Kommentar von Ulrich Reitz - Besonders eine Eigenschaft macht Friedrich Merz zu einem gefährlichen Gegner
Nun steht es fest: Gegen Olaf Scholz tritt Friedrich Merz an. Der Bundeskanzler freut sich schon auf das Duell. Er hat gute Gründe dafür. Aber Merz hat eine große Chance.
„Es ist mir recht, wenn Herr Merz der Kanzlerkandidat der Union ist“, hat Olaf Scholz kommentiert, nicht ohne jene gönnerhafte Arroganz, die er sich im Kanzleramt inzwischen leider angewöhnt hat.
Aber: Der Bundeskanzler hat auch gute Gründe dafür, sich schon auf den Wahlkampf mit Friedrich Merz zu freuen. Denn: Markus Söder wäre für ihn der schwierigere Gegner gewesen.
Der CSU-Chef ist ein Hochgeschwindigkeitspolitiker. Und ein Jäger – riecht er Blut, ergeht es ihm wie dem Hai: Der Instinkt siegt, und er stürzt sich auf sein Opfer. Ganz gleich, ob Freund oder Feind.
Im Video: Markus Söder verkündet Unions-Kanzlerkandidaten und teilt Spitze gegen Ampel aus
Söder ist schneller als Scholz
Der Letzte, den er wegbiss, war der eigentlich doch gemeinsame Kanzlerkandidat der Union, also von CDU und CSU, Armin Laschet. Den nennt er auch aktuell noch den „falschen Kandidaten“ – und wären wir hier die „Bild“-Zeitung, würden wir titeln:
„Söder beißt auch Tote.“
Söder ist schneller als Scholz. Unberechenbarer als Gegner, im Zweifel zweifelsfrei, auch ruchlos. Und einer, der in seiner Kommunikation fast fehlerfrei agiert. Söder liebt die Kameras, und sie lieben ihn. Es gibt solche Medienphänomene, und Söder ist eines der seltenen Exemplare dieser Art.
Andere gehen Kämpfen aus dem Weg. Söder liebt den Kampf. Er ist quasi aufgewachsen im Bierzelt, und auch, wenn dies empfindsame Seelen, wie dies heute in manchen, woken Kreisen üblich geworden ist, schneeflockengleich als „Entmenschlichung“ skandalisieren: Söder ist nun mal eine Rampensau.
„Friedrich Merz? Ich wünsche gute Fahrt“
Kurzum: Der CSU-Chef hat alles, was der Kanzler nicht hat. Und im Vergleich zu Merz muss man sagen: Der größte Vorteil von Söder ist der größte Nachteil von Merz, wenn man denn Sozialdemokrat ist: Söder war nie bei Blackrock.
Dafür werden sie Friedrich Merz grillen, obwohl er von dort lange weg ist – und auch nicht Vorstand war, sondern Aufsichtsrat. Das macht aber nichts, wenn es auf Feinheiten nicht so ankommt, im Wahlkampf also.
Ich erinnere mich noch gut daran, was mir ein früherer CDU-Ministerpräsident sagte, als Merz zum ersten Mal für den CDU-Vorsitz antrat, damals gegen Annegret Kramp-Karrenbauer, die inhaltlich wie stilistisch die Fortsetzung von Angela Merkel war:
„Friedrich Merz? Ich wünsche gute Fahrt. Ich sage nur: Blackrock.“ Im wichtigsten Teil der CDU, in ihrer nordrhein-westfälischen Burg, kann nur erfolgreich Schlossherr sein, wer seine Untertanen streichelt. Also links ist. Das ist seit 1949 so und Hendrik Wüst ist das beste Beispiel dafür.
Klingbeil wird sich eine Chance nicht entgehen lassen
Früher war er mal neoliberal. Heute ist er als gefühliger Kümmerer-Politiker erfolgreicher Regierungschef im alten Arbeiterland NRW. Dort kann man nichts werden, wenn man nicht in jedem dritten Satz fehlerfrei den dort längst verlöschenden alten Industriestrukturen seine „Solidarität“ bekundet.
Blackrock ist das, was Franz Müntefering als SPD-Vorsitzender so unnachahmlich wie böse karikiert hat. Diese Chance wird sich der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil nicht entgehen lassen, und auch nicht die Öffentlich Rechtlichen Rundfunkanstalten, die zu gefühlt 80 Prozent grün ticken.
Hier noch einmal Münteferings Zitat, denn wir werden es ab jetzt noch oft hören, bezogen dann allerdings aktualitätshalber auf Friedrich Merz, den Kanzlerkandidaten der Union:
„Manche Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten – sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter. Gegen diese Form von Kapitalismus kämpfen wir.“
Scholz hat die Wahl noch lange nicht verloren
Wenn man in einer roten Parteizentrale sitzt, ist das immer noch das Genialste, was man sich über seinen Gegner ausdenken kann. Es kann gut sein, dass das funktioniert, Merz täte gut daran, sich hier nichts vorzumachen.
Scholz hat die Wahl noch lange nicht verloren, auch wenn es jetzt gerade so aussieht. Bis zur Bundestagswahl ist es noch ein Jahr. Ein Jahr kann sehr lang sein, wenn man jeden Tag dreimal auf der Bühne steht.
