Kommentar zur TV-Sendung „Herz für Kinder“ - Bevor Sie Merz als geizigen Millionär schimpfen: Stellen Sie sich mal eine Geld-Frage
Politik und Spenden – das bleibt eine problematische Beziehung. „Ein Herz für Kinder“ treibt für den guten Zweck ein böses Spiel mit dem CDU-Kanzlerkandidaten. So viel Shitstorm hat sich Friedrich Merz aber nicht verdient. Hand aufs gute Herz: Wie oft hätten wir uns schon mit unseren Knausrigkeiten blamiert?
Wir sind natürlich gute Menschen. Also: Sie und ich. Wir mögen Kinder. Wir lieben Tiere. Wir helfen, wo immer wir können. Da sind wir echt großzügig. Und wissen Sie, was das Beste für uns ist?
Es gibt keine Fernsehkameras, die uns durch den Alltag begleiten und auch bei unserer gefühlten Großzügigkeit kleinlich auf die Finger schauen. Das unterscheidet uns von – sagen wir: Friedrich Merz . Und von Christian Lindner. Von Lars Klingbeil. Und Manuela Schwesig. Und auch Markus Söder .
„Öffnen Sie – Ihr Portemonnaie!“
„Öffnen Sie Ihr Herz, öffnen Sie auch – Ihr Portemonnaie!“, startet Johannes B. Kerner als Moderator in die Spendengala „Ein Herz für Kinder“, seit 2001 fester Bestandteil des ZDF-Programms. Und was reimt sich auf Herz? Der Name eines CDU-Bundesvorsitzenden, der entschlossen ist, im kommenden Jahr Bundeskanzler zu werden.
Da ist es nachvollziehbar, dass sich Friedrich Merz die Gelegenheit nicht entgehen lässt, sich vor 2,89 Millionen Zuschauern ins Publikum der Show für den guten Zweck zu setzen. Er hätte gewarnt sein können. Politik und Spenden: Das ist selten eine positive Verbindung.
Politik und Spenden: ein echtes Minenfeld
Wir erinnern uns an Helmut Kohl und sein „Bimbes“, jene zuerst abgestrittenen, dann eingeräumten 2,1 Millionen illegal eingenommener D-Mark. Die halfen dem Bundeskanzler und CDU-Vorsitzenden damals, Wohltaten innerhalb der eigenen Partei zu verteilen.
Und die ruinierten dem „Kanzler der Einheit“ den Nachruhm bis zum Rücktritt als Ehrenvorsitzender seiner Partei. Mit Spenden tat sich die AfD schon schwer, die SPD musste 2002 nach der so genannten Kölner Spendenaffäre 492.997 Euro und 85 Cent zahlen. Kurzum: Parteien, Politiker und Spenden – das ist ein echtes Minenfeld.
Böses Spiel für den guten Zweck
In der Spendengala „Ein Herz für Kinder“ nahmen trotzdem vier Parteivorsitzende auf den Zuschauersitzen Platz. Sie wollten, jede Wette, im Wahlkampf Sympathien gewinnen: Merz für die CDU, Markus Söder für die CSU, Christian Lindner für die FDP und Lars Klingbeil für die SPD.
Wer „Ein Herz für Kinder“ zeigt, der kann ja eigentlich nicht verlieren. Eigentlich. Tatsächlich aber doch. Und zugegeben: Es war eine ziemlich fiese Idee, die sich das ZDF für die Politiker im Publikum einfallen hatte lassen.
Man hetzte die Comedians Hazel Brugger und Ralf Schmitz auf die Parteivorsitzenden. „Ihr sollt jetzt direkt in die Brusttaschen greifen und das Geld herausziehen“, eröffnete Moderator Kerner das böse Spiel für den guten Zweck.: „Ihr habt sechs Minuten Zeit.“
So treibt das ZDF Merz in seine merkwürdige Rechnung
Es werden bittere sechs Minuten für die Politiker. „Herr Klingbeil, haben Sie vielleicht ein kleines Sondervermögen für mich?“, stürzt sich Ralf Schmitz auf den SPD-Vorsitzenden. Der bietet 500 Euro. Schmitz missversteht böswillig: „5000 Euro! Das ist unfassbar. Herr Klingbeil, Sie sind so großzügig!“
Bei Manuela Schwesig erhöht er von 1000 auf „zweieinhalb“. „Die grünen wollen Sie doch loswerden…“, versucht er bei Markus Söder die grünen Scheine aus der Geldbörse zu locken. Der bleibt bei 2000. „Bisschen knickrig!“, mault der Comedian.
Christian Lindner versucht, sich mit Hinweis auf seine „berufliche Situation“ aus der Affäre zu ziehen. All das schafft die Situation, aus der sich der einzige Kanzlerkandidat unter den attackierten Politikern mit seiner merkwürdigen Rechnung zu retten versucht.
Merz verweigert es, einen festen Betrag nennen. „Mein Angebot ist folgendes: 100 Euro für jeden Prozentpunkt, den wir in der besten Umfrage über den Jahreswechsel stehen. Wenn wir bei 40 Prozent liegen, dann sind das 4000 Euro.“
„Die da oben“ und „wir da unten“?
Was folgt, hat Züge einer Staatsaffäre. Merz, der Privatflieger! Merz, der Wirtschaftsanwalt! Merz, der Spitzenverdiener, der es nach eigener Angabe auch schon auf eine Million Jahreseinkommen gebracht hat! Da sehen wir doch mal, wie „die da oben“ aufs eigene Geld schauen, und „denen da unten“ ans Bürgergeld gehen wollen.
Wir erleben, wieder einmal, die pure Lust auf Hysterie. Wenn der Fußballer Toni Kroos an diesem Abend 100.000 Euro spendet, dann ist das sympathisch. Es entspricht aber auch nur einem guten Tagesgehalt 2024 als Spitzenverdiener bei Real Madrid in der spanischen Fußball-Liga. 23.627.158 Euro sind es übrigens, die an diesem Abend bei der Spendengala eingenommen werden.
Das ist die vierthöchste Summe in der Geschichte von „Ein Herz für Kinder“ nach dem Spitzenjahr 2021 mit mehr als 27 Milllionen.
Hand aufs eigene gute Herz?
Das Wesen einer Spende ist übrigens Freiwilligkeit. Nach meinem Empfinden haben sich da nicht die Politiker danebenbenommen. Es ist sehr viel mehr das ZDF, das seine – gebührenfinanzierte – Öffentlichkeit nutzt, um die Politiker vor laufenden Kameras und fast drei Millionen Fernsehzuschauern unter Druck zu setzen. Da heiligt der Zweck nicht das böse Mittel.
Hand aufs gute Herz: Sie und ich - wir haben ein Herz für Kinder und für Tiere und für Bedürftige. Aber welche Kleinlichkeiten hätte bei uns eine Fernsehkamera schon filmen können?