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Kommentar: Syriens Kurden schauen auf das Drama von Algier - Damals, im Jahr 1975…

US-Truppen mit gepanzerten Fahrzeugen gehen in Stellung in den Außenbezirken. Die USA haben nach Angaben von Beobachtern mit dem Abzug von Truppen aus Syrien begonnen. (Bild: Arab 24 network/AP/dpa)
US-Truppen mit gepanzerten Fahrzeugen gehen in Stellung in den Außenbezirken. Die USA haben nach Angaben von Beobachtern mit dem Abzug von Truppen aus Syrien begonnen. (Bild: Arab 24 network/AP/dpa)

Die Türkei will syrische Kurdenmilizen angreifen. Deshalb droht der US-Präsident per Twitter. Doch was sind seine Worte wert?

Ein Kommentar von Jan Rübel

Donald Trump hat viel zu tun. Laut einem aktuellen Tweet zieht er, höchstpersönlich, Truppen aus Syrien ab, bombardiert das verbleibende Kalifat der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ hart, „und aus verschiedenen Richtungen“. Darüber hinaus wird er die Türkei „wirtschaftlich zerstören“, wenn „sie Kurden angreifen“. Der Mann ist multifunktional.

Und die Drohung gen Ankara ist hinreichend unscharf umrissen, aber kraftvoll. Denn hier redet das Regierungsoberhaupt eines Nato-Mitgliedslandes über ein anderes. Im Hauptquartier des Militärbündnisses in Belgien werden sie verzweifelt in den Schränken suchen, nach DVDs mit der Sitcom „Eine schrecklich nette Familie“, um sich bei Laune zu halten.

Doch der Adressat zeigt sich unbeeindruckt. Türkeis Präsident Recep Tayyip Erdogan ließ rasch wissen, dass er in den kurdischen YPG-Milizen die gleiche Unbill sehe wie im IS. Der IS gilt als böse, die YPG sollen böse gemacht werden. Das ist insofern nicht ohne Ironie, als es die türkische Regierungsmacht war, die über Stiftungen und anderes in den Anfangsjahren des syrischen Bürgerkrieges den IS und andere radikalislamische Gruppen dezent unterstützte. Solch Assistenz haben die Kurden nie genossen. Sie sind Erdogan ein Dorn im Auge, weil sie nach Autonomie streben – und was im Norden Syriens geschehen kann, würde nach Erdogans Sicht Gefahr laufen, sich wie eine ansteckende Krankheit auch auf den Südosten der Türkei zu erstrecken: Dort leben ebenfalls Kurden. Und die werden nicht nur vom türkischen Nationalismus diskriminiert, eine Gruppe von ihnen, die PKK, kämpft einen Guerillakampf gegen das türkische Militär, den man zuweilen auch als Terrorkampf bezeichnen muss. Die YPG wiederum ist mit der PKK verflochten. Erdogans Bedenken entweichen nicht reinen Luftschlössern.

Die Sprache der Gewalt

Aber YPG ist auf gutem Wege: Die Milizen kämpfen erfolgreich gegen den IS, an der Seite der USA. Längst sind sie die verlässlichsten Bündnispartner des Weißen Hauses in Syrien geworden. Und vom Radikalismus der PKK, die einmal mit Steinzeitmarxismus begann, unterscheiden sie sich auch. Da die politischen Ziele der Kurden von internationaler Zustimmung abhängen, ließe sich alles über Verhandlungen regeln.

Ließe. Denn es gibt zu viele Player, die auf Gewalt setzen.

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Erdogan braucht konkret eine inszenierte Feindeskulisse von außen, um seine Herrschaft nach innen zu stabilisieren. Die Generäle, welche die Türkei in ihren Militärdiktaturen regierten, agierten nicht anders; die Kurden gaben schon immer die beste aller Kulissen ab.

Außerdem träumt Erdogan von Machterweiterung, will ein Stück vom syrischen Kuchen. Warum also den Kurden einen Teller lassen? Erdogan lässt keine Zweifel daran, dass er in Syrien gegen die Kurden Krieg führen will.

Und nun twittert Trump von einer „wirtschaftlichen Zerstörung“, die dann drohe. Was ist davon zu halten?

Nun ist der amtierende US-Präsident nicht für seine Treue zum gegebenen Wort bekannt. Aber was den Kurden Kopfschmerzen bereitet, sind historische Erfahrungen, zu denen es keinen Trump brauchte.

Zerschmettertes Vertrauen

Anfang der Siebziger, im vorigen Jahrhundert. Iraks Kurden kämpften für Autonomie, unterstützt von den USA. Die Allianz, konkret realisiert über den Iran, welcher damals vom US-freundlichen Schah regiert wurde, ging so weit, dass die Kurdenführer von einem Kurdistan als US-Bundesstaat träumten. Im Weißen Haus ließ man sie gern träumen. Der damaligen US-Regierung ging es darum, die unliebsame Bagdader Regierung einzudämmen. Damals herrschte schon die Baath-Partei, mit einem Vize-Präsidenten namens Saddam Hussein. Im irakischen Dauerkonflikt mit dem Iran nutzten die Amerikaner die Kurden als Bauern auf einem Schachbrett. Und als die Baath-Partei einsah, dass sie verhandeln müsste, kam es 1975 zum so genannten Abkommen von Algier. Man einigte sich auf einen Grenzverlauf des Schatt al-Arab: Dieser Fluss, das Ende von Euphrat und Tigris, fließt in den Persischen Golf und ist von höchster militärstrategischer und wirtschaftlicher Bedeutung. Nur hat er nichts mit den Kurden zu tun.

Als Amerikas Rivalen in Bagdad klein beigaben und sich mit dem Iran einigten, ließen die USA die Kurden über Nacht fallen. Sie hatten gegen den Irak allein keine Chance und wurden vertrieben.

Hat Trump ein strategisches Kalkül? Will er den Kurden wirklich beistehen? Die Vergangenheit jedenfalls lehrt den Kurden nichts Gutes.

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