Kommentar von Thomas Druyen - Warum Wahlplakate längst nicht mehr zeitgemäß sind

Die Botschaften der Plakate sind austauschbar, könnten von jeder Partei stammen.<span class="copyright">Getty Images / MICHAELA STACHE / Kontributor</span>
Die Botschaften der Plakate sind austauschbar, könnten von jeder Partei stammen.Getty Images / MICHAELA STACHE / Kontributor

Viele Menschen sind zunehmend von Wahlplakaten gefrustet. In der Vergangenheit hatten sie durchaus Bedeutung und waren auch beliebt. Warum sich das jetzt drastisch geändert hat und warum vor allem die Jüngeren zunehmend von diesen Relikten einer anderen Zeit genervt sind, analysiert Zukunftsforscher Thomas Druyen.

Sie schreien uns von jeder Straßenecke an, doch sie sagen nichts. Wahlplakate als Sinnstiftung sind eine Farce. Kein Programm, keine klare Richtung, keine konkreten Ziele.

Nur leere Phrasen, Slogans ohne Substanz, beauftragte Produkte von Werbeagenturen. Sie sind sehr selten auch pfiffig und humorvoll, aber ihr Ziel ist nicht die Aufklärung, sondern die Suggestion. Diese Plakate, die uns als Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen sollten, tun genau das Gegenteil: Sie reduzieren uns auf Konsumentinnen und Konsumenten von politischem Marketing.

Doch wir sind keine Kundschaft, wir sind der Souverän. Das ist nur meine Meinung. Daher zitiere ich keine Beispiele und nenne keine Parteien. Diese Vereinheitlichung ist aber möglich, da es keine Ausnahmen gibt. Das macht es so brisant und verdeutlicht eine mentale Rückständigkeit.

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Natürlich wurde und wird zu diesem Thema viel geforscht. Und die jahrzehntelange Bedeutung dieser politischen Markenbildung ist unzweifelhaft. Aber immer mehr wird dieses Ritual kritisch hinterfragt. Dass Millionen Menschen so überhaupt auf politische Themen gelenkt werden, ist eine andere Herausforderung. Gleichzeitig gibt es auch eine pragmatische Sicht: Für einige Bürger bieten Plakate zumindest Orientierung im Wahlkampf oder ein Gefühl von politischer Präsenz, besonders in ländlichen Regionen.

Doch selbst diese Stimmen fragen zunehmend, ob der Nutzen noch in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten und dem Ressourcenverbrauch steht. Gerade die jüngeren Generationen sehen in Ihnen ein Relikt der Vergangenheit und wenden sich ab.

Die Botschaften der Plakate sind austauschbar, könnten von jeder Partei stammen. Zuweilen widersprechen sie genau dem, was vier Jahre praktiziert wurde. Die inszenierten Gesichter der Spitzenkandidaten/innen – mal lächelnd, mal entschlossen – erzählen uns nichts darüber, wie sie unser Leben verbessern wollen.

Sie verkaufen ein Image, keine Lösungen. In unserer Zukunftsforschung wird durch die tausenden Interviews immer deutlicher, die Deutschen verlieren Vertrauen und Zuversicht. Vor allem spiegeln die Wahlplakate eine Haltung wider, die mittlerweile tief in unserer politischen Kultur verwurzelt ist: eine Haltung, die uns Bürgerinnen und Bürger nicht ernst nimmt. Wer keine Inhalte kommuniziert, hat entweder keine oder will sie verstecken. Beide Optionen sind inakzeptabel.

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Doch warum lassen wir uns das gefallen? Warum tolerieren wir diese Respektlosigkeit? Wir haben das Recht auf klare Worte, auf echte Informationen, auf Transparenz und Ehrlichkeit, auch wenn sie kurz ist. Natürlich gibt es eine Fülle von politischen Informationen auf vielen Kanälen, aber die bedarf der Proaktivität.

Bleiben wir bei der Plakativität der Wahlplakate. Wir haben das Recht, nicht als Zielgruppe behandelt zu werden, sondern als mündige Menschen, die bereit sind, sich mit den Herausforderungen unserer Zeit auseinanderzusetzen.

Fordern wir von den Parteien, dass sie uns respektieren. Dass sie aufhören, uns mit Plattitüden abzuspeisen und stattdessen klare Positionen und ehrliche Lösungen liefern. Und vor allem, dass sie ihr Scheitern eingestehen, wenn sie gescheitert sind. Fordern wir von ihnen, dass sie sich der Komplexität der Probleme stellen, statt uns mit vereinfachten Botschaften abzuspeisen. Fordern wir eine neue Form der politischen Kommunikation, die uns informiert, einbindet und ernst nimmt.

