Kommentar von Storytelling-Profi Veit Etzold - Wir Deutschen glauben an den Weihnachtsmann – und an das E-Auto
Die deutsche Autoindustrie steht vor gewaltigen Herausforderungen. Storytelling Profi Veit Etzold beleuchtet, wie einstige Weltmarken unter politischen Fehlentscheidungen und strategischen Irrwegen leiden.
Wie hat sich die deutsche Autoindustrie gewandelt?
Wenn ich Kinofilme aus den 2005er bis 2010er Jahren sehe, egal ob von Michael Mann oder von Quentin Tarantino, sehe ich vor allem eines: Deutsche Autos. Meist Mercedes und BMW. „Wir brauchen ein Auto, dass Rumms hat“, sagt Jean Reno in dem Thriller „Ronin“. Und bekommt einen Audi. Deutsche Autos waren, zusammen mit der Chemieindustrie, dem Maschinenbau und dem Bier eine der deutschen Weltmarken. Ein Geschäftspartner aus Abu Dhabi fügte zu dieser Markensammlung noch eine weitere, nicht unbedingt erwünschte, Person dazu. Für ihn stehe Deutschland für „Fußball, Autos und Hitler“. Wobei letzteres dann doch passt, da der Volkswagenkonzern von Hitler, beeinflusst durch Henry Fords Massenproduktion, mit aufgebaut wurde.
Die gloriosen Zeiten der Autoindustrie sind allerdings zunächst vorbei. Gewinnwarnungen bei Mercedes und BMW, 30.000 Jobs auf der Kippe bei Volkswagen. Zulieferkonzerne wie ZF und Conti bekommen den Sparkurs der Autobauer ebenfalls zu spüren, ebenso wie Startups, Kooperationspartner und auch Gemeinden, die plötzlich auf die Straßenbeleuchtung verzichten müssen, weil die Gewerbesteuer ausfällt.
Wie kam es dazu? Meiner Ansicht nach deswegen, weil die Autoindustrie ihre USP (Unique Selling Point, wie man im Marketing sagt, also das Alleinstellungsmerkmal) über Bord geworfen und sich stattdessen voll und ganz der Märchenstunde unfähiger Politiker verschrieben hat.
Warum ist die bedingungslose Unterordnung der Autoindustrie unter die E-Mobility nach hinten losgegangen?
Die deutschen Autokonzerne sind ganz klar die Nummer eins im sparsamen Verbrennungsmotor. Hier steckt soviel Know How und Innovationskraft drin, dass kein anderer Autokonzern den deutschen Firmen hier das Wasser reichen kann. Nun wurde der Autoindustrie von der Politik der Floh ins Ohr gesetzt, sie müsste jetzt ihren größten Wettbewerbsvorteil, das was sonst niemand kann, über Bord werfen, um das zu machen, was fast jeder kann – einen Elektromotor bauen. Spielkästen für Kinder haben Elektromotoren, aber keine Verbrennungsmotoren. Da müsste auch dem technisch nicht so versierten einleuchten, dass ein Verbrennungsmotor eine andere Hausnummer ist.
Weist man darauf hin, wird sofort die Nachhaltigkeitskeule ausgepackt. Ob aber ein Elektroauto mit explodierenden Batterien und seltenen Erden aus Minen mit Kinderarbeit im Kongo von der Wertschöpfungskette her nachhaltiger ist, konnte mir auch noch niemand beweisen.
Dennoch: Die Politik befahl. Und alle folgten in gutem, alten deutschen Kadavergehorsam. Macht das, rief man den Autokonzernen zu, was alle anderen genau so gut können und die Chinesen, die viel weniger von Datenschutz-Selbsthemmnissen beschränkt sind, sogar noch viel besser.
Jetzt, oh Wunder, stellt man fest, dass niemand ein E-Auto will. In Deutschland ohnehin nicht, da die Modelle zu teuer, die Förderung zu erratisch und die Ladeinfrastruktur, wenn man nicht gerade Tesla fährt, nicht existent ist.
