Kommentar von Storytelling-Profi - „Geh ich zu Edeka oder zum Wahlomat?“ - Kunden wütend über politische Werbung

In großformatigen Anzeigen warnte Edeka seine Kunden davor, die Afd bei der Wahl am Sonntag in Sachsen und Thüringen zu wählen<span class="copyright">Getty Images/Jeremy Moeller</span>
In großformatigen Anzeigen warnte Edeka seine Kunden davor, die Afd bei der Wahl am Sonntag in Sachsen und Thüringen zu wählenGetty Images/Jeremy Moeller

Wenn Marketingkampagnen zu hitzigen Debatten führen, hat Edeka definitiv etwas zu sagen. Storytelling-Profi Veit Etzold beleuchtet, wie die Supermarktkette Emotionen und Politik in ihre Strategie einwebt. Und diesmal über das Ziel hinausschießt.

Wie hat Edeka Storytelling in seiner Marketingstrategie genutzt und welche Auswirkungen hatte dies auf die Kundenbindung?

Die Supermarktkette Edeka ist bekannt für Werbekampagnen, die hängenbleiben. Nachhaltige Wirkung hatte der Clip „Heimkommen“ aus dem Jahr 2015, wo ein alter Herr seinen eigenen Tod inszenierte, damit seine Kinder und Enkel ihn endlich mal zu Weihnachten besuchen kommen, so nach dem Motto: „Zur Beerdigung werden sie ja wohl kommen (müssen), auch wenn sie sich sonst nie blicken lassen“.

Die Werbung ist sehr emotional und stark erzählt. Dass zu Weihnachten wahrscheinlich keine Beerdigungen stattfinden, geschenkt. Ich selbst fand den alten Herrn, der wie Tom Sawyer bei Mark Twain seine eigene Beerdigung inszeniert, obwohl er noch am Leben ist, etwas egozentrisch und konnte auch nicht ganz den Zusammenhang zu einem Supermarkt herstellen, aber ich bin auch nicht der Markt. Die Werbung gefiel den meisten und hat für Aufmerksamkeit gesorgt. Jetzt hat Edeka wieder für Aufmerksamkeit gesorgt, diesmal aber nicht ganz so, wie es beabsichtigt war.

Was ist die Gefahr, wenn Unternehmen politisch werden?

In großformatigen Anzeigen warnte Edeka seine Kunden davor, die Afd bei der Wahl am Sonntag in Sachsen und Thüringen zu wählen mit der, meiner Ansicht nach etwas bemühten Metapher, dass die Farbe „Blau“ - die Farbe der Afd - in der Natur und auch im Supermarktsortiment nicht vorkomme.

Dass der Himmel blau ist, das Wasser ebenso und dass Blau laut Studien die Lieblingsfarbe der Deutschen ist und Unternehmen, die Vertrauen ausstrahlen wollen, diese Farbe nutzen (Deutsche Bank, Allianz) nehmen wir mal noch hin. Dass es aber im Supermarkt nichts Blaues gibt, will nicht nur mir, sondern auch vielen Supermarktbetreibern, Kunden und Lieferanten nicht so ganz in den Sinn.

Was passiert, wenn Storys zur Missinterpretation einladen?

James Hetfield von Metallica sagte einmal so schön: „Kunst verbindet, Politik spaltet.“ Und so ging auch die Edeka Kampagne nach hinten los. Auch wenn niemand in Frage stellt, dass die Afd antidemokratische Tendenzen aufweist, fühlten sich Kunden, Lieferanten und sogar Supermarktbetreiber von Edeka von der Kampagne gegängelt und bevormundet.

Seit wann, stellten viele die Frage, macht ein Einzelhändler Politikberatung? Geh ich zu Edeka oder zum Wahlomat? Und sofort kursierten im Internet auch Postings, dass Edeka vor einiger Zeit mit „Blaubeeren“ geworben hat. Die müsste Edeka dann, zusammen mit bläulichen Weintrauben, Pflaumen und auch Blauschimmelkäse sofort aus dem Sortiment nehmen, ebenso wie Brot, dass meistens braun ist.

Also noch schlimmer als blau. Und wie geht es dann mit der Blauhysterie weiter? Verbietet Edeka im Büro IBM Computer? Denn der Spitzname des Computerriesen ist „Big Blue“, ebenso wie man große Konzerne in Amerika als „Blue Chips“ bezeichnet.

Was können Führungskräfte aus Edekas Marketing Arschbombe lernen?

Unklare und mit heißer Nadel genähte Storys laden immer zur Missinterpretation ein und werden dann weniger als wohlgemeinte Ratschläge denn als übergriffe Belehrung interpretiert. Bei Edeka hat sich offenbar niemand in der Konzernzentrale Gedanken dazu gemacht, wie solche Kampagnen an der Basis ankommen, wo sich Supermarktbetreiber die Frage stellen, ob sie jetzt potentiellen Afd Wählern in Form von Kunden oder auch Lieferanten die Türen verschließen sollten?

Vielleicht bin ich auch zu einfach gestrickt, aber die Aufgabe eines Supermarktes ist für mich, gute Lebensmittel zu verkaufen und keine Wählererziehung zu betreiben. „The business of business is business“, sagte schon Chicago Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman. Wer weit abgehoben von der tatsächlichen Unternehmensmission hochtrabende Diskussionen anzettelt, zeigt, dass ihm entweder das Kerngeschäft egal ist oder dass es ihm zu gut geht. Vielleicht auch beides. Die Supermarktfilialen von Edeka sind die Orte, wo das Geld verdient wird.

Sich mit diesen Geldmaschinen anzulegen und den Vertrieb und dessen Kunden zu belehren, ist Führungskräften noch nie gut bekommen, egal in welcher Branche. Was dagegen hilft: Die eigenen Kampagnen, bevor sie auf die Menschheit losgelassen werden, einfach einmal ein paar Leuten zeigen, die nicht aus der eigenen Blase kommen und sich ehrliches Feedback abholen. Sonst kann Edeka auch ganz schnell heißen: Ende Der Karriere.