Ein Kommentar von Ulrich Reitz - Nach Aschaffenburg schlägt für Merz, Scholz und Habeck die Stunde der Wahrheit

Wer mit wem ab Februar? Friedrich Merz, Olaf Scholz und Robert Habeck (v.r.n.l.) im Bundestag.<span class="copyright">Michael Kappeler/dpa</span>
Wer mit wem ab Februar? Friedrich Merz, Olaf Scholz und Robert Habeck (v.r.n.l.) im Bundestag.Michael Kappeler/dpa

Man kann nur hoffen, dass Aschaffenburg dieser eine Mord zu viel war. Ein Mal noch tagt der Bundestag. Es sollte die Woche der Wahrheit werden.

Merz war beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos. Dort wurde er gefragt, wie man rechtsradikale Parteien, die gerade einen Boom erleben in Europa, nicht nur in Deutschland, stoppen könne. Seine Antwort: die Probleme lösen, die die Menschen bewegen.

Seit diesem Mittwoch gibt es ein weiteres Problem, das die Menschen bewegt. Der Hashtag im Internet, auf Social Media, lautet: Aschaffenburg. Die Zeit zu reden soll nach dieser abscheulichen Tat von Aschaffenburg vorbei sein, verspricht der Bundeskanzler.

Der dritte Kanzlerkandidat, Robert Habeck, verspricht gerade gar nichts mehr. Er ist nur noch betroffen. Genau wie Annalena Baerbock. Ganz besonders betroffen ist Katrin Göring-Eckardt.

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Die grüne Bundestagsvizepräsidentin hat auch allen Grund für eine Sonder-Betroffenheit: Vor einer Woche sagte sie allen Ernstes, Migration habe mit dem Leben der Menschen nichts zu tun.

Nun sind, als Folge von Migration, als Folge einer Nicht-Abschiebung eines Ausreisepflichtigen, in Aschaffenburg zwei Menschen gestorben . Ein kleines Kind und ein Retter, der seine Courage mit dem Leben bezahlte. Sie könnten noch leben. Auch Eingewanderte werden Opfer von Migrantenkriminalität, man hätte es schon lange wissen können.

Viele Menschen sind zurecht wütend

Die Menschen sind bewegt. Viele sind aber auch wütend. Sie sind es zurecht. Wenigstens der amtierende Bundeskanzler und dessen möglicher Nachfolger haben die Stimmung sozusagen in der Nase. Sie wissen:

So kann es nicht weiter gehen. Denn: Die Furcht, dass mit der irregulären Migration auch kulturell-religiös bedingte Kriminalität einwandert, ist nicht neu – im Gegenteil. Sie ist jetzt zehn Jahre alt, mindestens.

Hoffnung und Angst sind zwei Seiten derselben Medaille

Die Angst vor Einwanderung ist so alt wie die Willkommenskultur. Das ist auch nicht verwunderlich: Die Hoffnung und die Angst, das sind zwei Seiten derselben Medaille.

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Nach zehn Jahren fällt die politische Bilanz leider übel aus: Weder ist die Politik, weder sind die Regierenden der Willkommenskultur gerecht geworden noch der Angst vor Einwanderung. Es ist ein doppeltes Versagen – eines im Guten und eines im Schlechten.

Der Noch-Kanzler von der SPD und der wohl Bald-Kanzler von der CDU versprechen Besserung. Die Grünen versprechen keine Besserung. Das ist ehrlich, denn sie tragen die Hauptverantwortung für diese naive Einwanderungspolitik, die im Migranten ausschließlich und viele Jahre lang immer nur die Bereicherung sehen wollte, nie aber die Gefahr.

Angela Merkel hat sich von dieser grün-ideologisch motivierten Naivität leiten lassen, Olaf Scholz ebenso. Christian Lindner hat mitgemacht. Sie alle haben die AfD stark gemacht. Kurz vor der Nicht-Grenzschließung 2015 durch Merkel stand die AfD bei unter fünf Prozent. Heute droht jeder Fünfte, sie zu wählen.

Bleibt es bei den Floskeln, braucht die AfD keinen Wahlkampf mehr

Und es könnten auch noch mehr Wähler werden. Und zwar, weil Friedrich Merz recht hat: Der Treiber für die AfD ist die Nicht-Problemlösung durch die demokratischen Parteien.

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Bleibt es auch nach Aschaffenburg bei Floskeln der Betroffenheit, der klassischen Grünen-Reaktion, von den anderen Parteien willfährig adaptiert, dem Downsizen der Migrantengewalt auf eine psychisch bedingte Einzelgänger-Tat, kann die komplette AfD von jetzt an und bis zum Wahlabend in den Urlaub fahren.

In Berlin haben jetzt sehr viele Politiker Angst vor der Bundestagswahl 2029. Es ist die Angst davor, dass sich nach der kommenden Bundestagswahl vier Jahre an Deutschlands Hauptproblem (Migration steht auf Platz Eins) nichts ändert. Die Furcht ist nur zu berechtigt.

