemand angegriffen gefühlt hat - sorry, das war 0,0 meine Absicht.“ Erstens: Die Absicht ist egal, denn gesagt ist gesagt. Zweitens: Nicht „hätte sparen können“, sondern „nicht sagen sollen“ hätte wie eine Entschuldigung geklungen. Und drittens ist ein „sorry“ ein lässiges Wort in einem ernsten Kontext, sodass es nur Desinteresse ausdrückt. Und viertens: „Unüberlegt“ oder rausgerutscht macht es auch nicht besser. Denn viel eher liegt der Verdacht nahe, dass da einer sagt, was er denkt.

Die Erklärung seines Arbeitgebers ist ähnlich verdruckst: „Sandro Wagners Aussage über den Thawb ist leider in einer emotionalen Phase des Spiels passiert. Das darf es nicht. Wir werden das besprechen.“ Aha. Emotionale Phase. Seine Äußerung wäre nicht schlimmer, würde er sie cold blood raushauen, wenn er vom Klo kommt.

Worum geht es?

Das mit dem Entschuldigen ist eine schwere Sache. Im deutschen Straßenverkehr gilt es auch als gute Sitte, nach einem Fehler instinktiv wegzuschauen. Echt anstrengend, für alle Seiten. Aber niemand ist perfekt.

Bei dieser WM gibt es wirklich eine Menge zu kritisieren: Die Korruption des Ausrichtungskaufs, die Menschenrechtsverletzungen im Land, der Versuch der Aufhübschung durch die Pille. Es geht bei manchen Kritiken aber ins menschenfeindliche hinein: Da wird darüber gebrüllt, das irgendwo kein Bier ausgeschenkt werden darf – wobei der Skandal nicht das ist, sondern das hin und her zwischen erlauben und verbieten; wie ein Land mit Drogenkonsum umgeht, ist seine Sache. Oder wenn katarische Zuschauer die Stadien verlassen, wird gleich über mangelndes Interesse philosophiert; dabei mögen die Gründe ganz naheliegend sein, vielleicht der Ruf zum Gebet, oder Angst vorm Stau – jedenfalls sind solche Gründe privat und dienen nicht zur externen Bewertung.

Wagner könnte es gutmachen. Indem er beim nächsten Spiel im Bademantel co-kommentiert. Das wäre cool.

VIDEO: Sandro Wagner hat auf seinen TV-Aufreger reagiert und sich entschuldigt