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Kommentar: In Schloss Meseberg kommen die Kettenhunde an die Leine

Im Schloss Meseberg geht es für Angela Merkel seit gestern um Paartherapie. (Bild: AP Photo/Michael Sohn)
Im Schloss Meseberg geht es für Angela Merkel seit gestern um Paartherapie. (Bild: AP Photo/Michael Sohn)

Die erste Kabinettsklausur soll die Stimmung in der Großen Koalition heben. Da kein Mikro dabei ist, könnte das sogar klappen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Ein Honeymoon sieht anders aus. Noch ist das Bündnis zwischen CDU, CSU und SPD neu, und doch gehen die Minister miteinander um wie in Stellung gebrachte Zinnsoldaten. Im Schloss Meseberg, in einem beschaulichen Örtchen im Brandenburgischen, geht es also seit gestern um Paartherapie.

Die erste Kabinettsklausur soll nicht nur den Fahrplan festlegen, welche politischen Schritte wann realisiert werden. Es geht auch um den Kitt, um den viel beschworenen Geist von Meseberg, als bei vergangenen Klausuren die Mitglieder der Bundesregierung sich durchaus näher kamen, und sei es beim abendlichen Himbeergeist.

Kaum optimale Startbedingungen

Doch die Ausgangslage ist noch schwieriger als bei der letzten Großen Koalition, die sich übrigens bei ihrer ersten Klausur von Meseberg prächtig verstand. Die SPD geriet nur gegen ihren Willen in diese Koalition, die Arithmetik des Bundestagswahlergebnisses und das Kneifen der FDP zwangen sie zu dieser Verantwortung. Die CDU will, wie immer, regieren, sieht auch ihre Verantwortung, aber nicht mehr die unbedingte Führerschaft Angela Merkels, die angezählt ist, sich zumindest ihre Richtlinienkompetenz neu erarbeiten muss. Und die CSU hat derzeit nur eines im Kopf, nämlich die bayerischen Landtagswahlen im Herbst; bis dahin kennt Horst Seehofer nur Feinde.

Wie kommen solch unterschiedliche Motivlagen zusammen? Im Grunde bleibt den Parteispitzen aus CDU, CSU und SPD nichts anderes übrig. Das Bündnis steht, nun muss geliefert werden. Einen ersten Baustein markierten die Ministerinnen und Minister in Meseberg: Wie die Digitalisierung, die neue Jobs schaffen wird, bei jenen Bürgern ankommt, deren Jobs im Zuge dessen wegfallen werden – das ist die Gretchenfrage der nächsten Jahre. Massive Fortbildungen und weitere Investitionen, so klingt es aus dem Kabinett, sind notwendig – gerade weil jetzt die konjunkturelle Lage es auch ermöglicht, Geld in die Hand zu nehmen.

Nur gibt es zwei Kettenhunde, sie hören beide auf den Namen “Spahnhofer”. Horst Seehofer (Innen) und Jens Spahn (Gesundheit) haben sich im Vorfeld von Meseberg als konservative Mahner profiliert. Ihre Worte gerieten gewohnt inhaltsleer und hinreichend unscharf (Islam gehöre nicht zu Deutschland, die Muslime schon, als ob einige unter ihnen keinen Islam praktizierten, oder bei Hartz IV solle man sich nicht so anstellen, oder in Deutschland herrsche ortsweise der Wilde Westen). Sicherlich, den beiden Politikern ging es nicht um praktische Politik, sondern um den bei Wählern derzeit attraktiven Dirty Talk. Aber damit gingen Seehofer und Spahn dem Rest der Regierungsmannschaft gehörig auf die Nerven. Sind sie weise, nehmen sie sich in Meseberg zurück, konzentrieren sich aufs Liefern in ihren Ressorts. Sind sie es nicht, muss Merkel als Kanzlerin sanfte Machtworte aussenden, die Kettenhunde an die Leine legen.

Eigene Interessen – und die des Landes

Die SPD versucht derweil den Spagat, sich zu erneuern und trotzdem eine Regierung zu prägen, gegen die sich zu stellen die sich aufdrängende Chance zur Erneuerung wäre. Aber diesen schwierigen Weg müssen die Sozialdemokraten gehen. Die Christsozialen müssen erkennen, dass “Bayern First” kein Motto für erfolgreiches Regieren im Bund sein kann. Herdprämie, Autobahnmaut und jede Menge in Bayern gebaute Straßen durch im Verkehrsressort herrschende CSU-Politiker sind genug. Die CSU-Bayern müssen zeigen, dass sie auch ans ganze Land denken; sonst könnten sich gerade die bayerischen Wähler von dieser Konfettishow gelangweilt abwenden. Und die CDU muss einen Übergang bewerkstelligen, hin zu einer Zeit nach Merkel. Die ganzen vier Jahre wird sie als Kanzlerin schon anpeilen. Doch ob dann in der Partei eine Annegret Kramp-Karrenbauer als liberale Wertkonservative oder ein Jens Spahn als rechter Knochen (zumindest vordergründig) den Ton angeben werden, wird die Arbeit dieser Bundesregierung begleiten, wenn sie aus Meseberg nach Berlin zurückgekehrt ist.