Die Wähler spüren die Angst der Politik schon heute

Nur: Die Wähler spüren diese Angst der Politiker nicht erst am 24. Februar, dem Tag nach der Wahl, an dem möglicherweise sehr unangenehme, sehr zähe Koalitionsverhandlungen beginnen, die in einem neuerlich asymmetrischen Bündnis münden. Dann würde am Ende nur der Kanzler ausgetauscht, nicht aber dessen Politik.

Die Wähler spüren diese Angst der Politik schon heute. Möglicherweise ist es fahrlässig zu glauben, der Wählerfrust könnte sich erst am Ende der nächsten Wahlperiode entladen. Die Dinge liegen doch auf der Hand, Deutschland braucht insgesamt eine Zeitenwende, nicht nur beim Militär, wo sie im Übrigen stecken geblieben ist.

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Was, wenn der Bürgerfrust sich nicht erst Übermorgen entlädt, sondern schon Morgen? Wenn sie befürchten müssen, dass sich durchschlagend nichts ändert, weshalb sollten die Bürger sich dann ihre Empörung darüber aufsparen? Weil sich das Politiker am Reißbrett so vorstellen?

Die Union sollte für die Stunde der Wahrheit im Bundestag sorgen

Seit dem September existiert der Entwurf für ein Zustrombegrenzungsgesetz. Die Union ist der Urheber. CDU und CSU sollten diesen Gesetzentwurf in der nächsten Woche im Bundestag einbringen und zur Abstimmung stellen.

Das wäre eine Stunde der Wahrheit – auf die die Wähler Anspruch haben. Man wird dann sehen, ob der Bundeskanzler und seine SPD bei einem Kurs, der die Grenzen dichtmacht für irreguläre Migration, mitmacht. Oder ob er an diesem Mittwochabend, in seiner Reaktion auf die Morde von Aschaffenburg, nur die Backen aufgeblasen hat.

Oder ob die SPD wiederentdeckt, was die Mehrheit der „kleinen Leute“, die in Wahrheit keine kleinen Leute sind, sondern jene, die den Laden mit am Laufen halten, erwartet:

Kein Mensch sollte etwas gegen politisches Asyl haben. Aber Anspruch auf Asyl in Deutschland wegen politischer Verfolgung haben derzeit nur rund 1,5 Prozent aller Migranten, die hierhin gekommen sind.

Das deutsche Asylrecht, so wie es sich die vielen Verfassungsväter und die wenigen Verfassungsmütter ausgedacht haben als Konsequenz aus dem Nationalsozialismus, gibt es nicht mehr. Es ist eine Fiktion.

Aber es ist genau jener Zustand, zudem Deutschland zurückmuss. Und immer mehr Länder um uns herum verstehen das auch und handeln entsprechend. Man muss nicht einmal über den Atlantik schauen bis zu Donald Trump.

Österreich hat angekündigt, mit den Taliban über die Rückkehr abgelehnter Asylbewerber zu reden. Frau Baerbock will davon nichts wissen, ebenso wenig wie von einer Rückkehr der vielen vor Assad geflohenen Syrer.

Die Union zittert vor einem Erfolg mit Zustimmung der AfD

Im Moment ist die Furcht der Union groß: was ist, wenn die von ihr versprochene Änderung des Asylrechts mit den Stimmen der AfD zustande kommt? Aber vielleicht ist das immer mehr Menschen egal.

Vielleicht ist ihnen die Rückkehr zu einer geregelten Einwanderung wichtiger als die Furcht der Union und ihres Kanzlerkandidaten vor grünen Medien und grünen NGOs und grünen Politikern. Und im Übrigen ist so eine Abstimmung im Bundestag eine Einladung für alle Parteien:

Es wird sich dann zeigen, ob die SPD die Sorgen der Menschen ignoriert. Es wird sich zeigen, ob die FDP die Sorgen der Menschen ignoriert (sie wird es nicht).

Und es wird sich auch zeigen, ob die Grünen wirklich die Chuzpe haben, ihre gefährliche Open-Door-Politik durchzuhalten. Gegen die wachsende Zahl junger Menschen zum Beispiel, die früher gerne grün wählten, heute aber auch die AfD auf dem Zettel haben, weil sie nämlich ganz genau wissen, was Frau Göring-Eckardt noch nie wissen wollte:

Dass Migration sehr wohl eine große Wirkung hat auf ihr Leben.

Nächste Woche, die letzte in dieser Legislaturperiode, sollte zu einer Woche der Wahrheit werden für die drei Kanzlerkandidaten. Merz, Scholz und Habeck sollten Farbe bekennen müssen. Das wäre ehrlich. Und es wäre demokratisch geboten.

Die Wähler haben ein Anrecht darauf zu wissen, wo die drei Kandidaten stehen.