Ab jetzt werden die Uhren zurückgedreht. Sie stehen quasi fast wieder auf Null. Mit dem ausgerufenen Kanzlerkandidaten der Union beginnt eine neue Zeitrechnung. Und das heißt: Alle haben jetzt wieder dieselben Chancen. Also auch Scholz, selbst wenn er verbeult ins Rennen geht.
Am wenigsten Chancen hat wohl Habeck – das liegt am Zeitgeist. Der ruft nach „Sicherheit“ – und wenn eines die Grünen nicht bieten können, dann ist es: Sicherheit. Sie sind die Herolde der „Großen Transformation“ – und große Transformation, das heißt für eine große Anzahl von Menschen: maximale Unsicherheit. Die reicht vom Heizungskeller übers Auto bis hin zum Steak. Da geht es Scholz doch erheblich besser als Robert Habeck.
Friedrich Merz wird uns eine unbequeme Frage stellen
Die Sozis haben jetzt schon mit einem Renten-Wahlkampf angefangen – „sichere Renten gibt es nur mit uns“. Merz mag gut sein für die innere Sicherheit, die soziale Sicherheit ist bei den Sozialdemokraten zu Hause, jedenfalls im Ansehen sehr vieler Bürger, der älteren zumal.
Merz hat das im Gespür, schon jetzt hat er die „Rente mit 70“, die demografisch wohl das Mittel der Wahl wäre, aus dem Spiel genommen. Obwohl sie – wenig verklausuliert - im CDU-Programm steht. Das werden ihm die „Sozen“ um die Ohren hauen, sie tun es jetzt schon. Und ob die eigenen Sozial-Bataillone in der CDU hierzu schweigen, ist auch alles andere als sicher. Merz droht hier sogar „friendly fire“.
Friedrich Merz wird uns Bürgern eine unbequeme Frage stellen: Wie ehrlich hättet Ihr es denn gerne? Anders und konkret gefragt: Wie viele der Älteren wollen wirklich den Satz hören: Die Rente ist nicht sicher?
Merz sagt, der gesamte Sozialetat gehöre auf den Prüfstand. Das ist völlig richtig, und doch ist es für eine Gesellschaft, in der viele sich im Sozialstaat eingerichtet haben, eine: Provokation. Ebenso wie das, was Merz über unsere Einstellung zur Arbeit generell sagt – wir müssten uns entscheiden, ob für uns „Arbeit eine unangenehme Unterbrechung der Freizeit“ ist. Zur Erinnerung:
So wie Merz heute „tickt“, tickte Merkel im Jahr 2005
Wieviel Prügel hat Helmut Kohl einstecken müssen, als er Anfang der neunziger Jahre Deutschland einen „kollektiven Freizeitpark“ nannte? Damit nicht genug: So wie Merz heute „tickt“, tickte Angela Merkel im Jahr 2005, als sie Paul Kirchhof in ihr Wahlkampfteam holte. Schröder walzte diese ökonomische Koryphäe brutal platt, machte ihn als „Professor aus Heidelberg“ unmöglich. Als Mann, der volksfern aus der kapitalistischen Kälte kam.
Der Mann, der aus der kapitalistischen Kälte kam, kehrt jetzt zurück, nur: nicht als Kandidat für das Bundesfinanzministerium, um eine Steuerreform ins Werk zu setzen, sondern gleich eine Etage höher – und angreifbarer: als Kanzlerkandidat. Wenn man sozialdemokratischer Kampagnero ist, kann man auf den Gedanken verfallen: Was für ein Geschenk.
Alles das haben Scholz und Klingbeil jetzt schon im Kopf – und in der Schublade. Es kann gut sein, dass dieser Wahlkampf durchaus schmutzig wird. Darin liegt aber auch die größte Chance von Merz und der CDU, Merz und Söder und der CSU, Merz und Wüst.
Merz wird sich als ökonomischer Aufbruch inszenieren
Deutschland ist gerade nichts, worauf man stolz sein könnte. Und dieses Nicht-stolz-sein-können verbinden die Bürger in ihrer Mehrheit mit Scholz. Deshalb gibt es in der SPD eine große Unruhe, und gerade fragen wichtige Genossen wie der Münchner Oberbürgermeister, ob Scholz wirklich der Richtige ist.
Merz wird sich als der ökonomische Aufbruch inszenieren. Das ist aber kein Theater: Wenn Friedrich Merz auf einem Feld glaubhaft agieren kann, dann hier. Und ohne eine starke Wirtschaft gibt es, dies nur nebenbei, auch keinen Klimaschutz.
Es gilt noch allemal die Weisheit von Bill Clinton, auch hier bei uns in Deutschland: „I’s the economy, stupid.“ Wenn irgendetwas Deutschlands DNA ist, dann sein Wohlstand. Und den gefährdet gerade keine Regierung im Urteil der Wähler so sehr wie die Ampel. Deshalb gibt es für die, die sich genau darüber Sorgen machen, jetzt eine glaubhafte Alternative: Friedrich Merz.