Denn eines ist sicher: Die Zukunft dieses Landes gehört uns allen. Und wir sollten nicht zulassen, dass sie mit Marketingtricks und inhaltslosen Phrasen verspielt wird. Lassen Sie uns unsere Stimme erheben – nicht nur bei der Wahl, sondern jeden Tag.

Lassen Sie uns laut sagen: Wir wollen mehr. Mehr Ehrlichkeit. Mehr Respekt. Mehr Substanz. Es ist unsere Zeit. Es ist unsere Demokratie. Und wir verdienen mehr als das, was uns diese Plakate und die allgemeine politische Tonalität bieten.

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Denn die Möglichkeiten zur umfassenden Veränderung und Aufklärung sind längst da. Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial, Politik grundlegend zu verändern – zum Besseren. Sie kann aus einem starren, obsoleten, oft abgehobenen System eine intelligente, responsive und transparente Institution machen, die endlich die Menschen in den Mittelpunkt stellt. Doch das wird nur gelingen, wenn Parteien den Mut haben, KI sinnvoll einzusetzen – nicht als Marketing-Gadget, sondern als echtes Werkzeug, um Politik klüger, gerechter und partizipativer zu gestalten.

Stellen Sie sich vor, Politik würde nicht mehr vorwiegend auf Meinungsumfragen beruhen, die seriell im Quartal durchgeführt werden, sondern auf einer kontinuierlichen Analyse dessen, was die Menschen wirklich bewegt. KI könnte Stimmen aus der Bevölkerung sammeln, strukturieren und dabei helfen, Prioritäten zu setzen – nicht nur die der lautesten, sondern auch die der stillen Mehrheit. Sie könnte die Sorgen der Menschen in den Städten oder auf dem Land nicht nur erkennen, sondern in konkrete politische Strategien übersetzen. Endlich würden die Bedürfnisse aller sichtbar – nicht nur derjenigen, die die größten Lobbys hinter sich haben.

Doch das ist nur der Anfang. KI könnte die Bürger:innen direkt einbinden, statt sie bloß zu Konsument:innen politischer Botschaften zu machen. Mit interaktiven Plattformen, auf denen jeder seine Ideen einbringen kann, wird Mitbestimmung lebendig.

Diese Ideen würden nicht in einem digitalen Papierkorb landen, sondern von KI analysiert, geordnet und in politische Prozesse integriert werden. Transparenz wäre nicht länger ein Lippenbekenntnis – jede und jeder könnte sehen, welche Vorschläge aufgegriffen und wie sie umgesetzt werden. Das wäre wahre Demokratie: offen, nachvollziehbar, inklusiv.

Gleichzeitig würde KI helfen, komplexe Probleme verständlicher zu machen. Die meisten Menschen wollen wissen, was hinter politischen Entscheidungen steckt – nicht in Fachjargon und endlosen Papieren, sondern in klaren, greifbaren Szenarien. KI kann genau das leisten: Sie könnte den Bürgerinnen und Bürgern zeigen, wie verschiedene Maßnahmen wirken, welche Konsequenzen sie haben und warum bestimmte Wege gewählt werden. So wird Politik nicht nur zugänglicher, sondern auch ehrlicher. Denn wer verstanden wird, gewinnt Vertrauen.

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Natürlich wird oft gesagt, dass KI manipulativ sein könnte, dass sie politische Prozesse verzerren könnte. Doch das ist keine Schwäche der Technologie, sondern eine Frage der menschlichen Instrumentalisierung und wie sie eingesetzt wird. Parteien müssten sich verpflichten, KI nicht für Propaganda zu nutzen, sondern für Aufklärung. Sie müssten ihre Algorithmen offenlegen und mit unabhängigen Gremien zusammenarbeiten, die den Einsatz dieser Technologie überwachen. Es geht nicht darum, die Menschen zu steuern, sondern darum, sie einzubinden. Nur so wird wieder Vertrauen wachsen.

Die Chancen sind enorm: Politik, die wirklich zuhört, Entscheidungen, die faktenbasiert und nachhaltig sind, Bürgerinnen und Bürger, die sich einbringen können und gehört werden. Aber das passiert nicht von allein.

Es braucht den Druck der Bevölkerung, die endlich sagen muss: Wir haben genug von Plattitüden und hohlen Versprechungen. Wir wollen nicht, dass KI zu einem weiteren Werkzeug der Macht wird – wir wollen, dass sie uns stärkt, uns einbindet und uns endlich ernst nimmt. Es liegt in unserer Hand, diese Zukunft zu fordern.

Die Parteien müssen sich entscheiden: Wollen sie Teil des Fortschritts sein oder weiter in alten Mustern verharren? Die Zeit für halbe Sachen ist vorbei. Es ist Zeit für eine Politik, die wirklich intelligent ist – und endlich wieder menschenzugewandt.