Kommentar: Seehofer kriegt als neuer Innenminister nicht einen Satz hin

Horst Seehofer wird von seinem Amtsvorgänger Wolfgang Schäube als Innenminister vereidigt – vielleicht hätte er sich gleich ein paar Tipps geben lassen sollen… (Bild: REUTERS/Hannibal Hanschke)
Horst Seehofer wird von seinem Amtsvorgänger Wolfgang Schäube als Innenminister vereidigt – vielleicht hätte er sich gleich ein paar Tipps geben lassen sollen… (Bild: REUTERS/Hannibal Hanschke)

Der CSU-Chef meint, der Islam gehöre nicht zu Deutschland – ein törichter Start ins Amt. Über die Karriere eines schlichten Satzes.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Ruft eine neue Aufgabe, sucht man automatisch nach Vorbildern. Für Horst Seehofer, der als Nichtjurist den Mammutjob des Bundesinnenministers übernimmt, bieten sich zwei Kandidaten an, welche das Amt auf ihre Weise ausfüllten: Das sind Wolfgang Schäuble und Hans Peter Friedrich. Immerhin sagte Seehofer zur Einführung ins Ressort in seinem ersten Interview einen Satz, an dem sich auch seine Vorgänger abmühten: “Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das Christentum geprägt.”

Zugegeben, das sind zwei Sätze, aber in ihrer schlichten Kürze wie ein einziger zu lesen. Oder in der ihnen eigenen Dummheit. Als Vorbild hat sich Seehofer den falschen Mann ausgesucht.

Als Schäuble in Angela Merkels erster Legislatur 2005 Innenminister wurde, prägte er eher unbeabsichtigt eine neue Sicht. Im Mai 2006 fragte ich ihn für ein Interview für die “Welt am Sonntag”:

“Haben wir zu wenig beachtet, dass der Islam ein Stück Deutschland ist?”

Und Schäuble antwortete: “Ja, aber dieses Stück ist auch schwieriger zu erkennen. Immerhin ist der Islam kaum so verfasst wie die christlichen Kirchen. In der Vergangenheit hat man verdrängt, dass Millionen Muslime zu Deutschland gehören. In der Zukunft werden es auch mehr sein.”

Wir unterhielten uns darüber als einen Fakt. Dass der Islam zu Deutschland gehört, erschien uns ähnlich diskussionswürdig wie die Frage, ob ein Schlumpf zum Schlumpfdorf oder Thomas Gottschalk zu “Wetten, dass…?” gehört.

Damals erregte der Satz auch kein Aufsehen. Schäuble galt schon als elder statesman, als eine Autorität, der man zuhörte. Erst als Christian Wulff als neuer Bundespräsident und mit weniger Ansehen ausgestattet diesen Satz wiederholte, regte sich Kritik.

Wenn die CSU ans Ruder kommt

Damit sind wir bei Hans Peter Friedrich, den wahrscheinlich unglücklichsten Innenminister in der Geschichte der Bundesrepublik. Seine Amtsbilanz ist mager. Er kam auch für ihn überraschend ins Amt, stellte sich als nicht qualifiziert heraus und endete jämmerlich als verbitterter Hinterbänkler in den Reihen der CSU.

Jedenfalls sagte der Bayer, ganz neu im Amt: “Dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgendwo belegen lässt.” Nun ist es mit dem Hochdeutschen für Friedrich vielleicht so eine Sache, und die Frage drängt sich auf, was eine TATSACHE sein soll, die sich nicht belegen lasse, schließlich bleibt eine Tatsache eine Tatsache. Und auch die bemühte “Historie” kennt durchaus in Deutschland genügend Lehrstühle für zeitgenössische Geschichte in Deutschland, welche sich mit der Einwanderung von Muslimen und dem Aufbau ihrer Gemeinden sowie eines Glaubenslebens beschäftigen.

Seehofer, ein Christsozialer wie Friedrich, agiert wie Friedrich. Und könnte auch so enden wie er.

Dabei ist Seehofer viel cleverer, intelligenter und sozialkompetenter als viele meinen. Vielleicht ist sein erstes Interview zum Einstand nur missglückt, aber schauen wir es uns näher an.