Sind die Autokonzerne die einzigen, die auf Politiker-Märchen reinfallen?
Nein, sind sie leider nicht. Schon im Jahr 2011, als Angela Merkel in einer schwarzgelben Regierung wohlgemerkt, alle deutschen Kernkraftwerke abstellte, weil sich 9000 Kilometer entfernt in Japan ein Rekatorunfall ereignete, spielten die Energiekonzerne ein ähnliches Spiel. Anstatt sich authentisch zu ärgern, dass die Regierung ihnen wider besseren Wissens die Cashcow Kernenergie abdrehte, vollführten alle CEOs biedere Niederwerfungen vor der Politik und den Erneuerbaren Energien und traten gleichzeitig gigantische Stellenabbauprogramme los. Genau so läuft es auch jetzt. Devot bis zum Extrem haben die Autokonzerne, mit Ausnahme vielleicht von BMW, die E-Mobility Story internalisiert, um auf den ausbleibenden Erfolg jetzt mit drastischen Sparmaßnahmen zu reagieren.
Was ist die Auto-Story von Europa?
Die Auto-Story Europas ist so widersprüchlich wie die gesamte EU Politik selbst. Man drangsaliert und bedroht die Autoindustrie mit dem Verbrenner Aus und immer neuen Vorgaben so lange, bis die Konzerne aus dem letzten Loch pfeifen und dann subventioniert werden müssen. Gemäß der alten Devise von Ronald Reagan: Wenn es noch lebt, besteuere es. Wenn es immer noch lebt, besteuere es noch mehr. Wenn es nicht mehr lebt, subventioniere es.
Warum eine Industrie, die es über Lobbying hinbekommt, dass in Deutschland jahrzehntelang viel Geld in die Autobahnen, aber kaum in die Schiene floss, es nicht hinkriegt, sich bei derart suizidalen Vorhaben wie dem Verbrenner-Aus auf die Hinterbeine zu stellen, begreife ich nicht.
Entweder herrscht wirklich der Kadavergehorsam vor, dass selbst Auto CEOs in deutschem Untertanengeist glauben, die Politik hätte immer recht. Das wäre schlimm. Oder die Top Manager glauben wirklich, man könne mal eben einen wirklich guten und damit „unfairen“ Wettbewerbsvorteil - den Verbrennermotor – gegen ein Merkmal tauschen, das jeder bauen kann – den Elektromotor. Letzteres wäre noch schlimmer.
Was mache ich, wenn ich weiß, dass die Gegenseite falsch liegt oder wenn ich selbst falschgelegen habe?
Wie auch bei den Stellenstreichungen bei Volkswagen als auch bei dem Unicredit / Commerzbank Poker, über den ich letzte Woche schrieb, halten sich die Verantwortlichen auch jetzt wieder streng an ihr Schweigegelübde. Gutes Storytelling heißt aber auch, nicht nur proaktiv zu kommunizieren, sondern auch authentisch zu seiner Positionierung zu stehen, auch wenn sie vielleicht gerade nicht dem Mainstream entspricht. Das heißt:
- Beim Verbrenner-Aus nicht jede Politikstory nachzuplappern.
- Beim Wettbewerbsvorteil klar dazu stehen.
- Beim zu hastigen Switch auf E-Mobility klar bekennen, dass man als Management falsch gelegen hat. (Das gilt eigentlich auch für Politiker, aber bei denen ist die Fähigkeit zu Selbstreflektion leider nicht vorhanden.)
- Dann klar kommunizieren, dass man es jetzt anders machen werde – und das dann auch tun!
Bei meinen Mandaten im Bereich Change Kommunikation sehe ich immer wieder, dass eine authentische Story immer ankommt, auch wenn das Management Fehler gemacht hat. Was nicht ankommt ist, auf Fairytelling reingefallen zu sein, diesen Fehler nicht einmal zuzugeben und dann sogar diesen Fehler noch mit neuem Fairytelling zu kaschieren.