Kommentar: Über Golan lässt sich pragmatisch reden

Auf Twitter ballt US-Präsident Donald Trump wieder einmal sinnbildlich die Faust. (Bild: Evan Vucci/AP/dpa)
Auf Twitter ballt US-Präsident Donald Trump wieder einmal sinnbildlich die Faust. (Bild: Evan Vucci/AP/dpa)

Donald Trump macht wieder Twitterpolitik – die von Israel besetzten Golanhöhen sollen souverän israelisch werden. Bei aller Unliebe zum US-Präsidenten: Man kann ja mal drüber reden.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Nach 52 Jahren sei es für die Vereinigten Staaten an der Zeit dafür, schrieb Donald Trump, dass die USA eine Souveränität Israels über die Golanhöhen anerkennen. Dieser Tweet sorgt in der Nahostregion für Empörung, und bei Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu für Freude. Der schrieb seinem Rechtspopulistenkollegen, ebenfalls per Twitter: „Zu einer Zeit, in der der Iran Syrien als Plattform zur Zerstörung Israels benutzen will, erkennt Präsident Trump mutig Israels Souveränität über die Golanhöhen an. Danke, Präsident Trump!“

Was ist da passiert? Die Golanhöhen gehörten bis 1967 zu Syrien. Im Sechs-Tage-Krieg wurden sie dann von Israel besetzt, und bis dato sieht das Völkerrecht dieses Territorium immer noch als besetzt an. Ist es ja auch.

Unklare Interessenlage

Eine israelische Souveränität über den Golan könnte also eine Aushebelung des Völkerrechts bedeuten, ein erster Baustein für den Plan, ähnlich in der Westbank oder gar Gaza vorzugehen; längst ist deutlich zutage getreten, dass ein Politiker wie Netanjahu keineswegs an Menschenrechten wie etwa Souveränitätsrechten für Palästinenser interessiert ist. Ginge es nach ihm, gäbe es einen palästinensischen Staat am Sankt-Nimmerleins-Tag, also nie.

Dies könnte das Kalkül von Netanjahu sein, bewusst gebilligt von Trump. Immerhin hat der nichts dagegen, seinen Buddy gut dastehen zu lassen; in Israel stehen Anfang April Parlamentswahlen an, und deren Ausgang ist bisher völlig offen – und damit auch die Zukunft Netanjahus.

Es könnte aber auch anders sein. Trumps Entscheidung könnte vielleicht der Auftakt zu einem neuen Pragmatismus sein, der sich auf das Machbare konzentriert, der sich nicht in Scheingefechte mit dem begibt, was der frühere deutsche Außenminister Klaus Kinkel einmal die „normative Kraft des Faktischen“ nannte.

Denn der Golan ist anders als Westbank oder Gaza.

Israel, Golanhöhen: Israelische Merkava Kampfpanzer sind nahe der syrischen Grenze positioniert. (Bild: Ilia Yefimovich/dpa)
Israel, Golanhöhen: Israelische Merkava Kampfpanzer sind nahe der syrischen Grenze positioniert. (Bild: Ilia Yefimovich/dpa)

Die Gegend ist dünn besiedelt. Ihre Bedeutung ist vor allem militärstrategischer Natur. Es gibt auch wertvolle Ressourcen an Wasser und Öl, aber für den syrischen Staat ist der Golan keine Lebensader gewesen.

Der Golan war für Syrien bis 1967 vielmehr eine Chance zum Ärgern aus eigener Sicht und zum steten Bedrohen aus Sicht seines israelischen Nachbarn. Von dort oben wurde immer wieder auf Israel gefeuert, Unruhe und Schrecken verbreitet – und dies quasi unangreifbar, weil der Golan wie eine Bastion der Natur wirkt. Dass Israel im Sechs-Tage-Krieg Westbank und Gaza besetzte, war der Beginn eines großen Unglücks für alle, bis heute. Diese Invasion diente auch nicht der Sicherheit Israels. Die Besetzung des Golans aber schon.

Golan ist nicht Westbank

Ursprünglich lebten auf den Höhen Drusen und Araber. Um 1900 herum wurden auch jüdische Siedlungen gegründet, die 20 Jahre später wieder aufgegeben wurden – die französische Mandatsmacht duldete sie nicht. Nach der Besetzung im Jahr 1967 wurden dann 120.000 Araber von Israel vertrieben – dies war historisches Unrecht, während die dortigen Drusen weitgehend bleiben durften; sie hatten gute Beziehungen zu Juden und ihren Politikern geführt.

Seit Jahrzehnten also ist der Golan von Israel kontrolliert – dort wird nicht nur so getan, als wäre dies israelisches Territorium, es ist es auch im gelebten Alltag. Ganz anders die Lage in Westbank: Dort tun israelische Autoritäten gern, als wäre es ihr Territorium, aber das ist es schlicht nicht, keinen einzigen Tag. In Westbank lebt die palästinensische Gesellschaft mit all dem, was ein Gemeinwesen ausmacht. In Golan gibt es dies nicht mehr.

An Golan sollte also kein zusätzlicher Streit vom Zaun gebrochen werden. Für Frieden und Freiheit ist eine Lösung in Westbank und Gaza notwendig – und wie die aussieht, wird nicht auf dem Golan entschieden. Wie sie nur aussehen kann, um als „Lösung“ durchzugehen, ist klar: die Anerkennung der Kraft des normativen Faktischen einer palästinensischen Gesellschaft in Westbank und Gaza, mit allen sich daraus ergebenden Rechten.

Das Motiv von Trump ist hinreichend unscharf. Aber die Hoffnung muss ja nicht vorschnell aufgegeben werden, dass dieser Präsident irgendwann doch an jenem interessiert ist, was man eine gute Lösung nennt.

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