Mein ist mein und dein ist nicht unbedingt dein

Der frisch gebackene Innenminister meint nun, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, weil Deutschland durch das Christentum geprägt sei. Letzteres stimmt zweifellos, aber eine Prägung muss nicht zwangsläufig ausschließender Natur sein. Interessanterweise sagte Seehofer noch vor drei Jahren: “Wir haben eine jahrhundertelange Tradition, die in den christlich-jüdischen Wurzeln fußt.” Nun, womöglich ist in diesem Diskurs über die vergangenen Jahrhunderte binnen drei Jahren die jüdische Wurzel abhanden gekommen, heute erwähnt Seehofer sie nicht, aber womöglich ist das nur konsequent, schließlich drängte sich stets der Eindruck auf, die jüdischen Wurzeln Deutschlands, die es natürlich gibt, wurden immer nur dann als Feigenblatt von der Politik hervorgeholt, wenn es galt, den Islam abzuwatschen.

2015 also meinte Seehofer noch in Reaktion auf Angela Merkels Feststellung, der Islam gehöre zu Deutschland: “Ich fange jetzt nicht eine Debatte über solche Äußerungen an”. Und: “Ich bin doch kein Zensor.” Heute, drei Jahre später, entfacht er die Debatte nun doch neu.

Also: Die jüngere Geschichte Deutschlands kennt den Islam als Bestandteil der Alltagskultur, als Element des Glaubenslebens in Deutschland durchaus. In unserem Land existieren zahlreiche islamische Strömungen verschiedenster Ausprägung, sie zeigen Gesicht, agieren in allen gesellschaftlichen Klassen und bauen Gotteshäuser, selbst in Bayern. Wer dieses islamische Stück Deutschland nicht sieht, sollte zum Optiker.

Dass Seehofer sich in Sachen Integration schon von Beginn an zu verirren droht, zeigen seine weiteren Äußerungen: Zwar, sagt er, gehörten die im Land lebenden Muslime zu Deutschland (Puh, werden die aufatmen, noch einmal Glück gehabt, wir müssen nicht sofort die Koffer packen und rübermachen nach Holland und Dänemark). “Das bedeutet natürlich nicht, dass wir deswegen aus falscher Rücksichtnahme unsere landestypischen Traditionen und Gebräuche aufgeben.”

Stimmt. Aber wer fordert sowas? Wird irgendwo ein Brauch oder eine Tradition wegen Muslimen aufgegeben? Oder möchte Seehofer ein wenig wie die AfD klingen, die in ihrem Lügentalk alle Jahre wieder die Märchen von Weihnachtsmärkten erzählt, die angeblich nicht mehr so heißen, oder die sich fürchtet, bei ungenügendem Konsum von Schweinshaxen das Deutschsein zu verlieren wie eine Farbe an der Wand.

Seehofer inszeniert eine Gefahr, die nicht existiert, nur um etwas ausschließen zu können. Jenes etwas, eben der Glaube und die Kultur, gehört zu Leuten, von denen er meint ihnen weniger gönnen zu müssen als christlichen Landsleuten. Warum eigentlich? Diese Frage versuche ich an dieser Stelle besser nicht zu beantworten.

Muslime vom Mars?

Seehofer klingt wie ein muslimischer Dschihad-Kämpfer, seine Worte spiegeln ein “entweder-oder” wider. “Muslime müssen mit uns leben, nicht neben oder gegen uns.” Auch dies stimmt tadellos, nur was meint er mit “mit uns”? Aufgabe des eigenen Glaubens, oder sonntags eine Lederhose an? Am Ende redet er dann noch von gegenseitigem Verständnis und Rücksichtnahme und dass man das nur erreiche, wenn man miteinander spreche. Hört sich das nicht an wie Hohn, am Ende? Schließlich hat er in seinem Statement nicht mit, sondern über Muslime und deren Islam geredet, als referiere er über Leben auf dem Mars.

Seehofer sollte noch einmal bei Schäuble nachlesen. Vielleicht kommt er dann aus diesem Schlamassel wieder heraus.

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